Recherchen 50
Option Tanz
Performance und die Politik der Bewegung
von André Lepecki
Paperback mit 200 Seiten, Format: 140 x 240 mm
ISBN 978-3-940737-03-8
Dieses Buch ist leider vergriffen
André Lepecki entwickelt ein neues Verhältnis zwischen Tanzwissenschaft, experimenteller Kunst und philosophischer Praxis. Dazu analysiert er die Arbeiten von Choreographen wie Jérôme Bel, Juan Dominguez, Trisha Brown, La Ribot, Xavier Le Roy und Vera Mantero, aber auch bildender Künstler wie Bruce Nauman und William Pope.L. Losgelöst von ästhetischen Fragen unternimmt er eine Ontologie der Bewegung, eine Untersuchung der Bedingungen, unter denen Bewegung als Grundlage von Tanz, Erkenntnis, Wahrnehmung und Subjektkonstitution verstanden werden kann. Sein Nachdenken über Tanz und choreographische Gestaltung ist dabei immer mit der Perspektive des Politischen verbunden.
Vorwort
zur deutschen Ausgabe
Das Denken von André Lepecki ist zu einem zentralen Bezugspunkt zeitgenössischer Theorie von Tanz, Performance und darstellender Kultur geworden. Seit den Anfängen seiner anthropologischen, dramaturgischen und performancetheoretischen Studien in den frühen 1990er Jahren hat André Lepecki immer wieder Impulse gegeben, wie die Komplexität darstellerischer und bewegungsbasierter Phänomene im kulturellen Gesamtzusammenhang gesehen, wie sie adäquat betrachtet, verstanden, interpretiert und weiterentwickelt werden können.
Zugleich hatte sich Lepeckis »choreographisches Denken« auf einem unübersichtlichen Terrain bewegt: Vorträge, Lecture-Demonstrations, dramaturgische Notizen, Rezensionen und journalistische Essays, später dann auch kuratorische Setzungen, Sammelbände und performative Arbeiten schöpften stets aus der Fülle aktueller Tendenzen und Praxisformen, schienen sich aber nur beiläufig und gleichsam am Rande zu einer »Theorie« zu fügen. Lepecki kultivierte eine Form des signifikant Fragmentarischen, des Unsteten und Nomadischen. Zwischen New York City, der portugiesischen Tanzszene, seinem Geburtsland Brasilien und den europäischen Zentren der Tanzkultur war sein intellektueller Input gleichsam Inbegriff jener »allgemeinen Mobilmachung«, wie sie das Milieu der zeitgenössischen (Performance-)Kunst auszeichnet.
Im Rahmen eines Seminars, das er 2003 während des Festivals Tanz im August in Berlin abgehalten hat, sah ich ihn das erste Mal live;
bis dahin hatte ich seine Essays übersetzt, seine dramaturgischen Arbeiten gesehen, seine Publikationen studiert. Diese direkte Begegnung
mit Lepeckis Denken und den darin aufgehobenen Bewegungen war aufschlussreich; und zwar nicht nur wegen der unaufgeregten Klarheit seiner Sprache, der Breite seiner philosophischen Referenzen und der Aktualität der choreographischen Beispiele. Sondern diese Begegnung war aufschlussreich, weil die diskursive Natur und Substanz seiner Ausführungen stets über das bloß körperliche Konzept von Bewegung hinausging. Literaturtheorie, Postkolonialismus, Dekonstruktion und Metaphysik verschmolzen zu einer eigenen analytischen Form, die gleichzeitig sich dem Gegenstand anschmiegt und intellektuell innovativ bleibt.
Indem Lepecki die sozialen, diskursiven, anthropologischen und akademischen Komplementärphänomene von Bewegung aufspürt und zum Verständnis des dargebotenen Einzelphänomens heranzieht, entwirft er eine Art politischer Hermeneutik von Bewegung. Es ist eine Hermeneutik, die die zirkulären Prozesse des Verstehens aus dem ästhetischen Bereich hinausholt und die ganze Breite ontologischer, kolonialistischer, transzendentaler und metaphysischer Inhalte freilegt, welche mit dem Problemfeld Tanz/Performance/Bewegung zusammenhängen. Aber sie lassen sich eben nicht auf »die Kunst« beschränken.
Aus diesem Grunde ist gerade eine von Tanz und Performance ausgehende Theoriebildung zentral zum Verständnis zeitgenössischer Kultur. In Exhausting Dance. Performance and the politics of movement fasst André Lepecki seine theoretische Arbeit zusammen und bündelt sie zu einer akademisch gebotenen Abhandlung samt zeitgenössischer Quellenkunde. Die entscheidenden Ansätze mögen vielen Kennern der Materie aus Lepeckis bisherigem Wirken vertraut sein.
Die genaue Herleitung, Ausarbeitung und Fundierung nach den Regeln der Schriftkultur macht den Rang vorliegender Publikation aus. Mit Option Tanz. Performance und die Politik der Bewegung sind André Lepeckis Denkstrategien nun endlich auch in deutscher Sprache nachhaltig zugänglich.
Franz Anton Cramer
Berlin, im Frühjahr 2008
Kapitel | Seite |
---|---|
Kapitel | Seite |
EinführungDie politische Ontologie der Bewegungvon André Lepecki | Seite 8 |
Maskulinität, Solipsismus, ChoreographieBruce Nauman, Juan Dominguez, Xavier Le Royvon André Lepecki | Seite 36 |
Die »langsamere Ontologie« der ChoreographieJérôme Bels Kritik der Darstellungvon André Lepecki | Seite 70 |
Der Sturz des TanzesDie Schaffung des Raumes bei Trisha Brown und La Ribotvon André Lepecki | Seite 98 |
Der strauchelnde TanzWilliam Pope.Ls crawlsvon André Lepecki | Seite 130 |
Melancholischer Tanz der postkolonialen GeisterVera Mantero beschwört Josephine Bakervon André Lepecki | Seite 156 |
SchlussOptionen des Tanzes – das Ende des Fluchtpunktsvon André Lepecki | Seite 180 |
Der Autor | Seite 195 |
Abbildungsnachweis | Seite 196 |
Zum Autor
André Lepecki
Weitere Beiträge von André Lepecki
Melancholischer Tanz der postkolonialen Geister
Vera Mantero beschwört Josephine Baker
Given premise: "The future will be confusing. Predicting Dance/Performance"
Work-through, in four Steps
Der strauchelnde Tanz
William Pope.Ls crawls
Die »langsamere Ontologie« der Choreographie
Jérôme Bels Kritik der Darstellung
Einführung
Die politische Ontologie der Bewegung
Bibliographie
Beiträge von André Lepecki finden Sie in folgenden Publikationen:
Recherchen 68
Ungerufen
Tanz und Performance der Zukunft
Recherchen 50
André Lepecki
Option Tanz
Performance und die Politik der Bewegung
Jeden Monat die wichtigsten Themen bei Theater der Zeit
Newsletter abonnieren