Heft 10/2016
Glanz und Elend
Shenja Lacher und das Ensemble-Netzwerk über die Zustände am Stadttheater
Broschur mit 80 Seiten, Format: 215 x 285 mm
ISSN 0040-5418
Oktober 2016. Die Theater öffnen wieder ihre Tore, die Spielzeiten beginnen, das Publikum strömt in die Säle, setzt sich und seufzt beruhigt, dass jetzt andere auf der Bühne reden, spielen, rennen, turnen, lachen, weinen. Im besten Falle funktioniert der Bühnenzauber, und die Zuschauer sind ebenfalls wie verzaubert. Das meint eine „schöne Vorstellung“, nicht nur die gemütlichen Sessel, sondern einen Funken der Fantasie, der überspringt. Doch das Theater ist nicht nur schöner Schein, sondern auch harte Realität. Hinter den Kulissen haben die Angestellten im Theater mit Strukturen zu kämpfen, die auch anderen Arbeitnehmern in Deutschland nicht unbekannt sein dürften: Niedriglohn, Überstunden, Zeitmangel, Druck, Stress, Erschöpfung. Das stört in diesem Falle aber auch die schöne Vorstellung – der dem Alltag enthobenen Kunst.
Einige Schauspieler, die für die Kunst auf der Bühne mit ihrem Körper einstehen müssen, machen ihren Unmut jetzt öffentlich. Der Schauspieler Shenja Lacher hat seinen Vertrag am Münchner Residenztheater nicht verlängert. In einem in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung veröffentlichten Interview begründete er seine Entscheidung, kritisierte die Arbeitsbedingungen am Theater und die Rolle der Intendanten. Lisa Jopt gründete Anfang des Jahres 2015 mit anderen Schauspielern das Ensemble-Netzwerk, das unter dem Motto „You Are Not Alone“ angetreten ist, die Interessen der Schauspielerinnen und Schauspieler zu vertreten. Auch Johannes Lange engagiert sich im Ensemble-Netzwerk. Dorte Lena Eilers und Jakob Hayner sprechen mit den dreien über das Theater, die Kunst, den Betrieb – und die Dinge, die sich ändern sollten. Den Schwerpunkt komplettieren ein Bericht vom Theatertreffen der deutschsprachigen Schauspielstudierenden in Bern von Nicole Gronemeyer und ein Kommentar zur Schauspielausbildung von Susanne Winnacker, der Rektorin der Hochschule für Musik und Theater in Rostock. Unser Kolumnist Josef Bierbichler macht sich zu einem ihm rätselhaften Vorgang Gedanken, die wiederum andere Gedanken nach sich ziehen.
Am 20. Oktober wird Elfriede Jelinek 70 Jahre alt. Wir gratulieren ihr mit einem Interview zum Geburtstag, das Jakob Hayner mit Nicolas Stemann führte, der so viel wie kein anderer Regisseur mit Texten von Jelinek gearbeitet hat. „Ich habe momentan gar keine Lust, etwas anderes zu machen“, sagt Stemann. Das könnte wohl, hat man den Eindruck, auch Wolfram Koch sagen. Der 54-Jährige lebt für das Theater. Er arbeitete mit Dimiter Gotscheff, spielt zurzeit bei Herbert Fritsch und schätzt das Absurde und Sinnferne auf der Bühne. Gunnar Decker hat Wolfram Koch getroffen.
Beim Kunstfest in Weimar zeigt Robert Schuster seine neueste Inszenierung „KULA – nach Europa“, ein Requiem auf eine Idee im Zerfall. Was bleibt von Europa? Und was könnte eine mögliche Zukunft sein? Über das Ende der Welt, wie wir sie kennen, gibt er im Gespräch Auskunft. Die neu ausgerichtete Wiesbaden Biennale steht unter dem Motto „This is not Europe“. Im Rahmen von „Asyl des müden Europäers“ beerdigt der Künstler Dries Verhoeven jeden Tag eine sterbende Idee. Was bleibt? Shirin Sojitrawalla berichtet, was es in Wiesbaden zu sehen gibt und wie sich die Biennale mit der neuen Intendanz verändert hat.
Das Künstlerinsert ist in dieser Ausgabe dem Fotografen Daniel Josefsohn gewidmet, der am 13. August dieses Jahres in Berlin verstarb. Josefsohn arbeitete unter anderem für die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin. Auf dem Titel der Ausgabe Juni 2015 von Theater der Zeit war eine Fotografie von Josefsohn zu sehen, auf der ein Hubschrauber mit dem Emblem der Volksbühne Richtung Horizont verschwindet; die Ausgabe befasste sich unter dem Titel „Hasta la Vista“ mit der Neubesetzung der Intendanz der Volksbühne. Zuletzt hat Daniel Josefsohn ein Projekt bei der diesjährigen Ruhrtriennale geleitet, Titel: „Bude Bett Bargeld“. Wir veröffentlichen seine letzten Arbeiten.
Noch ein Hinweis in eigener Sache: Bis zum 15. November führen wir eine Leserumfrage durch, um das Angebot von Theater der Zeit weiter zu verbessern. Wir möchten Sie einladen, an der Umfrage teilzunehmen, sie ist unter www.theaterderzeit.de/umfrage/ abrufbar. //
Die Redaktion
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Artikel | Seite |
Künstlerinsert | |
Bude Bett Bargeldvon Daniel Josefsohn | Seite 4 |
menschen, viecher, situationenZum Tod von Daniel Josefsohnvon Tom Stromberg | Seite 8 |
Thema | |
Wer wenn nicht wirÜber den Zauberkasten Theater und seine Schattenseiten, schädlichen Zynismus und die Ziele des neugegründeten Ensemble-Netzwerks – die Schauspieler Lisa Jopt, Shenja Lacher und Johannes Lange im Gesprvon Dorte Lena Eilers, Jakob Hayner, Shenja Lacher, Lisa Jopt und Johannes Lange | Seite 10 |
Die SpielfreudigenJunge Schauspielstudierende diskutieren beim Schauspielschultreffen in Bern über ihre Haltung zur Weltvon Nicole Gronemeyer | Seite 16 |
Die Schauspielausbildung gehört dringend renoviertEin Kommentar der Rektorin der Hochschule für Musik und Theater in Rostockvon Susanne Winnacker | Seite 19 |
Protagonisten | |
Für ElfriedeUnd manchmal gegen sie: Nicolas Stemann gratuliert Elfriede Jelinek zum 70. Geburtstag. Ein Gespräch mit Jakob Haynervon Nicolas Stemann und Jakob Haynerzum Online-Extra: An vorderster Stelle der Avantgarde oder Der Beginn einer wunderbaren Zusammenarbeit | Seite 20 |
Zeitreise ins AbsurdeBlödsinn auf der Bühne ist wichtig, sagt der Schauspieler Wolfram Koch, er fördert Wahrheiten im unlogischen Wesen Mensch zutagevon Gunnar Decker | Seite 24 |
Festivals | |
Im Herzen engRobert Schuster über „KULA – nach Europa“ beim Kunstfest Weimar und das Ende der Welt, wie wir sie kennen, im Gespräch mit Jakob Haynervon Robert Schuster und Jakob Hayner | Seite 28 |
Jünger, schicker und urbanerDie neue Wiesbaden Biennale setzt unter dem Motto „This is not Europe“ inhaltlich wie künstlerisch auf das Jetztvon Shirin Sojitrawalla | Seite 30 |
Kolumne | Seite 33 |
Das Nagetier in unsvon Josef Bierbichler | |
Look Out | |
Teil eines GanzenDie Schauspielerin Yohanna Schwertfeger will sich von Vorgaben lösen und der Banalität entkommenvon Johanna Lemke | Seite 34 |
Yoga und GewaltDas Künstlerduo notfoundyet erkundet die Abgründe der menschlichen Naturvon Susanne Fernandes Silva | Seite 35 |
Auftritt | |
Bern: Das bessere LebenKonzert Theater Bern: „Mondkreisläufer“ (UA) von Jürg Halter. Regie und Bühne Cihan Inan, Kostüme Anouk Bonsmavon Julia von Lucadou | Seite 37 |
Berlin: Jetzt ist rausMaxim Gorki Theater: „Denial“ (UA) von Yael Ronen und Ensemble. Regie Yael Ronen, Bühne Magda Willi, Kostüme Amit Epsteinvon Dorte Lena Eilers | Seite 37 |
Berlin: Fragmente einer Sprache des SchreckensSchaubühne am Lehniner Platz: „Empire“ von Milo Rau. Regie Milo Rau, Bühne und Kostüme Anton Lukasvon Jakob Hayner | Seite 38 |
Frankfurt/Main: Heiße Höschen, kalte RäumeSchauspiel Frankfurt: „Iphigenie“ (UA) von Ersan Mondtag. Regie Ersan Mondtag, Bühne Stefan Britze, Kostüme Raphaela Rose. „Königin Lear“ (DSE) von Tom Lanoye. Regie Kay Voges, Bühne Daniel Roskamp, Kvon Shirin Sojitrawalla | Seite 40 |
Luzern: Open the door!Südpol: „Myousic“ von Dimitri de Perrotvon Renate Klett | Seite 41 |
Naumburg: Wenn die Lüge spricht und die Wahrheit schweigtTheater Naumburg: „Der zerbrochne Krug“ von Heinrich von Kleist. Regie Stefan Neugebauer, Bühne und Kostüme Markus Meyervon Jakob Hayner | Seite 42 |
Osnabrück: Warten auf LucasTheater Osnabrück: „Lucas and Time“ (UA) von Niki Orfanou. Regie Felicitas Braun, Bühne Timo von Kriegstein, Kostüme Aleksandra Kicavon Anne Reinert | Seite 43 |
Schiffdorf/Gdynia: Im Zug durch die ZeitenDas letzte Kleinod / Teatr Gdynia Glowna: „Flucht – Ucieczka“ (UA) von Jens-Erwin Siemssen. Regie Jens-Erwin Siemssenvon Andreas Schnell | Seite 44 |
Wien: Im RohbauTheater in der Josefstadt: „Niemand. Tragödie in sieben Bildern“ (UA) von Ödön von Horváth. Regie Herbert Föttinger, Bühnenbild Walter Vogelweider, Kostüme Birgit Huttervon Christoph Leibold | Seite 45 |
Wien: Der lange Marsch ins NichtsTheaterkombinat: „Ideal Paradise“ (UA) von Claudia Bossevon Theresa Luise Gindlstrasser | Seite 46 |
Stück | |
Wir sind die AristokratenDie Autorin Sasha Marianna Salzmann über ihr neues Stück „Die Aristokraten“ im Gespräch mit Lena Schneidervon Lena Schneider und Sasha Marianna Salzmann | Seite 48 |
Die Aristokratenvon Sasha Marianna Salzmann | Seite 50 |
Magazin | |
Bis dass die Welt untergehtDas Theaterfestival Basel zeigt, wie nah das Theater am Zeitgeschehen sein kannvon Dominique Spirgi | Seite 61 |
Woher haben Sie diese Nummer?Das Sommerfestival auf Kampnagel in Hamburg verweist mit fünf Uraufführungen auf den Wert langfristiger Kollaborationen zwischen Kuratoren und Künstlernvon Natalie Fingerhut | Seite 62 |
kirsch kontexte: Vom Tanz der AtomeBeim Lesen des Lukrezvon Sebastian Kirsch | Seite 63 |
Fang an zu kochen, Rezept folgtDas Impulse Theater Festival ermöglicht geflüchteten Wissenschaftlern in der Silent University die Lehrevon Friederike Felbeck | Seite 65 |
Performance im QuadratZur letzten Ausgabe des Festivals Foreign Affairs an den Berliner Festspielenvon Thomas Irmer | Seite 66 |
Fenster auf, Seele reinStudierende europäischer Theaterakademien trotzen beim Furore Festival in Ludwigsburg der Krisevon Elisabeth Maier | Seite 67 |
Theater der Möglichkeiten„Neue Unternehmer braucht das Land“? In der neuen Bühne Senftenberg sind sie schonvon Jürgen Weser | Seite 68 |
Die nach den Sternen suchtDas Theater Freiburg reist mit der deutsch-georgischen Koproduktion „Zorn“ von Nino Haratischwili nach Tbilissivon Thomas Irmer | Seite 69 |
In Schönheit sterbenEine Umfrage von Theater der Zeit und Neuköllner Oper | Seite 70 |
Hüter der RangunterschiedeDer Schriftsteller Hermann Kant ist mit 90 Jahren in Neustrelitz verstorbenvon Gunnar Decker | Seite 71 |
Das Erröten der Eleonora DuseSanford Meisner / Dennis Longwell: Schauspielen. Die Sanford-Meisner- Methode. Alexander Verlag, Berlin 2016, 384 Seiten, 25 EUR.von Peter M. Boenisch | Seite 72 |
Die Weltsicht des Herrn K.Uwe Kolbe: „Brecht. Rollenmodell eines Dichters“, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2016, 176 S., 18,99 EUR.von Jakob Hayner | Seite 73 |
Aktuell | |
Meldungen | Seite 74 |
PremierenOktober 2016 | Seite 76 |
tdz on tour | Seite 78 |
Impressum/Vorschau | Seite 79 |
Autoren Oktober 2016 / Vorschau | |
Gespräch | Seite 80 |
Was macht das Theater, Thorsten Merten?von Gunnar Decker und Thorsten Merten |
Josef Bierbichler
Peter M. Boenisch
Gunnar Decker
Dorte Lena Eilers
Friederike Felbeck
Susanne Fernandes Silva
Natalie Fingerhut
Theresa Luise Gindlstrasser
Nicole Gronemeyer
Jakob Hayner
Thomas Irmer
Lisa Jopt
Daniel Josefsohn
Sebastian Kirsch
Renate Klett
Shenja Lacher
Johannes Lange
Christoph Leibold
Johanna Lemke
Elisabeth Maier
Thorsten Merten
Anne Reinert
Sasha Marianna Salzmann
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Andreas Schnell
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Shirin Sojitrawalla
Dominique Spirgi
Nicolas Stemann
Tom Stromberg
Julia von Lucadou
Jürgen Weser
Susanne Winnacker
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Protagonisten | Seite 20 |
Für ElfriedeUnd manchmal gegen sie: Nicolas Stemann gratuliert Elfriede Jelinek zum 70. Geburtstag. Ein Gespräch mit Jakob Haynervon Nicolas Stemann und Jakob Haynerzum Online-Extra: An vorderster Stelle der Avantgarde oder Der Beginn einer wunderbaren Zusammenarbeit |
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