Dem Weltenbruch von 1989 ist nach fünf Jahren ein Weltereignis gefolgt, das für das dritte nachchristliche Jahrtausend eine Dimension eröffnet, eine Qualität, dessen Umschlagen in Quantität wir an diesem für Deutschland wenig berühmten Tag gern einen Boden bereiten würden in Deutschland - 50 Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkriegs.
Ein Weltereignis ist es, weil die fast dreitausendjährige Geschichtsschreibung, so weit wir wissen, an keiner Stelle uns einen Bericht hinterlassen hat, auf keinem Pergament, in keinem ausgegrabenen Stein darüber ein Satz gefunden wurde, auch nirgends ein Hinweis auf einem Papyros uns zu entziffern die Geschichte überließ, daß Frauen, Mütter, dem Krieg hinterherfuhren, 1.500 Kilometer hinterherfuhren und ihre Jungen bei den Armen packten und dem Getötetwerden mit ihren Händen entrissen, einfach entrissen.
Dieses Unerhörte, das da wie nach einem Anfang der Menschheit aussieht, ihrem ersten aufrechten Gang, steht plötzlich vor uns, tritt plötzlich aus einem Gebeugtsein als Demokratiebewegung von unten aus seinen Häusern an den verschiedensten Orten Rußlands und sieht uns an - sieht auch die alten Demokratien mit Fragen an. Als wir zum ersten Mal davon hörten, lasen, die Bilder sahen, wie sie sich als einzelne schnell aneinanderhielten, in Gruppen zusammenschlossen zur "wahnsinnigen Tat", mit von den Nachbarn geborgtem, erbetteltem Geld für die Autobusse, wie sie dem Krieg hinterherfuhren, 1.500 Kilometer hinterherfuhren, sich verfuhren, wieder zurück, weitersuchten, bis Eine ein großes Kindergesicht plötzlich aufeiner Landstraße im Arm hielt, weinend, lachend, - wir hielten sie mit im Arm, als wir es sahen. Und sahen, sie machten wahr, was der Dichter ihnen nach einem 8. Mai vor 50 Jahren gesagt hatte, was ohne Hoffnung jetzt wieder auf sie gefallen war nach diesen 50 Jahren; jetzt so tief auf sie fiel, daß sie es nicht mehr schafften allein, ihr eigenes Herz zu tragen, wenn es zum dritten Mal wie ein Stein schlug in diesem Jahrhundert. In diesem Schlag hörten sie, was sie nicht mehr gehört hatten, lasen, was sie nicht gelesen, beugten sich tief zur Stimme des Dichters auf den Grund ihrer Seele und hörten dort unten was sie immer gewußt, was in ihren Herzkammern verschlossen gehalten wurde durch die Jahrhunderte verschlossen, mit dem Schlüssel der Angst einjagenden Macht. Hörten sich selbst zueinander sagen:
Ihr Mütter, da es euch anheimgegeben,
Den Krieg zu dulden oder nicht zu dulden,
Ich bitt euch, lasset eure Kinder leben!
Daß sie euch die Geburt und nicht den Tod dann schulden:
Ihr Mütter, lasset eure Kinder leben!
[...].
Aus Käthe Reichel: Mütter, versteckt Eure Söhne! Gründe für einen Friedensnobelpreis an das "Komitee der Mütter in Rußland", S. 4
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Aufruf | Seite 4 |
Mütter, versteckt Eure Söhne!Gründe für einen Friedensnobelpreis an das "Komitee der Mütter in Rußland"von Käthe Reichel | |
Gespräch | Seite 6 |
"Das Kinoauto kommt"Einar Schleef erinnert sich im Gespräch mit Frank M. Raddatzvon Frank M. Raddatz und Einar Schleef | |
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Ich kann nicht aus meiner Biografie herausMit Fritz Marquardt, Regisseur am Berliner Ensemble, sprach Martin Linzervon Martin Linzer und Fritz Marquardt | |
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Jenseits des traditionellen Rampensingens1. Festival des zeitgenössischen Musiktheaters in Leipzigvon Harald Asel | |
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Gegen den schönen ScheinBermerkungen über den Opernregisseur Adolf Dresen, der am 31. März seinen sechzigsten Geburtstag feiertevon Nora Eckert | |
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Pistenschreck und Rampensau......im Streit um das Landestheater Innsbruckvon Jörg Mihan | |
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Nackedei und PustebackeEduard-von-Winterstein-Theater Annaberg: "Sancta Susanna" von Paul Hindemith; "Susannas Geheimnis" von Ermanno wolf-Ferrarivon Ronald Richter | Seite 78 |
Der zweimal gekreuzigte ChristusDeutsch-Sorbisches Volkstheater Bautzen: "Griechische Passion" von Bohuslav Martiùvon Susanne Hose | Seite 79 |
Wassertreten gegen den IrrsinnStralsund: "Jakob Lenz" von Wolfgang Rihmvon Nora Eckert | Seite 80 |
Mit hymnischem Schritt in eine andere WeltStaatsoper Dresden: "Friedenstag" von Richard Straussvon Frank Kämpfer | Seite 81 |
ErnstgenommenOpernhaus Erfurt: "Der Wildschütz" von Albert Lortzingvon Heinz Schirmag | Seite 81 |
Premierenkalender | Seite 83 |
Mai / Juni 1995 | |
Stück | Seite 86 |
Lisa Wilczok im Gespräch mit Erinnya Wolfvon Erynnia Wolf und Lisa Wilczok | |
DAS WETTRENNENvon Lisa Wilczok | |
Bücher | |
Hermann Kappelhoff: Der möblierte Mensch. G.W. Pabst und die Utopie der Sachlichkeit. Vorwerk 8, Berlin 1995, 272 S.von Kathrin Tiedemann | Seite 92 |
Annette Storr: Haben Gertrude Steins Stücke etwas mit Theater zu tun? Traversen I, Vorwerk 8, Berlin 1995, 48 S.von Kathrin Tiedemann | Seite 92 |
Hans-Dieter Schütt: Manfred Wekwerth. Frankfurter Oder Editionen, Frankfurt/Oder 1995, 352 S.von Martin Linzer | Seite 92 |
C. Bernd Sucher (Hg.): Theaterlexikon. dtv München 1995, 820 S.von Martin Linzer | Seite 93 |
Jochanan Ch. Trilse-Finkelstein/Klaus Hammer (Hg.): Lexiko Theater International. Henschel Verlag Berlin, 1995, 1024 S.von Martin Linzer | Seite 93 |
Stephan Stompor: Künstler im Exil im Oper, Konzert, Operette, Film u. a. Musik. Peter Lang Europäischer Verlag der Wissenschaften (2 Bde.). Frankfurt/M. 1994, zus. 872 S.von Nora Eckert | Seite 94 |
Claudio Abbado: Das klingende Haus. Arena Verlag, Würzburg 1995, 47 S.von Nora Eckert | Seite 94 |
Anna Amalie Abert: Geschichte der Oper. Bärenreiter, Kassel und J.B. Metzler, Stuttgart/Weimar 1994, 503 S.von Nora Eckert | Seite 95 |
Martin Linzer/Peter Ulrich: REGIE - Heiner Müller. Material. Zentrum für Theaterdokumentation und -information, Berlin 1994von Frank M. Raddatz | Seite 95 |
Magazin | |
Theatersponsoring in Kölnvon Stefan Kuntz | Seite 95 |
Polnisch-deutscher Theaterdialogvon Viola Hasselberg | Seite 98 |
Russisch-deutsche Festwochen / Florierendes privates Spielmodellvon Jörg Mihan | Seite 98 |
STiC-er Kinder- und Jugendtheater / Neues aus dem Pferdestallvon Martin Linzer | Seite 99 |
Fahrtenbuch / Brandenburg-Tour / Theater per Modemvon Arnd Wesemann | Seite 100 |
Meldungen | Seite 101 |
Autoren | Seite 104 |
Impressum | Seite 104 |
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