70 Jahre Zukunft
Theater der Jungen Welt Leipzig
Paperback mit 180 Seiten, Format: 230 x 270 mm
ISBN 978-3-95749-075-9, Mit zahlreichen farbigen Abbildungen
Im November 1946 wurde in Leipzig das erste feste städtische Kinder- und Jugendtheater Deutschlands gegründet: das Theater der Jungen Welt. Für Generationen von Leipzigern war und ist der Besuch im Theater der Jungen Welt das erste Theatererlebnis überhaupt. Dieses Buch porträtiert in Wort und Bild die wechselvolle Geschichte des Theaters von den Anfängen bis zur Gegenwart: die Schwierigkeiten der Gründerjahre, die DDR-Zeit als Teil des Leipziger Theaterkombinats und Neuaufbrüche nach der Wende. Seit 2002 wird das Theater von Jürgen Zielinski geleitet, der es mit zeitgenössischen Themen und Formen an die Spitze des deutschen Kinder- und Jugendtheaters gebracht hat. Sein Ensemble überschreitet ästhetische Grenzen, setzt offensiv auf neue Stoffe, vielfältige Regiehandschriften und entwirft als innovatives Theater für Kinder und Jugendliche Visionen für die Zukunft. Vitales Theater für alle in einer vitalen Stadt.
Das Theater der Jungen Welt ist das älteste professionelle Kinder- und Jugendtheater in Deutschland. Ein historischer Status, den ich während meiner gesamten Amtszeit nicht allzu sehr in den Vordergrund stellen wollte. Ein Attribut, das museal und altbacken klingt. Denn besonders ein Kinder- und Jugendtheater sollte sich doch durch alles andere als ein fortgeschrittenes Alter auszeichnen – also vielmehr lebensnah, im Hier und Jetzt sein sowie Zukunftsfragen und Ängste in den Fokus rücken. Das war dann auch unser Weg, nachdem ich 2002 an das Theater nach Leipzig kam.
Und die Themen lagen, nun ja, auf der Straße – manchmal näher, als man wollte. Das NPD-Parteibüro siedelte sich zum Beispiel von 2008 bis 2014 in unmittelbarer Nachbarschaft des Theaters der Jungen Welt an – in »Steinwurfweite«, wie ich gerne betont habe. Der aggressive Impetus, der von dort ausging, brachte für uns durchaus auch Bedrohungsszenarien, als sich beispielsweise die Freien Kameradschaften zu unserer Veranstaltung anmeldeten. Mit der Groteske »Mein Kampf« von George Tabori transportierten wir Vergangenheitsbewältigung ins aktuell brennende Hier und Jetzt im Jahre 2010! Somit positionierten wir uns auch in der Stadt und in Sachsen als engagiertes Theater in Richtung Antifa, um diesen Begriff mal etwas breiter anzulegen und nicht nur im Sinne von Linksautonomen.
Gewiss war das nicht die einzige Aktivität in diese Richtung, denn ich hatte bereits frühzeitig darauf hingewiesen, dass Kinder- und Jugendtheater auch immer eine »spielerische Demokratieübung« ist. Die jüngsten Anerkennungen, der Theaterpreis des Bundes und der Sächsische Förderpreis für Demokratie bestätigen den Weg, den wir mit Projekten wie zum Beispiel »Kinder des Holocaust« und »Brennpunkt: X« sowohl gesellschaftlich als auch künstlerisch eingeschlagen haben. Dennoch werde ich nicht müde zu betonen, dass ein Theater wie unseres, umso mehr, wenn die Zeiten sich ändern, flexibel sowie für und mit seinem Publikum gesellschaftlicher Seismograph sein muss und dafür einer breiten Förderung bedarf.
Auf den Theateralltag des TdJW bezogen, haben sich die Zeiten seit dem Beginn meiner Intendanz verändert: Bei meiner Amtsübernahme hatte das TdJW wahrlich nicht den besten Stand. Es gab keine engagierte Finanzspritze, sondern Baustellen ohne Ende: Überalterung des Ensembles, der Bau des Theaterhauses, partieller Frust in Teilen der Belegschaft nach dem Intendantengastspiel von Tilo Esche. Eine Arbeitsauffassung, die mehr oder minder aus engagierter Rhetorik bestand. Eine Skepsis gegenüber dem »Wessi« kam noch hinzu.
Einige Jahre später ließ ich mich zu der Äußerung hinreißen, dass sich das Theater in einem Dornröschenschlaf befunden haben musste. Da hatten wir uns schon neues Sympathieterrain erobert. Es wurde wieder über Kunst und deren Annahme mit schlagartiger Steigerung der Zuschauerzahlen, über nationale und internationale Festivaleinladungen und zunehmende Gastspielanfragen berichtet. Wir machen ein Theater für alle und nehmen unser Publikum ernst, schauen, welche Themen uns und unser Publikum umtreiben sollen. Daraus machen wir Theater, ein sinnliches Theater, das Grenzen wie Landesgrenzen gerne auch mal überschreitet.
Der manchmal akrobatische Spagat ist auch eine dieser täglichen Grenzüberschreitungen, die unsere Arbeit prägen: vom Theater für die Allerkleinsten (das wir erstmals am TdJW einführten) über Jugendproduktionen bis hin zum partizipativen Mehrgenerationentheater, integrativen sowie inklusiven Projekten, Clubs und Studentenclubs – außerdem unsere Aufgabe als Stadtteilzentrum und Bürgerhaus! Selbstverständlich auch das Puppentheater, das nun sein 25. Jubiläum begeht. Bei meiner Übernahme 2002 war es damals nicht so recht gewünscht! Das ist ein Fakt, aber es blieb und ich baute es aus: Drei Spieler beleben die Sparte und sie ist ein nicht mehr wegzudenkendes Angebot des Hauses.
Für die kommenden 70 Jahre wünsche ich mir und prophezeie dem TdJW einen Spitzenplatz sowie eine Position in der Champions League, verbunden mit einer regional agierenden »Theaterschule für das Leben«, die mit ihrer Vernetzung ein fester Bestandteil der deutschen, aber auch internationalen Kinder- und Jugendtheaterlandschaft sein wird.
Jürgen Zielinski
Intendant des Theaters der Jungen Welt
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Grußwort des Oberbürgermeistersvon Burkhard Jung | Seite 6 |
Grenzüberschreitungenvon Jürgen Zielinski | Seite 7 |
Ein Junges Theater wird gegründet 1946 – 1948 | |
1946 – Comicvon Max Baitinger | Seite 9 |
Publikumserinnerungen: Die Nachricht aus dem Radiovon Bernd Landmann | Seite 14 |
Publikumserinnerungen: Ein Leben langvon Bernd Faltenbacher | Seite 15 |
Gründungsbefehl des Theaters der Jungen Weltvon Tatjana Rese | Seite 16 |
Kultur für den Wiederaufbauvon Thomas Irmer | Seite 18 |
Zwischenrufe | Seite 22 |
Theaterkombinat 1948 – 1989 | |
Der Brief – Comicvon Hannes Hirche | Seite 35 |
Das Theaterkombinat Karl Kayservon Thomas Irmer | Seite 40 |
Ein flinker Bär von Rolf Hoppe, aufgezeichnetvon Thomas Irmer | Seite 40 |
Sechse kommen durch die Weltvon Max Huwyler | Seite 41 |
Ein gesellschaftskritisches Märchen: »König Jörg«von Thomas Irmer | Seite 43 |
Fünftes Rad im Theaterkombinat, aufgezeichnetvon Thomas Irmer | Seite 44 |
Theaterpädagogik gestern, aufgezeichnetvon Thomas Irmer | Seite 45 |
Im Ausland unterwegsvon Gustav-A. Steinert | Seite 46 |
Der Bus stand direkt vor Türvon Hanns Gallert | Seite 47 |
Ein neuer Knigge fürs Theater. Schülerbriefe von 1981 | Seite 48 |
Publikumserinnerung: Wie alles anfing …von Beate Döring | Seite 49 |
Der Brand, aufgezeichnetvon Thomas Irmer | Seite 50 |
Zwischenrufe | Seite 52 |
Theater ohne festen Ort 1989 – 2002 | |
Feuer – Comicvon Markus Färber | Seite 67 |
Interimsspielstätten in Leipzigvon Cora Steinbock | Seite 72 |
Publikumserinnerung: … und wie es weitergingvon Ricarda Döring | Seite 73 |
Die Suche nach einem neuen Haus, aufgezeichnetvon Thomas Irmer | Seite 74 |
Nomadendasein von Georg Girardet, aufgezeichnetvon Thomas Irmer | Seite 75 |
Komplett verrückt von Wilfried Reach, aufgezeichnetvon Thomas Irmer | Seite 76 |
Feuchte Augenvon Paul Kuhn | Seite 77 |
Stillstand, Aufbruch, Abbruch. Tilo Esche im Gespräch mit Jürgen Zielinskivon Jürgen Zielinski und Tilo Esche | Seite 78 |
Spielorte in Leipzigvon Cora Steinbock | Seite 81 |
Zwischenrufe | Seite 82 |
In der Welt ankommen 2002 – 2016 | |
Publikumserinnerung: Das schafft kein Filmvon Sandra Erkenberg | Seite 98 |
Die Theater-WGvon Dirk Förster | Seite 99 |
Ein Neuer, aufgezeichnetvon Thomas Irmer | Seite 100 |
Neue Heimat Lindenauvon Thomas Irmer | Seite 102 |
Heute im Theater der Zukunftvon Ulrike Kolter | Seite 103 |
Das bessere Volkstheater. Skadi Jennicke und Jürgen Zielinski im Gespräch mit Maren Jützvon Jürgen Zielinski, Skadi Jennicke und Maren Jütz | Seite 105 |
Boxenstopp Leipzig – Ein Modell der Autorenförderungvon Henning Fangauf | Seite 110 |
Theaterpädagogik heute – eine Bestandsaufnahmevon Dimo Rieß | Seite 112 |
Umkehrung der Inklusionvon Torben Ibs | Seite 114 |
Unterwegs in der Welt: Die Marmolada-Installationvon Jürgen Zielinski | Seite 116 |
Gastspiele – Eine Auswahlvon Cora Steinbock | Seite 118 |
Ein Theater für alle. Elisabeth Kohlhaas im Gespräch mit Maren Jützvon Elisabeth Kohlhaas und Maren Jütz | Seite 119 |
Krückevon Elisabeth Fues | Seite 120 |
Zehn besondere Inszenierungen | Seite 121 |
Zwischenrufe | Seite 142 |
Chronik | |
Direktoren und Intendanten des Theaters der Jungen Welt | Seite 158 |
Premieren | Seite 159 |
Das Letzte – erhellende Aussagen zum Kinder- und Jugendtheatervon Christoph Macha, Günther Staniewski, Kurt Pothen und Janina Wolf | Seite 178 |
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