Maien-Schlägerei - Jedes Jahr im Mai - das ist der Titel eines DDR-Musicals, das für "Sonnenallee 2" noch nicht wiederentdeckt wurde. Sein Gegenstand: die "Friedensfahrt" der Radler, die längst wiederbelebt wurde. Jedes Jahr im Mai - das bedeutet seit zehn Jahren auch für die Theatermenschen im Osten Theatertreffen im vereinigten Berlin, Chancengleichheit nicht inklusive: business as usual. Die Theater kommen und gehen, die Veranstalter und willige Juroren verteidigen heftig die kulturelle Errungenschaft (aus Zeiten des Kalten Krieges), die Kollegen nörgeln - kaum eine Rezension, die nicht mit einem ausgesprochenen oder unausgesprochenen Warum? endete -, aber tatsächlich: "amüsante Überflüssigkeiten" vereint zu einem Panorama, "multifunktional. aber unbrauchbar". Dazu die Preise, die hauptsächlich die Preisträger freuen, der ehrenwerte Stüickemarkt, die verzweifelten Podiumsdiskussionen, wie politisch es denn noch aufunseren Bühnen zugehe, und in der obligaten Nische erfinden die Jünger der Ungewandten Theaterwissenschaft das Fahrrad zum x-ten Male neu, stolpern auf "neuen" Wegen in die immer gleichen Sackgassen. Same procedure as every year.
Etwas immerhin war neu in diesen heißen Maientagen. Es wurde heftig gedenktagelt: Die Hundertjährigen tauchten aus ihren Gräbern auf. wie Zombies bevölkerten sie die Podien. Im alten TdZ kann man es finden: aller fünf)ahre wurde ihrer im Mai-Heft gedacht - Helene Weigel und Karl von Appen (geboren am 12. Mai 1900) und Wolfgang Heinz (18. Mai 1900). Nach der Wende verlor sich der Hang zur rituellen Pflichterfüllung etwas, aber wenn einer 100 wird - das musste schon Brecht vor zwei Jahren republikweit büßen. Allein die frühere DDR-spezifische "Ausgewogenheit" ist dahin. Helene Weigel, die Mutter Courage des Berliner Ensembles, schlug ihre Generationsgenossen in der Presse um Längen - weil sie nicht eindeutig genug auch als "Genossin" identifiziert werden kann? Es gab gleich mehrere Bücherein Band Korrespondenz erschien übrigens bei TdZ - mit den dazugehörenden Präsentationen, Ausstellungen, Plauderstunden, und es waren immer dieselben, die (demonstrativ?) kamen oder fernblieben. Der "Theaterprofessor" Wolfgang Heinz hatte schon das deutlich schwächere Medienecho - wenn auch der ihm gewidmete Plauderabend vergnüglich war, die Anekdoten frisch erzählt, und seine inzwischen ergrauten "Zöglinge" glaubhaft machen konnten, von ihrem Professor beruflich profitiert zu haben. Für den BE-Bühnenbauer von Appen blieb kaum mehr als eine Fußnote, sein beinahe vergessenes Jubiläum wird von der Berliner Akademie der Künste erst nachholend gewürdigt.
Hätte man diese, in der DDR zu Ruhm gekommenen Künstler nicht ehren, sondern einfach vergessen sollen? Gewiß nicht. Nur sollte man, an Klassikerworte erinnernd, sie weniger loben und mehr lesen, das heißt ihr Erbe praktisch erwerben, um es zu besitzen. Also nicht nur die Theater-, sondern die Zuschaukunst entwickeln, wie Weigel (und Brecht). Schauspieler und Ensembles lustvoll durch Arbeit "erziehen", wie Heinz. Jungen Bühnenbildnern Handwerk und Ethos des Berufs beibringen, wie Appen. Unverwechselbare Rollenbilder formen, wie Ekkehard Schall, der Ur-Ui, der Post-Busch-Galilei, der Vorarbeiter des alten BE, der nun auch schon 70 wurde, also auf die 100 zugeht. Und was wird mit Curt Bois' Hundertstem?
Die Redaktion
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Maien-Schlägerei | |
Gespräch | Seite 4 |
"Ich bin ein Verfechter des Wechsels"Frank Baumbauer im Gespräch mit Stefan Grundvon Didier-Georges Gabily und Stefan Grund | |
Essay | Seite 8 |
Heimweh nach dem SchlammVon alten und neuen Griechen im modernen Kriegsfilmvon Durs Grünbein | |
Puppen- und Figurentheater Essay | Seite 14 |
Erkundungen zwischen Körper und MaterialRandbemerkungen zum zeitgenössischen Puppen- und Figurentheatervon Christoph Lepschy | |
Ausbildung | Seite 18 |
Animation fremder KörperAus dem Alltag der Abteilung Puppenspielkunst an der Hochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch"von Silvia Brendenal | |
Porträt | Seite 22 |
Distanz als ChanceGestalt und Gestalten im Puppentheater von Horst-Joachim Loniusvon Caren Fischer | |
Essay | Seite 26 |
Der Phantasie das Zepter!Für ein artistisches Theater oder Die Puppe als ein Modell der Schauspielkunstvon Jarg Pataki und Viola Hasselberg | |
Puppenspiel | Seite 28 |
Magische HalbweltenDas Puppentheater Halle mit zwei neuen Produktionenvon Evelyn Finger | |
Essay | Seite 32 |
ja zum transrapidEin vorläufig letzter Beitrag zur Realismusdebattevon Armin Petras | |
Freies Theater | |
Kulturleichen leben längerDas Zürcher Theaterhaus Gessnerallee feiert sein elfjähriges Jubiläumvon Peter Müller | Seite 34 |
Vom wattierten Trost des ErzählensFulminanter Neustart in der Kaserne Baselvon Alfred Schlienger | Seite 36 |
Italien | Seite 38 |
Ein Theater, das verstehen willLuca Ronconi, Leiter des Piccolo teatro in Mailand, im Gespräch mit Gianni Manzellavon Gianni Manzella und Luca Ronconi | |
Kindertheater | Seite 42 |
Alles aus NichtsDas Theater Triebwerkvon Tristan Berger | |
Auftritt | |
Mayenburgs "Parasiten" von Ostermeier uraufgeführtHamburg | Seite 47 |
Kresnik inszeniert "Aller Seelen" von Werner FritschHamburgvon Stefan Grund | Seite 48 |
Katka Schroth inszeniert Tim StaffelKarlsruhevon Otto Paul Burkhardt | Seite 49 |
Thomas Oberenders "Nachtschwärmer" uraufgeführtBielefeldvon Jörg Buddenberg | Seite 50 |
Marthalers "20th Century Blues"Baselvon Stefan Koslowski | Seite 51 |
Festival "neue szene"Konstanzvon Bodo Blitz | Seite 52 |
AutorenspektakelHannovervon Michael Quasthoff | Seite 54 |
"Franziska Linkerhand" und "Krieg"Dresdenvon Thomas Irmer | Seite 55 |
50 Jahre Rückblick im carrousel-TheaterBerlinvon Frank Dietschreit | Seite 56 |
"The Last Supper" von Harrison Birtwistle uraufgeführtBerlinvon Nora Eckert | Seite 59 |
R. Strauss' "Die Frau ohne Schatten"Wienvon Jens Knorr | Seite 60 |
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Grußformeln und andere Selbstwertschöpfungsversuchevon Petra Kohse | |
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DEUTSCHE SPRACHE SCHWERE SPRACHETotentrompeten 3von Einar Schleef | |
Magazin | Seite 79 |
Hope and Glory 2000 in Zürich | |
Schauspielschulen an der Bayerischen Theaterakademievon Annette Waldow | |
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Tränenreicher Abschiedvon Martin Linzer | Seite 81 |
henschel SCHAUSPIEL wird 10von Martin Linzer | Seite 81 |
Georg Seidel 1945-1990von Jörg Mihan | Seite 81 |
NachrufAntonio Buero Vallejo 1916-2000von Martin Linzer | Seite 82 |
BücherRudolf Münz: Theatralität und Theater, Schwarzkopf Verlag Berlin 1998, 320 S.von Christel Weiler | Seite 83 |
BücherEastern European Theater after the Iron Curtain, ed. by Kalina Stefanova, Harwood Amsterdam 2000, 267 S. mit Abb.von Thomas Irmer | Seite 83 |
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