Kolumne

Der Rattenfänger von Manhattan

Über Trump, PR-Maschinen und den barbarischen Gebrauch der Sprache

von

Donald Trump auf einer Wahlkampfveranstaltung 2016, v.l.n.r. Schwiegersohn Jared, Tochter Ivanka, Donald Trump, Ehefrau Melania, Schwiegertochter Lara und Sohn Eric. Foto: Max Goldberg / Lizenz: CC BY 2.0
Donald Trump auf einer Wahlkampfveranstaltung 2016, v.l.n.r. Schwiegersohn Jared, Tochter Ivanka, Donald Trump, Ehefrau Melania, Schwiegertochter Lara und Sohn Eric. Foto: Max Goldberg / Lizenz: CC BY 2.0.

Es wird herumgerätselt, was Trump bringen wird. Dabei hat er schon über ein Jahr lang geliefert. Er hat durch seine Art des Wahlkampfs und den daraus resultierenden Wahlsieg gezeigt, dass nun eine Mehrheit der wählenden Amerikaner Verfügungsmasse geworden ist. Das war sie allerdings schon immer. Schon die sogenannten Väter der demokratischen Verfassung haben darauf geachtet, dass im niedergeschriebenen Recht die Anhäufung von Macht mit wirtschaftlichen Mitteln durch die Tatkräftigen von der weniger aktiven demokratischen Mehrheit nicht beeinträchtigt wird. Eingängig hat es „einer der Väter der modernen PR-Arbeit, Edward Bernays, (…) gesagt: Die Öffentlichkeit ist ein Problem, sie ist dumm und ignorant und zu ihrem eigenen Besten muss man sie zur Seite schieben und die verantwortungsbewussten Menschen die Entscheidungen treffen lassen“ (zitiert nach Noam Chomsky in der Süddeutschen Zeitung vom 21. Oktober 2016).

Seit dem letzten Wahlkampf in den USA ist diese „Verfügungsmasse“ im Zusammenspiel mit dem tatkräftigen Bewerber ums Präsidentenamt auf ihr bisher niederstes Niveau eingestimmt worden.

Das hat Trump durch seinen Gebrauch der Sprache erreicht. Seine ganz besondere aber erfolgreiche Art, den öffentlichen Diskurs zu führen, hat gezeigt, dass immer mehr Menschen in einer Sprache denken, mit der ihnen das eigene Denken abhandenkommt, also ausgetrieben wird. Orientierungslos geworden unter dem alltäglichen Beschuss durch die gewaltige Public-Relations- und Unterhaltungsindustrie im Dienst der Nutznießer des ausschließlich auf Profit ausgerichteten Wirtschaftssystems „richten immer mehr Menschen ihre Aufmerksamkeit auf die oberflächlichen Dinge des Lebens“ (Chomsky) und wenden sich ab vom politischen Alltag, während gleichzeitig ihre Lebensumstände unmerklich aber stetig widriger werden – bis hin zu dem Moment, an dem der Schmerz spürbar wird und der Aufschrei kommt. Da aber haben sie die Sprache des Denkens und mit ihr die Unterscheidungsfähigkeit zwischen ihren tatsächlichen Bedürfnissen und den von der PR-Maschine erzeugten schon verloren. Der Aufschrei ist ein hasserfülltes Grölen geworden. Der barbarische Gebrauch der Sprache durch einen Rattenfänger klingt ihnen nun wie eigenes Denken.

Man muss das, ganz in Bernays‘ Sinn, als logisches Ergebnis der Einflussnahme durch PR-Arbeit auf die geistige Entwicklung der Gesellschaft, unter gleichzeitig andauernder Beschneidung kultureller und bildungsorientierter Einrichtungen begreifen: Die einen werden wirtschaftlich kompatibel, indem sie sich einrichten in der Ideologie des unbegrenzten Wachstums – wenn ihre Talente ausreichen, werden sie dafür mit einem dezent angehobenen Lebensstandard entlohnt. Ein großer anderer Teil wird weiterhin geistig und materiell prekär verarmen und im sinnlosen Hass in jeder nur angebotenen falschen Richtung die Schuldigen suchen. Beide Gruppen zusammen wählen dann TRAfD: Die einen aus Angst, den erreichten Lebensstandard zu verlieren, die andern in der verzweifelten Hoffnung, vielleicht doch noch einmal in die nächsthöhere Kategorie aufzusteigen.

(Die Installation des Chris Dercon akkurat in der Berliner Volksbühne, die es sich in den letzten zwanzig Jahren wie keine andere zur Aufgabe gemacht hat, den neoliberalen PR-Strategien die Maske herunterzuziehen, kann ruhig als dieser PR-Strategie zugehörig gesehen werden.)

Das ist alles nicht neu. Aber es muss immer wieder neu erinnert werden.

Eigentlich müssten die Deutschen zur Analyse dieses Phänomens, das durch seine Wiederholung schon keins mehr ist, am meisten befähigt sein. Trotzdem bedient sich ein nicht geringer Teil der Politiker aus der Großen Koalition – und „prekärer Weise“ auch aus der Opposition – auf der Suche nach verlorenen Wählerstimmen der Sprache Trumps, der sich in die Sprache der Verzweifelten hineingehört und sie gesampelt hat. Statt um die Rückholung der verlorenen Sprache zu kämpfen und die Einrichtungen zu fördern, die solches versuchen, tauchen sie hinunter in die Niveaulosigkeit und grölen mit.

Die Theater haben jetzt Gelegenheit, auf Grundlage von Trumps Sprache, die auch ins Politiker-Deutsch Einzug gehalten hat, diese Entwicklung aufzudröseln. Die Leitkultur bekäme den ihr gemäßen Zungenschlag. Es könnten unterhaltsame Theaterabende werden. Karl Kraus’ „Die letzten Tage der Menschheit“ würden endlich wegen ihres aktuellen Gehalts wieder aufgeführt. Und Flüchtlinge würden rechtzeitig erkennen können, wo sie lieber nicht hinfliehen sollten.

Was sie aber weiterhin diesbezüglich nicht haben werden, ist: Wahlfreiheit. //

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