Kommentar
Renovierungsbedürfnisse
Anmerkungen zu Susanne Winnackers Kommentar zur Schauspielausbildung
von Frank Schubert
„Die Schauspielausbildung gehört dringend renoviert“, titelt Susanne Winnacker, Rektorin der Hochschule für Musik und Theater Rostock, im Oktoberheft von Theater der Zeit. Das jüngste Treffen der deutschsprachigen Schauspielschulen in Bern im vergangenen Juni machte erlebbar, wie tief wir bereits in diesen Renovierungsprozessen stecken. Wie andere auch, „renovieren“ wir Berner die Schauspielausbildung bereits seit zehn Jahren. Angesichts der bereits vollzogenen tiefgreifenden Veränderungen, die den Kinderschuhen längst entwachsen sind und sich bereits in einer detaillierten Korrektur- und Vertiefungsphase befinden, freue ich mich aufrichtig, dass nun auch Rostock sich auf den Weg gemacht hat. Doch ist renovieren im Grunde der falsche Ausdruck. Wer nur renoviert, hat weder die Problematik noch die Chancen begriffen.
Der Spagat zwischen solide vermitteltem Handwerk und der Fähigkeit zu individueller Kreativität ist vielerorts längst zu einer lustvollen Übung geworden. Viele solcher Beispiele erregen bereits öffentliches Interesse. Cornelius Danneberg entwickelte an der Schauspielschule Bern seine Philosophie der Sprache und hat an der Badischen Landesbühne damit großen Erfolg. Sein Stück „Zwischen Strom und Gestein“ schrieb er als Abschlussarbeit seines Studiums, inszenierte es selbst und spielt es nun auch im Spielplan der Landesbühne. Dennis Schwabenlands Truppe PENG! Palast bringt ihre Bühnenproduktion „the holycoaster s(HIT) circus“ gerade als Film in die Kinos, und Julia Gräfner spielt am Schauspielhaus Graz eine Julia, wie sie wohl noch kein Romeo erblickte. Berner Nischendenken?
Sicher nicht! Wir sind nur auf ein verbreitetes Praxisbedürfnis eingegangen, welches vielerorts schlummert. „Muttis Kinder“, bestehend aus drei Rostocker Absolventen, touren schon lange erfolgreich, und Julia Schubert, auch klassisch in Rostock ausgebildet, reißt nun am Schauspiel Dortmund als Regisseurin das traditionelle Verhältnis zwischen Bühne und Zuschauer ein und zeigt eine Installation aus neun simultanen Spielorten. „Heimliche Helden – Anatomie eines Großraumbüros“ läuft seit Oktober.