Heft 02/2006
Ausbildung Tanz
Ist Kunst lehrbar? Essays, Gespräche, Statements
Broschur mit 80 Seiten, Format: 215 x 285 mm
ISSN 0040-5418
Dieses Heft ist leider vergriffen und nur noch als PDF erhältlich.
Noch einmal: Kunst und Politik „Ein Buch muß die Axt sein für das gefrorene Meer in uns." Das hat Franz Kafka im Winter 1904 an seinen Freund Oskar Pollak geschrieben. Und mehr noch: „Ich glaube, man sollte überhaupt nur solche Bücher lesen, die einen beißen und stechen." Das weiß heute jeder ordentliche Kunstverwalter zu vertreten, sei es auf Seiten der Macher oder auf Seiten der Kritik. Bücher, Theater, Kunst überhaupt: Sie soll, darf und muss ein bisschen mehr sein als Artikulation von Einverständnis. Aber soll sie wirklich das gefrorene Meer in uns, will sagen: die herzallerliebsten Überzeugungen, mit kräftigem Axtschlag aufbrechen? Das eher nicht.
Gern lässt sich der Kunstgenießer ein wenig kitzeln; aber beißen und stechen? Gott bewahre! Wo kämen wir da hin? Womöglich zu einem Erfahren und Denken, das sich plötzlich im Ursatz des Allzuverständlichen einnistet. Denn wehe, es nimmt jemand die Kafka-Sätze beim Wort. Wehe, es holt jemand tatsächlich die Axt, um auf unsere Geistesgemütlichkeit loszugehen. Dann sieht man allenthalben: Abwehrreflexe, mit Vorliebe solche, die den Axtschwinger der Naivität zollen.
So geschehen, als Harold Pinter seine erwartbar-unerwartet harsche Rede zur Verleihung des Literaturnobelpreises hielt. Die Standardreaktion hieß und heißt: Das weiß man alles, das braucht man nicht noch einmal zu wissen. Weiß man es? Und was weiß man damit? TdZ druckt in dieser Ausgabe die vollständige Rede von Harold Pinter ab. Und Josef Bierbichler hat die Rede samt den feuilletonüblichen Reflexen diskutiert. „Da man alles irgendwie schon weiß", behauptet er, „wird es durch Pinters Leichenzählerei und sein Insistieren darauf unbequem, wenn nicht unerträglich. Das aber ist die Wirkung, die Schreiben braucht, wenn es nicht erbaulich sein will." Nicht erbaulich ist diese Wirkung, weil sie zum schonungslosen Blick zwingt. Zum Beispiel auf die soziale und politische Lage der Nation. Nicht erbaulich ist sie, weil hier ein Schriftsteller den Spiegel zerschlagen hat, in den er selbst blickt, „weil uns dann von der anderen Seite die Wirklichkeit anblickt." Wir sind noch lange nicht fertig mit dem Politischen der Kunst und dem Theater als politischer Institution.
Mit dem Nachdenken über das, was Theaterkunst kann und will, auch nicht. In diesem Heft diskutieren Constanze Klementz und Franz Anton Cramer, wie und ob eine künstlerische Tanzausbildung Kunst ausbildet. Es geht dabei in einem Essay, in Gesprächen mit Livia Patrizi und Stefan Hilterhaus, einem weiteren mit dem Berliner Berlinballett-Intendanten Vladimir Malakhov und einem Auszug aus der Programmatik zur Lehre der legendären holländischen Schule SNDO um eine kritische Reflexion der deutschen Gesamtbemühung um die Vermittlung von Tanz in den neu entstehenden Ausbildungsstätten. Eine Standortbestimmung. Und eine Bestandsaufnahme. Daneben haben wir, natürlich, die Schauspieltheater der Republik besucht. Wir berichten, zum Beispiel, von zwei Inszenierungen der „Heiligen Johanna der Schlachthöfe" in Senftenberg und Chemnitz, von den jüngsten Arbeiten an der Berliner Schaubühne, vom Lofft in Leipzig. Abgedruckt wird in diesem Heft Polle Wilberts Stück „Am Tag der jungen Talente".
Eine anregende Lektüre wünscht
die Redaktion
Artikel | Seite |
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Artikel | Seite |
Editorial | Seite 1 |
Noch einmal: Kunst und Politik | |
Aktuelle Inszenierungen | |
Die Welt ist eiskaltBrechts „Die heilige Johanna der Schlachthöfe“ in Senftenberg und Chemnitzvon Hartmut Krug | Seite 4 |
Vom Anbellen gegen die BürgerlichkeitDie Berliner Schaubühne blickt in die Gesellschaft und stößt auf ihre eigene Hausphilosophievon Dirk Pilz | Seite 7 |
Schwerpunkt Tanzausbildung | |
Tanz-Stunde Null?Deutsche Kulturpolitik entdeckt die Tanzausbildung und bemüht sich um breitenwirksame Vermittlungvon Franz Anton Cramer und Constanze Klementz | Seite 11 |
Der Tanz als Zugang zur WeltStefan Hilterhaus von PACT Zollverein und Livia Patrizi, Initiatorin von „TanzZeit“, im Gesprächvon Franz Anton Cramer und Constanze Klementz | Seite 13 |
Lehre: Freiheit. Leere Freiheit?Die Diskussion um eine zeitgenössische Tanzausbildung wirft Fragen nach der Lehrbarkeit von Kunst aufvon Franz Anton Cramer und Constanze Klementz | Seite 18 |
Die Amsterdamer School for New Dance Development (SNDO)Eine Ausbildungsphilosophie | Seite 22 |
Tanz um BolognaBachelor- und Masterstudiengänge in der Tanzausbildungvon Roman Arndt | Seite 23 |
Arbeit bis zur PerfektionDer Tänzer und Choreograf Vladimir Malakhov im Gesprächvon Constanze Klementz | Seite 25 |
Pinters Nobelpreisrede | |
Wider den Ab-FlussEine unzeitgemäße Betrachtung anlässlich der Nobelpreisrede Harold Pintersvon Josef Bierbichler | Seite 26 |
Kunst, Wahrheit & PolitikRede zur Verleihung des Literaturnobelpreises an den britischen Dramatikervon Harold Pinter | Seite 28 |
Hausporträt | Seite 34 |
Vermessung der TheaterweltDas Leipziger LOFFT fördert ein breites Spektrum freier Theaterproduktionen und erforscht in dieser Spielzeit den Zusammenhang von Volk und Herrschaftvon Christian Horn | |
Gespräch | Seite 37 |
Für eine produktive VerunsicherungDer Filmregisseur Michael Haneke im Gespräch – von Barbara Teichelmann und Willibald Spatz | |
Dramatiker wiedergelesen | Seite 40 |
Weltmordleid. Dem Dramatiker Fritz von Unruhvon Oliver Schmaering | |
Auftritt | |
Matthias Fontheims letzte Saison am Schauspielhaus GrazGrazvon Hermann Götz | Seite 42 |
Realität satt mit Hilary Fannins „Treibgut“ und Stella Feehilys „Abflug"Schwerinvon Nina Peters | Seite 43 |
„Ajax“ in der Regie von Armin Petras und Dea Lohers „Blaubart“ am schauspielfrankfurtFrankfurt/Mainvon Shirin Sojitrawalla | Seite 44 |
Andrea Moses inszeniert „Maria Stuart" als sehr zeitgenössische historische ParabelAltenburg-Geravon Jürgen Otten | Seite 45 |
Ulrike Syhas theaterreflexive Komödie „Gewerbe" am Theater Heidelberg uraufgeführtHeidelbergvon Ralf-Carl Langhals | Seite 46 |
Das Schlosstheater Moers nähert sich dem Thema Demenz mit künstlerischen MittelnMoersvon Morten Kansteiner | Seite 47 |
Philipp Tiedemann findet am Berliner Ensemble keine Antworten auf „100 Fragen an Heiner Müller"Berlinvon Wolfgang Behrens | Seite 48 |
Kolumne | Seite 52 |
Fragen und Antwortenvon Frank-M. Raddatz | |
Stück | |
In den Klauen der GeschichteDer Dramatiker Polle Wilbert im Gesprächvon Nina Peters | Seite 53 |
„Am Tag der jungen Talente“von Polle Wilbert | Seite 54 |
Magazin | |
Jugendbewegt - Impulse-Festival in Bochum, Mülheim, Düsseldorf und Kölnvon Hans-Christoph Zimmermann | Seite 70 |
Testballon der Schauspielschulen - 1. Zentrales NRW-Vorsprechenvon Hans-Christoph Zimmermann | Seite 71 |
Müller, der Leser - Symposium "Heiner Müller..."von Stefan Mahlke | Seite 72 |
Kein Kind ohne Geschichten - Frankfurter Autorenforumvon Birgit Lengers | Seite 72 |
Erfolg unkalkulierbar - Die Filmdokumentation...von Alexander Schnackenburg | Seite 73 |
BücherAndreas Kotte: Theaterwissenschaftvon Joachim Fiebach | Seite 73 |
BücherMatthias Heilmann: Leopold Jessner - Intendant der Republik. Der Weg eines deutsch-jüdischen Regisseurs aus Ostpreußenvon Lutz Stirl | Seite 74 |
BücherUta Schorlemmer: Tadeusz Kantor | Seite 75 |
BücherUlrike Haß: Das Drama des Sehensvon Dirk Pilz | Seite 75 |
Meldungen | Seite 76 |
Premierenkalender | Seite 77 |
Februar 2006 | |
Impressum | Seite 79 |
Kommentar | Seite 80 |
Der Kommunismus der Elitevon Kerstin Decker | |
Vorschau | Seite 80 |
März 2006 |
Roman Arndt
Wolfgang Behrens
Josef Bierbichler
Franz Anton Cramer
Joachim Fiebach
Hermann Götz
Christian Horn
Morten Kansteiner
Constanze Klementz
Hartmut Krug
Ralf-Carl Langhals
Birgit Lengers
Stefan Mahlke
Jürgen Otten
Nina Peters
Dirk Pilz
Harold Pinter
Oliver Schmaering
Alexander Schnackenburg
Shirin Sojitrawalla
Lutz Stirl
Polle Wilbert
Hans-Christoph Zimmermann
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