Heft 12/1950
Gegenwart und Zukunft der Oper
Broschur mit 32 Seiten, Format: 210 x 290 mm
ISSN 0040-5418
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In dem Bewußtsein, daß wir auf der Schwelle zu einer neuen Zeit stehen und uns in einer zertrümmerten Welt um neue Lebensinhalte und neue Lebensformen bemühen müssen, fällt auch gerade dem Kulturschaffenden als dem großen Mittler zwischen der Welt der Vergänglichkeit und der eines höheren Bewußtseins die Aufgabe zu, gründlich Umschau zu halten, wie es um seine Dinge bestellt ist. Jedes Tun, jedes Unterfaen ist heute von erhöhter Bedeutung, weil es (scheint es auch noch so gering und nebensächlich) einen Teil der Plattform mitbilden hilft, auf der der neue Mensch mit einem Ruckblick auf die Katastrophen der letzten vier Jahrzehnte sein neues leben gründen will und muß. Wenn nun infolgedessen jeder einzelne schweren Herzens auf ihm liebgewordene Dinge verzichten muß, ja, wenn er zu der Erkenntnis genötigt wird, daß ehemalige Werte und ehemals ausschlaggebende innere oder äußere Besitztümer bedeutungs- und wesenlos geworden sind, so wäre es grundfalsch, sich bei der Verdrängung solcher Einsichten aufzuhalten. Dadurch würden wir nur den Zustand verlängern, den wir heute beseitigt zu sehen wünschen und der uns daran hindert, frohgemut in eine neue Zukunft einzutreten.
Der Künstler, der seinen Auftrag richtig erkennt, wird und muß immer einer der ersten sein, die durch die von der Historie seiner Zeit aufgerissenen Tore schreiten. Da er sich nur als Glied einer unendlichen Kette betrachten kann, so sollte gerade er befähigt sein, in seiner Gegenwart das Gewesene mit dem Zukünftigen zu verbinden, in dem Gewesenen das Verwesende von dem unsterblich gebliebenen Teil zu trennen, in dem ihm unbekannt Entgegenkommenden das Altverwandte zu erkennen und das notwendig Neue intuitiv und schöpferisch zu erfassen.
So sollte es sein.
Aber wie steht es damit heute in Wirklichkeit? Man könnte darauf sehr prägnant und eindringlich sagen: schlecht, wenn die Vielfalt der sich täglich überstürzenden Lebensbedürfnisse, die Sorge um das Alltagsdasein und um seine Sicherstellung alle tätigen Kräfte nicht so unablässig in Anspruch nehmen würde, daß ihre Besinnungspausen nur allzu selten sind, und wenn nicht die von Natur aus ängstlichen Gemüter in ihrem Drang nach Stützung, Trost und Bereicherung wahllos und begierig nach allem greifen würden, was ihrem dumpfen Bedürfnis nach Entspannung und Zerstreuung zu entsprechen scheint. Daher ist es um so notwendiger, für Beruhigung und Klärung der Begriffe zu sorgen, soweit es jedem in seinem Bereiche möglich ist, und dabei auch nicht die kleinste Erscheinung des lebens gering zu achten. [...].
Aus Ernst Legal: Gegenwart und Zukunft der Oper, S. 1
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