Volksbühne
Frank Castorf - Intendanz
Herausgegeben von Thomas Irmer und Harald Müller
Broschur mit 168 Seiten, Format: 140 x 240 mm
ISBN 978-3-934344-21-1, Originalpreis: € 18,00
Dieses Buch ist leider vergriffen
"Der Bau ist von schlagender Hässlichkeit. Hier sollte man (eben deshalb) ein junges Theater gründen: mit ästhetischer Innovationslust, politischem Mut, ähnlich wie (und sicher ganz anders als) einst die Schaubühne am Halleschen Ufer." Mit diesen "Überlegungen zur Situation Berliner Theater" empfahlen im April 1991 Friedrich Dieckmann, Michael Merschmeier, Ivan Nagel und Henning Rischbieter, die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz "einer jungen Truppe, die IHR Theater machen will", zu geben.
Am 8. Oktober 1992 eröffnete die Intendanz Frank Castorfs mit seiner Inszenierung des "König Lear", und zehn Jahre später herrscht weitgehend Übereinstimmung, dass diese Volksbühne zu den wichtigsten Theatern des deutschsprachigen Raums gehört, auch weil sie außer ästhetischen Innovationen und Veränderungen ihrer Selbstorganisation vor allem eins geleistet hat: Theater als politischen Ort, als gesellschaftliche Institution, als Ausdruck realer Konflikte zu begreifen und immer wieder neu vorzustellen. Zehn Jahre, das ist in den immer kürzeren Erfolgszyklen der Theater eine erstaunlich lange Zeit - und hier der Anlass, ein Buch über die Protagonisten der Volksbühne vorzulegen, über ihre Orte (neben dem Haus am Luxemburg-Platz der Prater) und über das der Volksbühne zugehörige Obdachlosentheater "Die Ratten".
Der Fokus liegt auf dem Spezifischen der Volksbühnenarbeit von Frank Castorf, Christoph Marthaler, Johann Kresnik und Christoph Schlingensief, die an diesem Haus zusammenkamen und diese Volksbühne der neunziger Jahre mit ihren Arbeiten prägten. Sicher, es gab eine ganze Reihe anderer Regisseure, die an diesem Theater inszenierten, als Gast oder mit einer anderweitig kürzeren Arbeitsbeziehung, wie Andreas Kriegenburg, Martin Kusej, Leander Haußmann, Stefan Bachmann, Stefan Pucher und Sebastian Hartmann, die alle heute an anderen wichtigen Theatern arbeiten. Und es gibt mit René Pollesch und Thomas Bischoff zwei Regisseure, die zu den vergangenen Spielzeiten Wesentliches beigetragen haben. Aber der Gesamtblick soll sich hier auf das zuvor genannte Kleeblatt richten, das in dieser einmaligen Konstellation - leider - schon nicht mehr besteht. Zum anderen war uns wichtig, den Ort ihrer Arbeit noch einmal genauer zu beleuchten, die Geschichte der Volksbühne aus architekturhistorischer Sicht: Oskar Kaufmann ist gewiss einer der zu Unrecht vergessenen Theaterbaumeister Berlins, und seine Volksbühne (hier von David Baltzer fotografiert) hat für viele ihrer Besucher eben nicht nur die Wirkung "schlagender Hässlichkeit", sondern auch eine Aura der magischen Anziehung, die sie in der sich wieder einmal viel zu schnell verändernden Hauptstadt auch als Gebäude von sogar noch wachsender Ausstrahlung im öffentlichen Raum behauptet. Jeder, der einmal aus der inneren Mitte durch die Münzstraße oder vom Alexanderplatz durch die Memhardstraße kommend in die Luxemburgstraße einbiegt und auf die Volksbühne zufährt oder -läuft, kann sich dieser Aura versichern.
Thomas Irmer und Harald Müller
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Europa am Ende des zweiten Jahrtausends | |
Frank Castorf an der Volksbühnevon Friedrich Dieckmann | Seite 20 |
Beginn mit Shakespeares "König Lear"von Friedrich Dieckmann | Seite 21 |
Arnolt Bronnens "Rheinische Rebellen"von Friedrich Dieckmann | Seite 23 |
Jochen Bergs "Fremde in der Nacht" im Babylonvon Friedrich Dieckmann | Seite 27 |
Castorf auf großer Ibsen-Expedition "Die Frau vom Meer"von Friedrich Dieckmann | Seite 29 |
Heiner Müllers "Schlacht" in der Pension Schöllervon Friedrich Dieckmann | Seite 32 |
Standort Deutschland - "Hauptmanns Weber"von Friedrich Dieckmann | Seite 34 |
Leitbild, Glauben, Depression und ErniedrigungFrank Castorfs Volksbühnenarbeit ab Mitte der neunziger Jahrevon Thomas Irmer | Seite 46 |
Würde der Hoffnungslosigkeit"Backen ohne Mehl" oder Die Innere Opposition - Christoph Marthalervon Nikolaus Merck | Seite 58 |
"Ich geb' euch kein Leitbild!"Christoph Schlingensiefs Volksbühnenüberschreitungenvon Sandra Umathum | Seite 70 |
Meister linken FurorsWo Kresnik draufsteht, ist auch Kresnik drinvon Anja von Witzler | Seite 86 |
Theater als Sinngebung des SinnlosenDie Theatergruppe Ratten 07 im zehnten Jahrvon Hugo Velarde | Seite 102 |
Vom Spektakel bis zur WohnfrontDer Prater als Innovationslaborvon Petra Kohse | Seite 122 |
Vertriebener TempelherrDie Volksbühne und ihr Architekt Oskar Kaufmannvon Antje Hansen | Seite 140 |
Anhang | Seite 154 |
Zu den HerausgeberInnen
Thomas Irmer
Harald Müller
Jeden Monat die wichtigsten Themen bei Theater der Zeit
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