Heft 09/2000
Polen Spezial
Theater im Nachbarland
Broschur mit 104 Seiten, Format: 215 x 285 mm
ISSN 0040-5418
Ausblicke, Rückblicke, Einblicke: Nun stehen die Theater wieder in den Startlöchern: mit Neu- und Wiederanfangen geht es in die nächste Spielzeit, und nirgends kündigen sie sich heftiger an als in Hamburg. Wir heben den Vorhang schon ein wenig früher, als er offiziell hochgeht, und haben für dieses Heft die beiden neuen Intendanten in der Hansestadt befragt. Über ihre Pläne und Erwartungen, über ihre Theaterbilder und Intendantenrollen und nicht zuletzt über ihre Mitstreiter, mit denen sie heiß um den kühlen Norden buhlen: Der eine setzt auf Mannschaftsgeist, der andere nennt es Ensemblezusammenhalt, und irgendwo dazwischen steht ein stolzer Zwerg namens Kampnagel und sagt sich wohl: jetzt erst recht. - Neue Karten, neues Spiel.
In Nordrhein-Westfalen kündigt sich ebenfalls ein frischer Wind an. Aber auch die schleichenden Veränderungen in der (Kultur-) Politik oder innerhalb der Modelle fusionierter Theater werden wir in Zukunft noch kontinuierlicher und kritischer beobachten. In diesem am dichtesten besiedelten Theaterland spielen unzählige Bühnen und freie Gruppen Rücken an Rücken, deren Arbeiten wir mit einem neuen Korrespondentenbüro aufmerksam verfolgen wollen.
Und in Berlin? Ein Rück- ohne echten Lichtblick. Wer im verregneten Hauptstadtsommer Inventur macht, der wird sich an der vergangenen Berliner Theatersaison nicht erwärmen können. Da strahlt kaum noch etwas von dem nach, was sich Anfang des Jahres mit großem Gedonner angekündigt hatte, und nur Einar Schleef gibt der "deutschen Misere" des "Verratenen Volks" zuletzt noch ein kurzes, aber nachhallendes Intermezzo an einem traurig vor sich hinbröckelnden Ort. Denn Berlin feiert keineswegs nur Richtfeste und muss in Zukunft auf einen großen Theatermimen verzichten, an dessen langsame, Zeit um sich sammelnde "Gangart" Adolf Dresen in seinem Abschiedsbrief erinnert.
Da lohnt die Fernsicht, wenn man sich hoch über den Tellerrand der hiesigen Theaterszene stemmt. Nach den zurückliegenden Exkursionen in die Theaterländer Frankreich (5/98) und Russland (5/99) geben wir auch dieses Jahr Einblicke in das Theater eines nahen, und doch fremden Nachbarn im Osten. Denn seit den gesellschaftspolitischen und kulturellen Neuordnungen und Umstrukturierungen in den letzten zehn Jahren steht das Theater Polens heute vor neuem Aufschwung. Zwar rappelt die polnische Dramatik sich nur zögerlich aufund findet derzeit im internationalen Theater nicht ohne Grund wenig Resonanz. Aber längst schon gehen Regisseure, ob innerhalb staatlicher Theaterstrukturen oder mit einer freien Truppe arbeitend, mit eigenwilligen Ansätzen neue Wege. In unserem Insert beschreiben polnische Kritiker und Autoren aus ihrer Sicht diese Entwicklungen vor dem soziokulturellen Hintergrund des heutigen Polen, setzen sie, in Kenntnis des Geschehens vor Ort, in Beziehung zur Theatertradition eines Grotowski und Kantor, Mrozek oder Witkiewicz, und wissen um ihre Bedeutung im zeitgenössischen polnischen Theater. Jenseits des neu entfachten Interesses am Theater des Ostens, das die internationalen und immer noch reichen Festivals seit Kurzem wieder mit Entdeckerstolz präsentieren, zeichnen diese ausführlichen Recherchen ein vielseitiges Bild der polnischen Bühnen, einer sich gerade formierenden neuen Tanzszene oder des spezifischen Phänomens eines Fernsehtheaters. So könnten diese erste informative Übersicht und das damit geweckte Interesse zu einem neuen Dialog zwischen den beiden Theaternachbarn führen. Dass wir damit keineswegs den "Ausverkauf" von hoffnungsträchtigem und unverbrauchtem Nachwuchs für den internationalen Kunstmarkt ankurbeln wollen, dokumentiert eine Diskussionsrunde, in der wir Kritiker, Regisseure und Festivalmacher aus Ost und West aufihre individuellen Modelle und Möglichkeiten befragt haben, wie sich im "Pendelverkehr" der Theaterbeziehungen ein Ost-West-Austausch für beide Seiten produktiv machen lässt.
Hoch oben im Norden horcht der Schriftsteller Jon Fosse derweil in einen norwegischen Fjord und sich selbst hinein. Seine Musik der stillen Stimme hat die deutschen Theater schon erobert, denn kein ausländischer Autor wird in dieser Spielzeit häufiger auf hiesigen Bühnen zu sehen und hören sein als er. Auch sein hier abgedrucktes Stück "Die Nacht singt ihre Lieder" wird in wenigen Wochen in Zürich erstaufgeführt, wo mit dem Startschuss für Christoph Marthaler noch ein Auftakt ansteht ...
Die Redaktion
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Robin Detje
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Adolf Dresen
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Barbara Engelhardt
Jon Fosse
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Ulrich Khuon
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Jens Knorr
Stefan Koslowski
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Martin Linzer
Jonas Londerseel
Hartmut Mechtel
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