Heft 02/2014
Die Menschenbaustelle
Bühnenexperimente am Bauhaus Dessau
Broschur mit 88 Seiten, Format: 215 x 285 mm
ISSN 0040-5418
Im Januar jährte sich Heiner Müllers Geburtstag zum 85. Mal. Für uns Anlass, über Müller in der Welt zu berichten, über seine Einflüsse, Bedeutung, Rezeption. Unser „Müller global“ beginnt in Lateinamerika mit dem Stückabdruck „Gestern habe ich aufgehört, mich zu töten. Dank dir, Heiner Müller“ des kubanischen Dramatikers Rogelio Orizondo. Harald Müller berichtet von dem Triumph der Gotscheff’schen „Hamletmaschine“ auf Kuba und in Mexiko, der umso bemerkenswerter ist, da die Aufführung, in der Gotscheff eigentlich selbst mitspielt, eine Woche nach dessen Tod den Hauptdarsteller als Videomontage einblendete. Wie sich Heiner Müller in den Diskurs Lateinamerikas verwebt, so geht er auch Beziehungen mit der Geschichte Polens ein. Die polnische Regisseurin Barbara Wysocka berichtet unter dem Titel „Wühlen in Särgen“ über ihre Arbeit mit „Wolokolamsker Chaussee“, „Medeamaterial“ und dem Echoraum Müller bei ihrer Inszenierung von Sophokles’ „Philoktet“. Stephan Suschke komplettiert die Geburtstagstorte mit „Müllers Requiem“, einer Schilderung des erfolgreichen Gastspiels von Brechts „Arturo Ui“, inszeniert von Heiner Müller, in Tel Aviv, und der schönen Conclusio, dass Müller überall dort lebendig ist, wo noch eine Idee von Geschichte vorhanden ist.
Mit dem 1. Januar 2014 ist der von Erben bislang ziemlich restriktiv gehandhabte Urheberrechtsschutz für das Werk Oskar Schlemmers entfallen. Das Bauhaus Dessau nutzt die gewonnene Freiheit und präsentiert mit der Ausstellung „Mensch Raum Maschine“ wichtige Elemente der Bauhausbühne, für die Walter Gropius einst Schlemmer gewinnen konnte. Ute Müller-Tischler erörterte mit dem Kurator Torsten Blume die Bühnenexperimente der Bauhäusler. Experimentell, wenn auch in ganz anderer Hinsicht, ist auch das neu eröffnete Maxim Gorki Theater in Berlin unterwegs. Gunnar Decker tut sich noch etwas schwer mit dem Programm von Shermin Langhoff und Jens Hillje, das auf Übergang und Transformation, Schlüsselbegriffe urbaner Großstadtkultur, setzt. In Gesprächen mit Falk Richter und Nurkan Erpulat über „Freiheitsideologie, die im Kern Konsumideologie“ meint, über „alte und neue Eliten“ und „die Ungewissheit, ob man gerade einen utopischen Raum öffnet oder aber ins Nichts der Illusionen stürzt“, gewinnt das Haus Kontur, auch wenn Gunnar Decker seine Skepsis angesichts einer „Spartenmentalität“ nicht verhehlt, die auf Minderheitenprogramme setzt, wo als Zielgruppen u. a. die „schwul-lesbische Community“ neben den türkischen Migranten der dritten Generation anvisiert werden.
Nach der abhandengekommenen Zukunft befragt Frank Raddatz diesmal Àlex Rigola, den Leiter der Theaterbiennale in Venedig. Der Blick des spanischen Regisseurs ist geprägt von den traumatischen Erfahrungen mit der Eurokrise und der Troika, die dem Wähler und dessen sozialen Ambitionen die Grenzen aufzeigt und, angeführt von Angela Merkel, strikt ein unsoziales und neoliberales Programm durchsetzt. „Die Demokratie hat Krebs“, lautet sein Fazit, das eine Reformulierung des politischen Theaters unter den neuen Bedingungen forciert.
Dass sich die Bedingungen ändern, der intervenierende Wohlfahrtsstaat der Vergangenheit angehört, meinen auch Stefan Rosinski und Sewan Latchinian. Sie begründen damit den Austritt des Volkstheaters Rostock aus dem Deutschen Bühnenverein, dem sie attestieren, die soziale Verantwortung für seine Künstler vor allem als Besitzstandswahrung zu interpretieren, was im konkreten Fall eine Vergütungserhöhung um 8,9 Prozent bedeutet. Anstatt die lange überfällige Strukturreform der deutschen Theater zu verhindern, wäre es an der Zeit, sie endlich als Aufgabe zu begreifen, um die Zukunftsfähigkeit der Theater zu gewährleisten. Ein dringlicher Appell also, dessen Vehemenz wir uns nur anschließen können. //
Die Redaktion
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Künstlerinsert | |
Mensch Raum MaschineBühnenexperimente am Bauhaus | Seite 4 |
Die MenschenbaustelleTorsten Blume, Kurator der Ausstellung „Mensch Raum Maschine“ am Bauhaus Dessau, über die Bühnenexperimente der Bauhäusler im Gespräch mit Ute Müller-Tischlervon Ute Müller-Tischler und Torsten Blume | Seite 8 |
Thema: Müller in der Welt | |
Zerfressene ZeitIn Havanna spürt die „Hamletmaschine“ in der Regie von Dimiter Gotscheff dem Glutkern kubanischer Lebensverhältnisse nach: der Koexistenz von Hoffnung und Verratvon Harald Müller | Seite 12 |
Im Dialog mit einem GespenstWie Heiner Müllers Werk bei dem kubanischen Autor Rogelio Orizondo das Bedürfnis nach einer neuen Theatersprache auslöste. Ein Gesprächvon Mehdi Moradpour und Rogelio Orizondo | Seite 16 |
Wühlen in SärgenHeiner Müllers Texte über das Verstricktsein im Räderwerk der Geschichte sind in Polen so aktuell wie eh und jevon Barbara Wysocka | Seite 18 |
Müllers RequiemBrechts „Arturo Ui“ machte in der Regie von Heiner Müller Weltkarriere – nun erfüllte sich der Wunsch nach einem Gastspiel in Israelvon Stephan Suschke | Seite 21 |
Protagonisten | |
Die Stunde der VielenShermin Langhoff und Jens Hillje erkunden in ihrer ersten Spielzeit am Maxim Gorki Theater Berlin Übergänge – nur woher und wohin?von Gunnar Decker | Seite 24 |
Der Terror logiert im Theatervon Volker Braun | Seite 26 |
Kolumne | Seite 27 |
Split ScreenEngel und Verwirrte in der kroatischen Küstenstadtvon Ralph Hammerthaler | |
Protagonisten | |
Äääh ...Armeschlenkern, Augenrollen, begriffsstutziges Stieren – das Nature Theater of Oklahoma verwandelt Nichtkunst in Kunst, und das virtuosvon Renate Klett | Seite 28 |
Durch die WandIn München sinkt man beim zehnten Spielart-Festival nicht mehr auf die Knie, nur weil mal der Guckkasten aufgehtvon Sabine Leucht | Seite 31 |
SCORES – Insert Tanzquartier Wien | Seite 32 |
Hereinspaziert. Ein Diaessayvon Jack Hauser und Sabina Holzer | |
Verschwende Deine Zeitvon Julian Pörksen | |
Protagonisten | |
Rostocker Signalvon Sewan Latchinian und Stefan Rosinski | Seite 33 |
Das freie StadttheaterWarum die institutionelle Förderung im Gegensatz zur Projektkultur. Eine Antwort auf die von Thomas Oberender in Theater der Zeit 12/2013 gestellte Systemfragevon Josef Mackert und Barbara Mundel | Seite 34 |
Zurück in die Zukunft | Seite 37 |
# 5: Die Demokratie hat KrebsDer spanische Regisseur Àlex Rigola über die Fähigkeit des Theaters, Handlungsmöglichkeiten offenzulegen – um so an der Zukunft zu arbeiten, im Gespräch mit Frank Raddatzvon Alex Rigola | |
Protagonisten | Seite 40 |
Der virtuelle IntendantEine Posse? Ein Trauerspiel? – Am Düsseldorfer Schauspielhaus wartet man auf die neue Leitungvon Martin Krumbholz | |
Look Out | |
Die NachwuchsbesorgerinDie Heidelberger Theatermacherin Beata Anna Schmutz arbeitet mit Jugendlichen ausschließlich postdramatisch – und zeigt genreübergreifend große Kunstvon Ralf-Carl Langhals | Seite 42 |
In KomplizenschaftDie Leipziger Formation Intermedia Orkestra betreibt künstlerische Forschung nicht am, sondern mit dem Publikumvon Carolin Gerlach | Seite 43 |
Auftritt | |
Athen: Im Hochofen des NeoliberalismusAttis-Theater: „Amor“ nach Texten von Thanasis Alevras. Regie, Bühne und Licht Theodoros Terzopoulos, Kostüme LOUKIAvon Torsten Israel | Seite 45 |
Baden-Baden: Wir haben noch Briefmarken geleckt!Theater Baden-Baden: „Vania und Sonia und Mascha und Spike“ (EEA) von Christopher Durang. Regie Stefan Huber, Ausstattung Andrea Wagnervon Otto Paul Burkhardt | Seite 46 |
Berlin: Vertreibung aus keinem ParadiesSchaubühne: „Tartuffe“ von Molière. Regie Michael Thalheimer; Volksbühne: „La Cousine Bette“ nach Honoré de Balzac. Regie Frank Castorfvon Gunnar Decker | Seite 47 |
Bochum: Leben als TestverlaufSchauspielhaus Bochum: „Es wird einmal“ (UA) von Martin Heckmanns. Regie Anselm Weber, Bühne Hermann Feuchter, Kostüme Meentje Nielsen | Seite 48 |
Nürnberg: MangelwareStaatstheater Nürnberg: „Tod eines Handlungsreisenden“ von Arthur Miller. Regie Sascha Hawemann, Bühne Wolf Gutjahr, Kostüme Hildegard Altmeyervon Christoph Leibold | Seite 49 |
Tübingen: Russenrock und RebellionLandestheater Tübingen: „Sankya“ (DSE) von Sachar Prilepin. Regie Ralf Siebelt, Ausstattung Hannah Landesvon Otto Paul Burkhardt | Seite 51 |
Stück | Seite 52 |
Gestern habe ich aufgehört, mich zu töten. Dank dir, Heiner MüllerDeutsch von Dorothea Köhlervon Rogelio Orizondo | |
Magazin | |
Generation ohne AngstIm chilenischen Valparaíso suchen lateinamerikanische Tänzer und Choreografen bei dem Akademieprojekt Movimiento Sur nach dem Eigenenvon Anne Phillips-Krug | Seite 65 |
Der Mann aus dem OstenIm Gedenken an den ehemaligen Detmolder Intendanten Ulf Reihervon Martin Linzer | Seite 66 |
Linzers Eck: WachträumeAuch ohne Namen erfolgreich: das Berliner Theater o. N.von Martin Linzer | Seite 67 |
Die Kunst des ÜbersetzensZum Tod von Peter Urbanvon Karlheinz Braun | Seite 68 |
kirschs kontexte: Mittel ohne Zweck oder Für die Götter übersetzenvon Sebastian Kirsch | Seite 69 |
Der Mensch als FehlerRainer Nägele: Der andere Schauplatz. Büchner, Brecht, Artaud, Heiner Müller. Stroemfeld Verlag, Frankfurt a. M. 2013, 192 S., 28 EUR.von Frank M. Raddatz | Seite 70 |
Hildesheimer ThesenanschlagWolfgang Schneider (Hg.): Theater entwickeln und planen. Kulturpolitische Konzeptionen zur Reform der Darstellenden Künste. transcript Verlag, Bielefeld 2013, 320 S., 24,99 EUR.von Theresa Schütz | Seite 71 |
Das letzte Biest am HimmelHelmut Schödel: „Seele brennt“. Der Dichter Werner Schwab. Ein Hörbuch. Verlag für moderne Kunst, Nürnberg 2013, 3 CDs.von Dorte Lena Eilers | Seite 71 |
Aktuell | Seite 72 |
Herzlichen Glückwunsch zum 80., Nele Hertling!von Johannes Odenthal | |
Meldungen | |
Aktuell: in nachbars garten | |
Film: Hass und Begehrenvon Ralf Schenk | Seite 74 |
Hörspiel: Verlassen, verliebt, verhöhntvon Gerwig Epkes | Seite 74 |
Kunst: Alles ist Skulpturvon Ute Müller-Tischler | Seite 75 |
Musik: Ein Spiel aus Worten und Musikvon Ulrike Rechel | Seite 75 |
Aktuell | Seite 76 |
PremierenFebruar 2014 | |
TdZ on Tour | Seite 78 |
Impressum/Vorschau | Seite 79 |
Gespräch | Seite 80 |
Was macht das Theater, Philipp Oswalt?von Ute Müller-Tischler und Philipp Oswalt |
Torsten Blume
Karlheinz Braun
Volker Braun
Otto Paul Burkhardt
Gunnar Decker
Dorte Lena Eilers
Gerwig Epkes
Carolin Gerlach
Ralph Hammerthaler
Jack Hauser
Sabina Holzer
Torsten Israel
Sebastian Kirsch
Renate Klett
Martin Krumbholz
Ralf-Carl Langhals
Sewan Latchinian
Christoph Leibold
Sabine Leucht
Martin Linzer
Josef Mackert
Mehdi Moradpour
Harald Müller
Ute Müller-Tischler
Barbara Mundel
Johannes Odenthal
Rogelio Orizondo
Philipp Oswalt
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