Heft 09/2017
Sie sind zurück
Vegard Vinge und Ida Müller im Nationaltheater Reinickendorf
Broschur mit 120 Seiten, Format: 215 x 285 mm
ISSN 0040-5418
Der Beginn der neuen Spielzeit fällt mit den Wahlen zum Deutschen Bundestag zusammen. Für Theater der Zeit eine Gelegenheit, das Verhältnis von Theater und Politik genauer in den Blick zu nehmen und kritisch zu befragen. Kann man angesichts der Erfolge rechstpopulistischer Parteien von einer Krise der Demokratie sprechen? Oder täuscht nicht die Ausrufung der Krisen aller Teilbereiche der Gesellschaft über den großen krisenhaften Zusammenhang der kapitalistischen Weltgesellschaft hinweg?
Ein solch umfassendes globales Krisenszenario entwickelt Andres Veiel am Deutschen Theater in Berlin. In seinem Text zu unserem Schwerpunkt Theater und Engagement plädiert er für ein politisches Theater, das sich den grundlegenden Fragen widmet und die Strukturen des ökonomischen und politischen Systems offenlegt. Hasko Weber verweist auf die Notwendigkeit des Theaters, sich angesichts sozialer Unsicherheit und Ungleichheit für das Gespräch offenzuhalten. Man müsse reden. Und wenn es sein muss, auch mit der AfD. Es ist vor allem die Möglichkeit des Hinterfragens, die das Theater nutzen sollte, sagen Sasha Marianna Salzmann und Laura Linnenbaum im Gespräch mit Gunnar Decker. Wo Kunst stört, hat sie den Elfenbeinturm verlassen – und kann zum Aktionismus werden. Wo hingegen die Grenzen des Aktionismus sind, untersucht Fritz Engel angesichts der jüngsten Aktion des Zentrums für Politische Schönheit. Und Kathrin Röggla fragt sich, wie Empathie im politischen Diskurs wirkt. Im 13. Teil unserer Reihe zum Neuen Realismus widmet sich Peter Laudenbach ebenfalls dem Verhältnis von Theater und Engagement. Eine Form des politischen Theaters, die sich in dem Widerspruch zwischen dem eigenen radikalen Vokabular und der umfassenden Folgenlosigkeit behaglich eingerichtet hat, vergesse, dass Realness nicht realistisch sei. In unserem Stückabdruck zeigt Neil LaBute einen amerikanischen Wutbürger, der vom Anbruch einer neuen Zeit träumt: „Das vierte Reich“.
Sie sind zurück: Vegard Vinge und Ida Müller führen im Nationaltheater Reinickendorf in die Abgründe von Ibsens „Baumeister Solness“. Das ist wie immer verstörend – und großartig zugleich. An einem abgelegenen Ort im Berliner Norden setzen Vinge und Müller das fort, was einst mit den sagenumwobenen Abenden im Prater der Volksbühne begann. Mit dem Ende der Ära Castorf haben die beiden das Zentrum der Stadt verlassen – und erkunden das Randständige. Um den Anbruch einer neuen Zeit geht es auch im Berliner Ensemble, Oliver Reese hat die Nachfolge von Claus Peymann angetreten. Friedrich Dieckmann nimmt das zum Anlass, eine Zeitreise durch die Geschichte des legendären Brecht-Hauses am Schiffbauerdamm zu unternehmen und zu fragen: Wie lange dauerte das Berliner Ensemble? Mit der zweiten neuen Intendanz in der Stadt – an der Volksbühne – verändere sich die Berliner Theaterlandschaft, so der Eindruck von Annemie Vanackere. Die Intendantin des HAU Hebbel am Ufer spricht über diese Veränderungen und die daraus resultierenden Herausforderungen für ihr Haus. Im Künstlerinsert stellen wir den Bühnenbildner und Maler Gero Troike vor, der dieses Jahr den Hein-Heckroth-Bühnenbildpreis erhalten hat. Susanne Thelemann und Lothar Trolle würdigen den großen Künstler.
Verabschieden mussten wir uns in diesem Sommer von zwei der bedeutendsten Dramatiker jenseits und diesseits des Atlantiks: Sam Shepard und Tankred Dorst. Thomas Irmer erinnert an den großen US-Autor, Schauspieler und Musiker, während Michael Krüger in seiner Gedenkrede Dorsts gesamtes Bühnenpersonal zum Abschied an uns vorbeiziehen lässt. „Die Welt ist schlecht“, habe Tankred Dorst immer gesagt, „aber das ist kein Grund, auf der Stelle zu verzweifeln.“ //
Die Redaktion
Artikel | Seite |
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Artikel | Seite |
Künstlerinsert | |
Bühnen und Bildervon Gero Troike | Seite 10 |
Ein Bühnenbild Gerosvon Lothar Trolle | Seite 12 |
Klare Räume, leere LandschaftÜber den Maler und Bühnenbildner Gero Troikevon Susanne Thelemann | Seite 14 |
Thema | |
Welt aus den FugenDas Theater kann Vorgänge sichtbar machen, die im hysterischen Medienbetrieb unterbelichtet bleiben – zum Beispiel die tief greifende Krise unserer Ökonomie und Demokratievon Andres Veiel | Seite 19 |
Gegen die allgemeine ErmüdungDie Demokratie und das Theater brauchen den Mut zur Kontroverse – Hasko Weber, Intendant des Deutschen Nationaltheaters Weimar, im Gespräch mit Dorte Lena Eilers und Jakob Haynervon Dorte Lena Eilers, Hasko Weber und Jakob Haynerzum Online-Extra: Gegen die allgemeine Ermüdung | Seite 21 |
Lob des StörfallsDas Gegenwartstheater zwischen Aktionismus und Elfenbeinturm – die Dramatikerin Sasha Marianna Salzmann und die Regisseurin Laura Linnenbaum im Gespräch mit Gunnar Deckervon Gunnar Decker, Laura Linnenbaum und Sasha Marianna Salzmann | Seite 24 |
Kinderkreuzzüge und OberklasseautosWie das Zentrum für Politische Schönheit seine Schärfe verlorvon Fritz Engel | Seite 27 |
Das Unbehagen in der DemokratieWie sich Zivilisationsfeindschaft und Lust an der Katastrophe entwickelnvon Jakob Hayner | Seite 28 |
Kolumne | Seite 29 |
Who owns history?von Kathrin Röggla | |
Aktuelle Inszenierung | Seite 34 |
Die Ibsen-ExplosionVegard Vinge und Ida Müller präsentieren im Nationaltheater Reinickendorf „Baumeister Solness“ als immersives Gesamtkunstwerkvon Thomas Irmer | |
Protagonisten | Seite 38 |
Der Maulwurf macht weiterDie Intendantin des HAU Hebbel am Ufer Berlin Annemie Vanackere über die Veränderungen in der Berliner Theaterszene und die Aufgaben eines spartenübergreifenden Produktionshauses im Gespräch mit Dorisvon Annemie Vanackere und Doris Meierhenrich | |
Neuer Realismus | Seite 42 |
#13 Realness ist nicht realistischEinige Beobachtungen zum Grenzverkehr zwischen Kunst und Wirklichkeitvon Peter Laudenbach | |
Protagonisten | Seite 46 |
Wie lange dauerte das Berliner Ensemble?Eine Zeitreise vom Anfang bis zur Gegenwartvon Friedrich Dieckmann | |
Abschied | Seite 50 |
Der König mit der grauen HaarkroneGedenkrede auf Tankred Dorstvon Michael Krüger | |
Festivals | |
Wider die Ohnmacht!Festival Theaterformen: Zuschauen und Handeln in der Festung Europavon Theresa Schütz | Seite 55 |
Ich seh die Waren zieh’nTheater der Welt 2017: Der Hafen als Zentrum globaler Bewegungvon Natalie Fingerhut | Seite 56 |
Wagner-Show im RaumschiffWiener Festwochen: Jonathan Meese bringt in seinem „Mondparsifal“ Richard Wagner mit der Popkultur zusammenvon Margarete Affenzeller | Seite 59 |
Über sieben Sprachen musst du geh’nSchweizer Theatertreffen: Die vierte Ausgabe in Lugano spiegelt die sprachliche und kulturelle Vielfalt des Landesvon Bernadette Binner | Seite 60 |
Die Verhüllung des KriegesFestival Impulse: Alexandra Piricis Performance „Delicate Instruments of Engagement“ erkundet ikonografische Bilder aus Kunst und Politikvon Martin Krumbholz | Seite 61 |
Kommentar | Seite 62 |
Vor dem KollapsWie eine fehlgeleitete Kulturpolitik die freie Szene in Wien gefährdetvon Claudia Bosse | |
Look Out | |
Gegen die FremdheitDer syrische Regisseur und Autor Anis Hamdoun spielt frech mit den Klischees und Abgründen der Willkommenskulturvon Anne Reinert | Seite 64 |
Träume in der FolterkammerDer Luzerner Regisseur Damiàn Dlaboha und sein Kollektiv Fetter Vetter & Oma Hommagevon Elisabeth Maier | Seite 65 |
Stück | |
Lügen gehören für mich beim Schreiben zum täglichen BrotDer US-amerikanische Autor Neil LaBute und Thomas Spieckermann, Leiter des TAK Theater Liechtenstein, über das Stück „Das vierte Reich“ im Gespräch mit Bodo Blitzvon Bodo Blitz, Neil LaBute und Thomas Spieckermann | Seite 74 |
Das vierte ReichDeutsch von Kerstin Daibervon Neil LaBute | Seite 76 |
Magazin | |
Das Ich ist die FreiheitDie Schillertage am Nationaltheater Mannheim umkreisen die Autonomie des Individuumsvon Björn Hayer | Seite 87 |
Wirr klatscht das VolkDer Meister und der Mob – Barrie Koskys „Meistersinger von Nürnberg“ bei den Bayreuther Festspielenvon Dorte Lena Eilers | Seite 88 |
Privates Schreiben in Zeiten überschäumender PolitikKämpfen, wo man kämpfen kann – das Dramatiker|innenfestival in Grazvon Clara Gallistl | Seite 89 |
Kein Tanz, kein ParadiesDas International Performing Arts Festival Sommerszene in Salzburg bildet einen kleinen, aber feinen Kontrapunkt zu den Festspielen der Stadtvon Anja Nioduschewskizum Online-Extra: Kein Tanz, kein Paradies | Seite 90 |
Gut getarnt ist halb verratenSchlingensiefiaden und Performer im Vierfüßlergang – das Theaterfestival Auawirleben in Bernvon Maximilian Pahl | Seite 91 |
Mall of ShameDas Internationale Theaterfestival in Sibiu feiert die zehnjährige EU-Mitgliedschaft Rumäniens und kritisiert zugleich das wirtschaftliche Ausbeutungsverhältnis zwischen West- und Osteuropavon Dorte Lena Eilers | Seite 92 |
Reisebüro Rinck: Kritik der Motorkraftvon Monika Rinck | Seite 93 |
Auf TuchfühlungDas 34. Festival de Almada in Lissabon rückt nicht nur dem Zuschauer auf den Pelz, sondern auch der Kolonialgeschichte des eigenen Landesvon Theresa Schütz | Seite 94 |
Dada MandelaZwölf Tage Kapstadt – Eindrücke vom 19. Weltkongress der ASSITEJvon Anna Scherer | Seite 95 |
Laut und starkDie zweite bundesweite Ensemble-Versammlung in Potsdam sucht nach einem konstruktiven Miteinander im Kampf um bessere Arbeitsbedingungenvon Harald Wolff | Seite 96 |
Ich und die WirklichkeitDas Treffen deutschsprachiger Schauspielstudierender in Stuttgartvon Jakob Hayner | Seite 97 |
Die Zeit als KugelDas Bewegtbildtheater von Martina Roth und Johannes Conen ist eine faszinierende Hybride aus Videospiel und Schauspielvon Tom Mustroph | Seite 98 |
Der Mann, den sie Juller nanntenDas Theater der Jungen Welt Leipzig geht mit einem Stück über den jüdischen Fußballer Julius Hirsch auf Tournee durch Bundesligastädtevon Thomas Irmer | Seite 99 |
Der weiße WalDie Seebühne Hiddensee feiert mit einer Ein-Mann-Theaterversion von „Moby Dick“ ihr zwanzigjähriges Bestehenvon Markus Metke | Seite 100 |
Ein Fels des TheatersDem ehemaligen Intendanten Klaus Pierwoß zum 75. Geburtstagvon Johann Kresnik | Seite 101 |
Schöpfer imaginärer SeelenlandschaftenDem Regisseur Friedo Solter zum 85. Geburtstagvon Gunnar Decker | Seite 102 |
True SamZum Tod des großen US-amerikanischen Dramatikers, Schauspielers und Musikers Sam Shepardvon Thomas Irmer | Seite 103 |
Sinfonie des UnbehagensOlaf Nicolai: In the Woods There Is A Bird …, Koenig Books, London 2017, Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln 2017, LP (31 Min.) & Leporello (12 S.), 50 EUR.von Thomas Irmer | Seite 104 |
Mein Südtirol, dein SyrienMaxi Obexer: Europas längster Sommer. Verbrecher Verlag, Berlin 2017, 112 S., 19 EUR.von Tom Mustroph | Seite 104 |
Ein Manifest für den AktivbürgerHarald Welzer: Wir sind die Mehrheit. Für eine Offene Gesellschaft. Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 2017, 128 S., 8 EUR.von Chris Weinhold | Seite 105 |
TdZ on Tour | Seite 112 |
Aktuell | |
Meldungen | Seite 114 |
TdZ on Tour | Seite 115 |
PremierenSeptember 2017 | Seite 116 |
Impressum/Vorschau | Seite 119 |
Autoren September 2017 / Vorschau | |
Gespräch | Seite 120 |
Was macht das Theater, Katrin Brack?von Ute Müller-Tischler und Katrin Brack |
Margarete Affenzeller
Bernadette Binner
Bodo Blitz
Claudia Bosse
Katrin Brack
Gunnar Decker
Friedrich Dieckmann
Dorte Lena Eilers
Fritz Engel
Natalie Fingerhut
Clara Gallistl
Björn Hayer
Jakob Hayner
Thomas Irmer
Johann Kresnik
Michael Krüger
Martin Krumbholz
Neil LaBute
Peter Laudenbach
Laura Linnenbaum
Elisabeth Maier
Doris Meierhenrich
Markus Metke
Ute Müller-Tischler
Tom Mustroph
Anja Nioduschewski
Maximilian Pahl
Anne Reinert
Monika Rinck
Kathrin Röggla
Sasha Marianna Salzmann
Anna Scherer
Theresa Schütz
Thomas Spieckermann
Susanne Thelemann
Gero Troike
Lothar Trolle
Annemie Vanackere
Andres Veiel
Hasko Weber
Chris Weinhold
Harald Wolff
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Thema | Seite 21 |
Gegen die allgemeine ErmüdungDie Demokratie und das Theater brauchen den Mut zur Kontroverse – Hasko Weber, Intendant des Deutschen Nationaltheaters Weimar, im Gespräch mit Dorte Lena Eilers und Jakob Haynervon Dorte Lena Eilers, Hasko Weber und Jakob Haynerzum Online-Extra: Gegen die allgemeine Ermüdung | |
Magazin | Seite 90 |
Kein Tanz, kein ParadiesDas International Performing Arts Festival Sommerszene in Salzburg bildet einen kleinen, aber feinen Kontrapunkt zu den Festspielen der Stadtvon Anja Nioduschewskizum Online-Extra: Kein Tanz, kein Paradies |
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