Heft 03/2014
Robert Wilson: Göttliche Monster
Broschur mit 88 Seiten, Format: 215 x 285 mm
ISSN 0040-5418
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Aus irgendeinem Grund kamen Robert Wilson und Theater der Zeit bislang nicht zusammen. Dabei wäre allein die Affinität zu Heiner Müller Grund genug, uns mit Wilsons bildmächtiger Kunst – siehe Insert – ins Vernehmen zu setzen. Der Anlass für eine verspätete Begegnung müsste unserer eigenen Logik gemäß etwas recht Spektakuläres oder doch ganz Besonderes sein. Im Oktober 2013 präsentierte Robert Wilson bei den ARD Hörspieltagen sein erstes Hörspiel: „Monsters of Grace II“. Live. Mit Starbesetzung, unter anderem Isabelle Huppert, Angela Winkler, Jürgen Holtz, Christopher Knowles und Wilson selbst. Frank Raddatz befragte den Autor zum Verhältnis von Bild und Ton, zum Raum, den die Differenz verschiedener Stimmen eröffnet, und zur spirituellen Dimension des Imaginären. Anschließend erinnert sich die Grande Dame des Orients Etel Adnan an den Sommer 1972 im Libanon, wo sie dem amerikanischen Ausnahmekünstler erstmals begegnete.
In der Theatermetropole Paris stieß Lena Schneider ebenfalls auf Spuren Wilsons, dem die französische Hauptstadt im Rahmen des Festival d’Automne 2013/14 mehrere Veranstaltungen widmete. Während er im Louvre eine eigene Ausstellung präsentierte, standen die Pariser Schlange, um „The Old Woman“ mit Hollywoodstar Willem Dafoe und Tänzerlegende Mikhail Baryschnikov zu sehen. Daneben fesselte ein Zyklus mit insgesamt vier Fassbinder-Texten, den Gwenaël Morin am Théâtre de la Bastille inszenierte, unsere Autorin. Auch die Aufführungen von Peter Handkes „Über die Dörfer“ und des „Guten Menschen von Sezuan“ an Luc Bondys Odéon Théâtre de l’Europe sind der Betrachtung wert.
„Summa summarum: Es bleibt schwierig.“ Mit diesem Fazit schließt der Artikel von Mirka Döring über das neu eröffnete Deutsche Schauspielhaus Hamburg. Sie verfolgt einen dramaturgischen Faden der Schuld, der sie von Karin Beiers fast siebenstündigem, aber kurzweiligem Tragödienzyklus „Die Rasenden“ über Karin Henkels eingedampfte Version von Dostojewskis „Schuld und Sühne“ zu der Wohlstandsfestung Europa in Friederike Hellers „Nach Europa“ führt, was Sebastian Baumgartens „Ballade vom Fliegenden Holländer“ direkt kommentiert: „Gute Zäune machen gute Nachbarn.“
Angetan zeigt sich Martin Krumbholz vom Neuanfang Bernhard Helmichs am Theater Bonn, den vor allem eine aufgeblähte Verwaltung nervt. Der Isländer Thorleifur Örn Arnarsson inszenierte Hebbels „Nibelungen“ nicht ohne Ironie. Kongenial stand ihm als Bühnenbildner der Litauer Vytautas Narbutas zur Seite. „Der Hof zu Worms ist eine wundersammorbide Deutschlandhöhle, eine Totenburg, eine germanische Rumpelkammer mit Reichstagskuppel, Quadriga, Statuen, Büsten und verstaubtem Bücherbord.“ Als weiterer Glücksgriff und „kluge Spielplanentscheidung“ erweist sich die Ansetzung von Heinrich Bölls Roman „Ansichten eines Clowns“ aus dem Jahr 1963, den die junge Hausregisseurin Alice Buddeberg auf die Bühne brachte und alle Erwartungen übertraf.
Man mag es kaum glauben, aber wenn Gunnar Decker das Theater Plauen-Zwickau begutachtet, krachen die Superlative: „‚Don Carlos‘, ‚Faust I‘, ‚Wie im Himmel‘ und (als Puppenspiel) ‚Moby Dick‘ feiern hier nicht zu erwartende Dionysien.“ Diese „Feiern der Hochenergie“ verantwortet Matthias Thieme, in dessen Seele sich schon im 18. Lebensjahr ein Regiedämon einnistete. „Furios!“, befindet Decker, und: „Vielleicht ist Thieme der letzte Walfänger unter den jüngeren Regisseuren hierzulande.“ Also: Auf nach Plauen-Zwickau.
Inzwischen ging Frank Raddatz weiter der Systemfrage nach. Diesmal in München, wo er Kulturreferent Hans-Georg Küppers fragte, warum man sich in Bayerns Hauptstadt Dinge traut, bei denen sich die restliche Republik zögerlich zeigt. Küppers antwortet Klartext und verblüfft sein Gegenüber mehrfach. Viel Spaß also bei der Lektüre. //
Die Redaktion
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Thema: Robert Wilson | |
Künstlerinsert: Bühnenarbeitenvon Robert Wilson | Seite 4 |
Raum der StimmenWarum für den Bildkünstler Robert Wilson die Imagination erst im Dunkeln wirklich frei sein kann. Ein Gespräch über Theater und sein erstes Hörspiel „Monsters of Grace II“von Frank M. Raddatz und Robert Wilson | Seite 8 |
Zauber und GeheulBob Wilson passiert dir nur einmal im Lebenvon Etel Adnan | Seite 12 |
Auf jedes Tick ein TockDer Pariser Theaterherbst sucht mit Wilson, Handke und Fassbinder die absurde Kraft der Gegensätze – während ganz Frankreich sie lebtvon Lena Schneider | Seite 15 |
Protagonisten | |
München macht’s möglichHans-Georg Küppers über die Berufung Matthias Lilienthals zum Intendanten der Münchner Kammerspiele und die Neuerfindung des Theaters in der bayrischen Landeshauptstadt. Ein Gespräch zur Systemfragevon Frank M. Raddatz und Hans-Georg Küppers | Seite 18 |
Noch nichts Neues unter der SonneEine Antwort von Roland May, Generalintendant des Theaters Plauen-Zwickau, auf das „Rostocker Signal“von Roland May | Seite 21 |
Frag nicht – arbeite!Die Jahreskonferenz der Dramaturgischen Gesellschaft in Mannheim regte unter dem Motto „Wie wollen wir arbeiten?“ zur selbstkritischen Analyse des eigenen Arbeits(über)eifers anvon Anna Volkland | Seite 22 |
UnidämmerungGünther Heeg über die drohende Schließung seines Instituts in Leipzig und die generellen Angriffe auf die Geisteswissenschaften im Gespräch mit Sebastian Kirschvon Günther Heeg und Sebastian Kirsch | Seite 24 |
Kolumne | Seite 27 |
Die glorreichen DreiDessau, Halle, Eisleben – Was hat der Protest für die Theater gebracht?von Ralph Hammerthaler | |
Protagonisten | |
Schuld und SchmiereDas Deutsche Schauspielhaus ist unter seiner neuen Intendantin Karin Beier zurück in Hamburgvon Mirka Döring | Seite 28 |
In der DeutschlandhöhleUnter dem neuen Intendanten Bernhard Helmich erfindet sich das Theater Bonn als intellektueller Abenteuerspielplatz neuvon Martin Krumbholz und Bernhard Helmich | Seite 31 |
SCORES – Insert Tanzquartier Wien | Seite 32 |
TransmissionÜber den Prozess in der Arbeit mit Yvonne Rainers „Trio A“ und „No Manifesto“ SOLO? Von Körpern und ihren Doubles im zeitgenössischen Tanzvon Andrea Božić | |
Protagonisten | Seite 34 |
Auf WaljagdDer Regisseur Matthias Thieme ist ein besessener Kollektivspieler, sein Theater eine Feier der Hochenergievon Gunnar Decker | |
Look Out | |
Komische KörperDer Tänzer-Choreograf Hermann Heisig begreift Tanz als Spielfeld für mögliche und unmögliche Beziehungen von Mensch und Raumvon Anna Volkland | Seite 38 |
Dunkel ist der WeltraumDie Regisseurin Nora Bussenius lässt ihre Figuren mal feingliedrig differenziert, mal knallhart zwischen Leben und Tod manövrierenvon Friederike Felbeck | Seite 39 |
Auftritt | |
Frankfurt am Main: Im schwarzen LochSchauspiel Frankfurt: „Der weiße Wolf“ (UA) von Lothar Kittstein. Regie Christoph Mehler, Bühne Nehle Balkhausen, Kostüme Janina Brinkmannvon Shirin Sojitrawalla | Seite 41 |
Freiburg: Die Sprache von DosenbierTheater Freiburg: „Intensivtäter“ (UA) / „Seattle“ (UA) von P. Brodowsky und D. Laucke. Regie J. Wehner u. J. Gehler; „Warten auf die Barbaren“ (DEA) nach dem Roman von J. M. Coetzee. Regie Th. Krupavon Bodo Blitz | Seite 42 |
Halle: Zerfressene GegenwartszombiesNeues Theater Halle: „Die Ratten“ von Gerhart Hauptmann. Regie Henriette Hörnigk, Ausstattung Claudia Charlotte Burchardvon Theresa Schütz | Seite 43 |
Mannheim: Ein Stürmchen im StundenglasNationaltheater Mannheim: „Der Sturm“ nach William Shakespeare und Henry Purcell. Regie Calixto Bieito, Bühne Kathrin Younes, Kostüme Rebekka Zimlich, musikalische Leitung Mauro Barbieratovon Ralf-Carl Langhals | Seite 44 |
München: Lüsterne KleinstadtgesellschaftMetropoltheater München: „Unter dem Milchwald“ von Dylan Thomas. Regie Ulrike Arnold, Bühne Julia Ströder Kostüme Katja Kirnvon Christoph Leibold | Seite 45 |
Zürich: Im MultiversumTheater Winkelwiese: „Konstellationen“ (SE) von Nick Payne. Regie Stephan Roppel, Ausstattung Marcella Incardonavon Dominique Spirgi | Seite 46 |
Stück | |
Bringst du Zitronen mit?Die Autorin Marianna Salzmann über ihr Stück „Hurenkinder Schusterjungen“ und den Luxus, nihilistisch sein zu können, während es an der Rändern Europas brennt, im Gespräch mit Dorte Lena Eilersvon Dorte Lena Eilers und Sasha Marianna Salzmannzum Online-Extra: Gespräch mit Marianna Salzmann | Seite 48 |
Hurenkinder Schusterjungen(mein Kopf ist ein offener Koffer aus dem Gott Vater Staat herausfällt aber nicht zerbricht weil er so zäh ist wie Gummi)von Sasha Marianna Salzmann | Seite 50 |
Magazin | |
Das Gesicht des KlimawandelsWie Theater auf den Philippinen hilft, denjenigen eine Stimme zurückzugeben, die ihre eigene angesichts der Zerstörung durch den Taifun Haiyan verloren habenvon Natalie Driemeyer | Seite 61 |
Hinter dem Rücken GottesDas finnische Theater verankert sich in alltäglichen Erfahrungen zwischen Modernität und ländlicher Abgeschiedenheit. Eine Theaterreisevon Mirka Döring | Seite 62 |
Pomp und Pop-upDie ungarische Politik lässt das Kortárs Drámafesztivál in Budapest am langen Arm verhungernvon Margarete Affenzeller | Seite 64 |
Rastloser LäuferZum Tod des Schauspielers Philip Seymour Hoffmanvon Matt Cornish | Seite 66 |
Ringen mit der WirklichkeitZum Tod der Regisseurin Franziska Steiofvon Wolfgang Schneider | Seite 67 |
Linzers Eck: Es lebe die Zettelwirtschaft!Wie Theater ihre Besucher schlau machen – oder für dumm verkaufenvon Martin Linzer | Seite 69 |
Eulen, Uhus, IgelAndrzej Wirth: Flucht nach vorn. Gesprochene Autobiografie und Materialien. Hg. von Thomas Irmer, Spector Books, Leipzig 2013, 348 S., 28,00 EUR.von Frank M. Raddatz | Seite 70 |
Der andere RaumTim Schuster: Räume, Denken. Das Theater René Polleschs und Laurent Chétouanes. Neofelis Verlag, Berlin 2013, 350 S., 26,00 EUR.von Christina Schmidt | Seite 70 |
kirschs kontexte: Ausverkauf in Sachsenvon Sebastian Kirsch | Seite 71 |
Aktuell: in nachbars garten | |
Film: Das Leuchten der Ladyvon Ralf Schenk | Seite 72 |
Hörspiel: Die Maske der Menschheitvon Gerwig Epkes | Seite 72 |
Kunst: Eine Art, den Regen zu beschreibenvon Ute Müller-Tischler | Seite 73 |
Musik: In der unfertigen Stadtvon Otto Paul Burkhardt | Seite 73 |
Aktuell | |
Meldungen | Seite 74 |
PremierenMärz 2014 | Seite 76 |
TdZ on Tour | Seite 78 |
TdZ on Tour | |
Impressum/Vorschau | Seite 79 |
Impressum/Vorschau | |
Gespräch | Seite 80 |
Was macht das Theater, Bert Wrede?von Gunnar Decker und Bert Wrede |
Etel Adnan
Margarete Affenzeller
Bodo Blitz
Andrea Božić
Otto Paul Burkhardt
Matt Cornish
Gunnar Decker
Mirka Döring
Natalie Driemeyer
Dorte Lena Eilers
Gerwig Epkes
Friederike Felbeck
Ralph Hammerthaler
Günther Heeg
Bernhard Helmich
Sebastian Kirsch
Martin Krumbholz
Hans-Georg Küppers
Ralf-Carl Langhals
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Shirin Sojitrawalla
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Robert Wilson
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Bringst du Zitronen mit?Die Autorin Marianna Salzmann über ihr Stück „Hurenkinder Schusterjungen“ und den Luxus, nihilistisch sein zu können, während es an der Rändern Europas brennt, im Gespräch mit Dorte Lena Eilersvon Dorte Lena Eilers und Sasha Marianna Salzmannzum Online-Extra: Gespräch mit Marianna Salzmann |
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