21. Stuttgarter Theaterpreis

Landesfestival der freien Theater Baden-Württemberg

Am 6. Dezember ging die 21. Ausgabe des Stuttgarter Theaterpreises mit der offiziellen Preisverleihung im Theaterhaus zuende. Der zwischen den Genres Theater und Tanz alternierende Preis wurde diesmal im Bereich Sprech- und Figurentheater vergeben.

Um die Auszeichnungen in Höhe von insgesamt € 15.000 konkurrierten sieben nominierte Companies aus der freien Szene Baden-Württembergs. Gewinner des mit € 6.000 dotierten Hauptpreises ist das Theaterprojekt Stuttgart22 mit Erst schlafen, bevor ich geh.

Alle Jahre wieder, Theaterpreis-Zeit: Die vier Tage bis zum zweiten Adventssonntag haben sich nicht nur die freien Kulturschaffenden aus ganz Baden-Württemberg, sondern auch das kulturell aufgeschlossene Stuttgarter Publikum fest im Kalender vorgemerkt. Denn hier präsentiert sich eine Best-of-Auswahl von sieben unabhängigen Produktionen aus dem Land, die in Sachen künstlerischer Originalität und Innovation so manches etablierte Haus “spielend” in den Schatten stellen. Im einzigen Wettbewerb für die Off-Szene im deutschen Südwesten gab es Preise in Höhe von insgesamt € 15.000 zu gewinnen. Neben der willkommenen finanziellen Unterstützung stellen die Auszeichnungen vor allem ein überregional anerkanntes Gütesiegel für die ohne Netz und doppelten Boden arbeitenden Freien dar. Das beeindruckende Line-up und die Preisträger 2009 unterstrichen erneut die hohe Qualität der nominierten Produktionen.

Allgegenwärtig waren in diesem Jahr politische und gesellschaftspolitische Themen. Jenseits formaler Experimente suchte die Szene ganz offenkundig die Auseinandersetzung mit der echten, mit unserer Welt. “Bühne frei” hieß es also für die Globalisierungsverlierer (Die Ausgeschlossenen oder Das Elend der Welt), die bürgerliche Familie (Erst schlafen, bevor ich geh), die Desillusionierten aus dem ehemals sozialistischen Osten (FUCK YOU, Eu.ro.Pa!), die perspektivlose Generation um die 30 (Leonce und Lena) oder die nach wie vor alles andere als gleichberechtigten Frauen (Jungfrauen und Madonnen). Sieben einzelne starke Aufführungen, die unterstreichen, welch unverzichtbare Rolle dem Stuttgarter Theaterpreis im Gefüge der baden-württembergischen Kulturlandschaft zukommt. Die Veranstalter und Preisstifter hoffen, dass alle Beteiligten nun rasch gemeinsam nach Lösungen suchen, um den jährlichen Rhythmus des Festivals auch künftig zu erhalten.

Die Gewinner und Preise im Überblick:

Stuttgarter Theaterpreis für die beste Produktion in Höhe von € 6.000 – gestiftet von der Landeshauptstadt Stuttgart, überreicht von Susanne Laugwitz- Aulbach, Kulturamt Stuttgart für Theaterprojekt Stuttgart22, Stuttgart, mit Erst schlafen, bevor ich geh (Regie: Christof Küster)

Aus der Begründung der Jury:

“Die Aufführung führt den Zuschauer tief hinein in einen Dschungel voller Rituale einer vermeintlich normalen deutschen Familie. Trotz aller Behaglichkeit zwischen Blümchentapete und großem Esstisch lauert der Kampf aller gegen alle unter dem weichen Braun des Teppichs: der Sohn um Emanzipation vor dem Vater, die Mutter um die Harmonie der Familie, die Tochter um ihr Glück, und die Freundin um einen Platz am Tisch, da der heimische noch fürchterlicher zu sein scheint. Die Inszenierung verdichtet verschiedene Formen des szenischen Erzählens zu einem gesellschaftlichen Röntgenbild der 70er Jahre. Franz Kafkas Brief an den Vater setzt einen literarischen Kammerton, der von dem gestischen Spiel der Figuren weiter getragen wird. Unmittelbar auf die Tapete projizierte Schnappschüsse vertiefen den Eindruck für die in der Familie zur Geste erstarrten Rituale. Wie Indizien lenken sie den Blick auf das tief in die Gemeinschaft eingewobene Unglück, das die Familie zu ihrer eigenen Katastrophe werden lässt. Der Produktion gelingt es mit dieser eigenwilligen Formensprache und einer starken Ensembleleistung sowie dem visuellen Gespür für die Ausstattung eine offenkundig persönliche Geschichte zu erzählen, die – als Metapher gesehen – auch eine über die alte Bundesrepublik sein könnte.”

Sonderpreis für eine herausragende Leistung in Höhe von € 4.000 – gestiftet von der Staatlichen Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg, überreicht von Regine Koch-Scheinpflug für TART Produktion, Stuttgart, mit FUCK YOU, Eu.ro.Pa! (Regie: Johanna Niedermüller)

Aus der Begründung der Jury:

“Die kompliziert verschränkte Mehrschichtigkeit des Textes wurde im Bühnenbild, in der Regie und in der Spielweise unaufdringlich und präzise aufgefangen. An Stelle von Plakativem und oberflächlicher Agitation oder hohlen Behauptungen regt der Abend an, mitzuleben statt sich vorzeitig zu positionieren; weiterzudenken und Fragen zu stellen, die nicht mehr Theaterformen, sondern Inhalte betreffen. Dass eine schroffe, wütende Ablehnung wie FUCK YOU, Eu.ro.Pa! sowohl gegen Europa, gegen “RO” – als Kürzel für Rumänien – als auch gegen den “Papa” geht, zeigt der Titel an. Die Inszenierung ist deutlich herausragend zu nennen, weil sie konzeptionell und in der Ausführung ihre Mittel beherrscht: sie ist spannungsreich, überzeugend und mitreißend über den Moment hinaus.”

Publikumspreis in Höhe von € 3.000 – gestiftet von der Kulturgemeinschaft Stuttgart, überreicht durch Peter Jakobeit für TIG7, Mannheim, mit Jungfrauen und Madonnen (Regie: Christina Rast)

Sonderpreis für die beste darstellerische Leistung in Höhe von € 2.000 – gestiftet von der Buchhandlung Wittwer, überreicht von Dr. Konrad Martin Wittwer
für Snezhina Petrova, Stuttgart, in FUCK YOU, Eu.ro.Pa!

Aus der Begründung der Jury:

“Sie spielt vielschichtig, virtuos, mal vorsichtig tastend, mal aufbrausend. In der Sprachbehandlung ist sie präzise, subtil und glaubwürdig. Aber sie spricht nicht alles aus. Für das Wesentliche fehlen ihr die Worte. Hier hat sie ihre stärksten Momente. Wie diese Frau vom Europäischen Konferenztisch durchs Eingemachte der Vergangenheit zur Gegenüberstellung mit dem Vater schreitet und alldem letztlich ihr “FUCK YOU” widmet, stets beherrscht, unpathetisch und fast beiläufig ihre Gefühle aufdeckt, das ist spannend und ergreifend in seiner Intensität.”

Die Jury:
· Uwe Gössel, Theatertreffen / Leiter Internationales Forum, Berliner Festspiele
· Achim Hall, Schauspieler, Figurenspieler
· Stefan Hallmayer, Schauspieler / Regisseur / Stellvertretender Intendant, Theater Lindenhof
· Rüdiger Meyke, Theaterreferent, Kulturamt Stuttgart
· Frederik Zeugke, Dramaturg, Schauspiel Stuttgart

Die nominierten Produktionen:
· Ensemble Doll-y, Stuttgart, mit Doll-y
· TIG7, Mannheim, mit Jungfrauen und Madonnen
· EX!T Ausgangspunkt Theater, Mannheim, mit Playtime
· Theaterprojekt Stuttgart22, Stuttgart, mit Erst schlafen, bevor ich geh
· fliegen ab stuttgart, Stuttgart, mit Leonce und Lena
· TART Produktion, Stuttgart, mit FUCK YOU, Eu.ro.Pa!
· Neues Ensemble, Mannheim, mit Die Ausgeschlossenen oder Das Elend der Welt

Der 21. Stuttgarter Theaterpreis wurde unterstützt vom Kulturamt der Landeshauptstadt Stuttgart und dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg durch den Landesverband Freier Theater Baden-Württemberg (LaFT). Partner und Preisstifter sind die Landeshauptstadt Stuttgart, die Staatliche Toto-Lotto-GmbH Baden-Württemberg, die Kulturgemeinschaft sowie die Buchhandlung Wittwer.

Mehr Informationen unter www.theaterhaus.com
Das Theaterhaus Stuttgart wird gefördert von der Mercedes-Benz Bank.
Pressekontakt:
Nicola Steller, steller@freie-pr.de, Tel. 07156-350616
Susanne Krebs, nicole.schotters@theaterhaus.com, Tel. 0711-40207-33
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Nicola Steller
Freie Medien- und Öffentlichkeitsarbeit
Stuttgarter Straße 32
71254 Ditzingen
Germany
Tel.: ++49 (0)7156 - 350616
steller@freie-pr.de
www.freie-pr.de

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