The Third Body
Das Haus der Kulturen der Welt und die Performing Arts
Herausgegeben von Hans-Georg Knopp
Broschur mit 192 Seiten, Format: 230 x 270 mm
ISBN 978-3-934344-37-2
Dieses Buch ist leider vergriffen
Die Tanz- und Theaterszenen in Afrika, Asien und Lateinamerika haben sich in den letzten 20 Jahren explosionsartig entwickelt. Die Gegenüberstellung von westlicher Moderne oder zeitgenössischer Kunst einerseits und den Theaterszenen der "Dritten Welt" andererseits ist obsolet geworden. Die Definitionen von Theater und Performance haben sich damit nachhaltig gewandelt. Migration, Globalisierung und Postkolonialismus sind neue Wirklichkeiten und Modelle, diesen Wandel zu beschreiben. Dabei werden die Bühnen selbst zu zentralen Plattformen gesellschaftlicher, politischer und künstlerischer Transformationsprozesse. Das Haus der Kulturen der Welt in Berlin hat in den letzten 15 Jahren diese Prozesse maßgeblich in Deutschland vorgestellt.
Das Haus der Kulturen der Welt hat in den 15 Jahren seines Bestehens mehr als 200 Tanz- und Theateraufführungen gezeigt, 30 Auftragswerke produziert oder koproduziert und schließlich ein neues Festival für die internationalen Tendenzen von Performance, Tanz und Theater, das Festival IN TRANSIT, etabliert, das sich speziell den aktuellen Entwicklungen in Afrika, Asien und Lateinamerika widmet.
Dabei hat das Haus der Kulturen der Welt in seiner Programmlinie versucht, den starren Konzepten nationaler, ethnischer oder religiöser Identität zu begegnen durch die Konzentration auf die individuelle künstlerische Position und die Betonung des Prozesshaften. Es sind die Debatten um Kunst und Kultur in Zeiten von Postkolonialismus und Globalisierung sowie die radikalen Veränderungen kultureller Identitäten als Folge von Migration und Neuen Medien, die zu einem neuen Verständnis von Interkulturalität und Dialog geführt haben. Die Herausforderung der beständigen Neudefinition haben wir mit zukunftsorientierten, exemplarischen Großprojekten, so zu Mexiko, dem Nahen Osten oder Iran, angenommen und mit den künstlerischen Positionen in einen öffentlichen und zugleich kulturkritischen Diskurs geführt. Die Darstellenden Künste haben hier immer einen entscheidenden Beitrag geleistet, weil sie die großen klassischen oder modernen Traditionen auf der Bühne aktualisiert haben, weil die soziale und individuelle gegenwärtige Position der Künstler die andere Kultur transformiert, historisch und zwischen den Kulturen.
Das Haus der Kulturen der Welt muss, wenn es denn Teil eines Kulturdialogs sein will, von der lebendigen Kultur ausgehen, von dem Tanz und dem Theater, das heute gültig ist und die Menschen heute angeht und interessiert. Gerade Traditionen, wenn sie einbezogen werden in eine solche zeitgenössische Sprache, können dabei eine große Wirkung haben, wie wir das gerade aus dem asiatischen oder auch dem afrikanischen Tanz und Theater wissen.
Es gibt eine Vorstellung von Kultur, die die Akteure, also die Handelnden nicht einbezieht und deshalb eher statisch ist. Kultur aber ist heute mehr denn je fluid, sie entzieht sich deshalb fixierten Räumen, weil die Akteure Menschen sind, die an der Globalisierung selbst teilhaben und selbst auch die Bedingungen dafür schaffen: Künstler und Publikum zugleich. Sie sind diejenigen, ohne die es das, was wir Kultur nennen, nicht geben würde, im eigentlichen Sinne sind sie die Kulturschaffenden, sie sind die eigentlichen Repräsentanten einer lebendigen Kultur. Und sie sind in ihrem täglichen Leben Einflüssen unterworfen, Bildern ausgesetzt, mit Lebens- und Arbeitssituationen konfrontiert, die ein unglaubliches Maß an Veränderungsfähigkeit verlangen. Alte Formen müssen neu interpretiert werden, es
gilt für jeden, sich neue und bisher unbekannte Lebensformen anzueignen.
Gerade weil wir in einer solchen fluiden Situation leben, können wir nicht mehr nur auf das Heimische vertrauen, sondern beziehen andere Stimmen mit ein und so werden Begegnungen zwischen Künstlern und Publikum aus ganz verschiedenen kulturellen Kontexten ermöglicht.
Mit dem Themenband The Third Body stellen wir nicht
nur die Produktionen der letzten Jahre zusammen, sondern machen auch den Versuch, die ausgewählten Werke in einen theoretischen und praktischen Kontext zu stellen. Mit unseren Künstler-Partnern wie Ong Keng Sen, Koffi Kôkô, Ismael Ivo, Jean-Paul Bourelly, Liu Sola oder Tian Mansha hat das Haus der Kulturen der Welt eine eigene innovative und internationale Theatersprache in Berlin und Deutschland kontinuierlich präsent gemacht. Wir sind der Überzeugung, dass nur in der beständigen Öffnung und im intensiven Dialog der eigene Standort reflektiert und entwickelt werden kann. Das Haus der Kulturen der Welt und die Performing Arts sind hier ein Standbein für Kunst und Kultur in Deutschland.
Hans-Georg Knopp
Foreword
In the 15 years of its existence, the House of World Cultures has presented more than 200 dance and theater performances, produced or co-produced 30 commissioned works, and established a new festival for international tendencies in performance, dance and theater: IN TRANSIT, devoted specifically to current developments in Africa, Asia and Latin America.
In developing its program, the House of World Cultures has always attempted to confront rigid concepts of national, ethnic or religious identity by concentrating on individual artistic positions and emphasizing the importance of process. Debates about art and culture in the age of post-colonialism and globalization, along with radical changes in cultural identities resulting from migration and the New Media, have led to a new understanding of interculturalism and dialogue. We have taken up the challenge of constant redefinition with exemplary, forward-looking large-scale projects, for example on Mexico, the Near East and Iran, using artistic positions to introduce the issue into a public discourse that sheds a critical light on culture. The performing arts have always made a crucial contribution due to the fact that they have updated the great classical and modern traditions on the stage, because the artists' current social and individual positions transform the other culture, both historically and interculturally. If the House of World Cultures is to join in a cultural dialogue, it must take as its starting point living culture: dance and theater that is valid today, relevant and interesting to contemporary viewers. When integrated into a contemporary language of this kind, traditions can have an especially strong effect, as we have seen in Asian and African dance and theater.
There exists a conception of culture which does not include the actors, i.e. those who play an active role, and thus tends toward the static. However, culture today is more fluid than ever before, transcending fixed spaces, for the actors are people who themselves participate in globalization and themselves create its preconditions: artists and audience at the same time. Without them, that which we call culture would not exist; in the true sense of the word, they are the creators of culture, the true representatives of a living culture. And in their daily life they are subjected to influences, exposed to images, confronted with living and working situations that demand an incredible degree of mutability. Old forms must be reinterpreted, all must adapt to new and previously unknown modes of existence.
Precisely because we live in such a fluid situation, we can no longer trust in familiarity alone; we must involve other voices as well, enabling encounters between artists and audiences from very different cultural contexts.
In the thematic collection The Third Body, not only do we provide an overview of the productions of recent years, we also make the attempt to locate the selected works in a theoretical and practical context. With our artistic partners such as Ong Keng Sen, Koffi Kôkô, Ismael Ivo, Jean-Paul Bourelly, Liu Sola and Tian Mansha, the House of World Cultures has made its own innovative, international theater language into an ongoing presence in Berlin and Germany. We are firmly convinced that only constant openness and intensive dialogue can enable us to explore and develop our own standpoint and surroundings. In this respect, the House of World Cultures and the performing arts are a pillar of art and culture in Germany.
Translated from the German by Isabel Cole
Zum Herausgeber
Hans-Georg Knopp
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Neue Theaterstücke aus China
Zum Geleit
Bibliographie
Beiträge von Hans-Georg Knopp finden Sie in folgenden Publikationen:
Dialog 21
Mittendrin
Neue Theaterstücke aus China
Heft 11/2007
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Jeden Monat die wichtigsten Themen bei Theater der Zeit
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