Heft 01/2018
Theater ist kein Wettrennen
Barbara Frey am Schauspielhaus Zürich
Broschur mit 96 Seiten, Format: 215 x 285 mm
ISSN 0040-5418
„Theater ist kein Wettrennen“, sagt Barbara Frey. Die Intendantin des Schauspielhauses Zürich plädiert für Treue und Beständigkeit im Theater. Im Gespräch mit ihrem Chefdramaturgen Andreas Karlaganis und Barbara Villiger Heilig erzählt sie zudem, wie sie 2009 ihre Rückkehr aus Berlin in die Schweiz erlebte – und fragt sich, woher die spezifische Kälte von Zürich kommt. Der Blick über den See auf das Alpenpanorama stelle bei mancher Befremdung aber auch eine Inspiration dar, so Frey. Das Theater in der Schweiz beschäftigt uns in der ersten Ausgabe des Jahres 2018. Neben dem Schauspielhaus blicken wir dabei auf das Theater Neumarkt in Zürich, das in der Intendanz von Ralf Fiedler und Peter Kastenmüller immer wieder für Aufsehen sorgt – etwa mit der performativen Verfluchung des Rechtspopulisten Roger Köppel, einer Aktion des Zentrums für Politische Schönheit unter dem Titel „Schweiz entköppeln!“. Was sich seither am Neumarkt getan hat und wie das Theater immer wieder neu auf politische Veränderungen reagiert, berichtet Maximilian Pahl. In Basel hat Andreas Beck das Theater zu neuen Höhen geführt. Nun hat er seinen Abschied angekündigt, ab 2019 wird er die Leitung des Münchner Residenztheaters innehaben. Das Basler Publikum wird den Theaterzauberer Beck vermissen, weiß Dominique Spirgi. Und auch Carena Schlewitt von der Kaserne Basel wird die Stadt verlassen. Aus dem Stück Labor für neue Schweizer Dramatik kommen die zwei Texte im Stückabdruck, „Island“ von Gornaya und „Das Recht des Stärkeren“ von Dominik Busch. Während Gornaya über die Degeneration von Sprache schreibt, geht es bei Busch um die Verstrickungen eines Schweizer Konzerns in Kolumbien – mit blutigen Konsequenzen. Dass die Krisen an der Peripherie auch in die scheinbar prosperierenden und ruhigen Gegenden drängen, konnte man in Baden bei den Festivals Griechischer Herbst und Zukunft Europa sehen, von denen Elisabeth Feller berichtet. Theater in der Schweiz bedeutet eben auch Auseinandersetzung mit der Welt jenseits der vielleicht trügerischen Ruhe der Berge.
Frank Castorf ist seit dieser Spielzeit nicht mehr Intendant der Berliner Volksbühne. Am Berliner Ensemble hat er „Les Misérables“ nach Victor Hugo inszeniert. Mit Peter Laudenbach spricht er über Hugo, die Revolution in Kuba – und seinen Nachfolger Chris Dercon. „Jeder weiß, dass der Typ nackt ist“, sagt Castorf über die Fehlbesetzung der Leitung des Theaters am Rosa-Luxemburg-Platz, die ihn an des Kaisers neue Kleider erinnert. Thomas Irmer hat begutachtet, was nach zwei Jahren Vorbereitungszeit und vier Monaten Programm von Dercons Volksbühne zu halten ist. Was kommt nach Dercon?, fragt er in seinem Kommentar. Denn dass weder Dercon noch seine Programmdirektorin Piekenbrock, weder der Regierende Bürgermeister von Berlin Michael Müller noch der ehemalige Kulturstaatssekretär Tim Renner je den Weiterbetrieb der Volksbühne als Ensemble- und Repertoiretheater vorgesehen hatten, wird inzwischen sogar von den Beteiligten zugegeben, nachdem man es lange genug zu leugnen versucht hat. Unter Dercon könne man die „vollständige Auslöschung von historischem Bewusstsein im Theater“ sehen, so Irmer. Nur, wer will das sehen? Dass es auch Intendantenwechsel gibt, die weniger spektakulär, dafür aber umso reibungsloser verlaufen, weiß Gunnar Decker vom Staatstheater Braunschweig zu berichten. Dort wagt die aus Saarbrücken gekommene Dagmar Schlingmann einen Aufbruch ins Offene, der viel verspricht. Und am Theater Oberhausen will Florian Fiedler neue kollektive Strukturen etablieren. Die Erhöhung der Einstiegsgage und die Gleichbezahlung von Männern und Frauen sind dabei die ersten Schritte. Wer aber im Vorderhaus die Chefin ist und bleibt, schildert Ralph Hammerthaler in seiner Kolumne. Im Künstlerinsert porträtiert Tom Mustroph den Raumbildner Dominic Huber, der unter anderem für Rimini Protokoll Bühnenräume ganz eigener Art schafft – zwischen Lenkung von Besucherströmen und neuen Perspektiven für den Einzelnen.
Die Redaktion wünscht allen Leserinnen und Lesern nicht nur ein gutes neues Jahr, sondern wie immer eine gute Lektüre. Was sich im Jahr 2018 verändert: Das Einzelheft von Theater der Zeit kostet jetzt statt 8 Euro 8,50 Euro, der Preis für ein Abonnement erhöht sich auf 85 Euro. Dass Sie uns trotzdem gewogen bleiben, hofft:
Die Redaktion
Artikel | Seite |
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Artikel | Seite |
Künstlerinsert | |
Bühnenräumevon Dominic Huber | Seite 4 |
Raumbildner der vierten DimensionDominic Hubers begehbare Bühnen sind komplexe Gebilde, in denen hinter jeder Tür eine neue Begegnung auf den Zuschauer wartetvon Tom Mustroph | Seite 8 |
Thema | |
Theater ist kein WettrennenBarbara Frey, Intendantin am Schauspielhaus Zürich, und ihr Chefdramaturg Andreas Karlaganis im Gespräch mit Barbara Villiger Heiligvon Barbara Frey, Andreas Karlaganis und Barbara Villiger Heilig | Seite 11 |
Die Tugend liegt im WechselAndreas Beck verführte das Basler Publikum mit einem literarischen Theater, jetzt hat er seinen Abschied angekündigt – und auch Carena Schlewitt von der Kaserne Basel wird die Stadt verlassenvon Dominique Spirgi | Seite 14 |
Politik und IronieAm Zürcher Theater Neumarkt haben Peter Kastenmüller und Ralf Fiedler erfolgreich einen dritten Weg gefunden – zwischen Sprechtheater und Aktionskunst sowie Establishment und freier Szenevon Maximilian Pahl | Seite 18 |
Krise und KreativitätIm Aargauer Baden wird der Blick vom Ursprung zur Zukunft der europäischen Idee gewagt – Die Festivals Griechischer Herbst und Zukunft Europavon Elisabeth Feller | Seite 20 |
Protagonisten | Seite 22 |
Des Kaisers neue KleiderFrank Castorf über seine Romanadaption von Victor Hugos „Les Misérables“ am Berliner Ensemble und den Abschied von der Volksbühne im Gespräch mit Peter Laudenbachvon Frank Castorf und Peter Laudenbach | |
Kommentar | Seite 27 |
Was kommt nach Dercon?Zur Situation an der Berliner Volksbühnevon Thomas Irmer | |
Protagonisten | |
Zeiten des ÜbergangsAm Staatstheater Braunschweig gelingt der neuen Intendantin Dagmar Schlingmann ein vielversprechender Auftaktvon Gunnar Decker | Seite 28 |
Der Traum vom großen WirUnter dem neuen Intendanten Florian Fiedler baut das Theater Oberhausen auf kollektive Strukturen – und setzt auf Dialogvon Sascha Westpahl | Seite 32 |
Kolumne | Seite 35 |
Die Vorderhaus-ChefinWer im Theater Oberhausen über das Drumherum regiertvon Ralph Hammerthaler | |
Auftritt | |
Berlin: Im Nebel der GeschichteBerliner Ensemble: „Les Misérables“ nach Victor Hugo. Regie Frank Castorf, Bühne Aleksandar Denic, Kostüme Adriana Braga Peretzkivon Jakob Hayner | Seite 39 |
Berlin: Requiem auf ein verblassendes DaseinSophiensäle: „Outland“ (UA) von Anne Habermehl. Regie Anne Habermehl, Bühne Christoph Rufer, Kostüme Bettina Wernervon Patrick Wildermann | Seite 39 |
Bruchsal: Der dunkle Fluss des ErinnernsBadische Landesbühne: „Es wird schon nicht so schlimm!“ (UA) von Hans Schweikart. Regie Carsten Ramm, Bühne Tilo Schwarz, Kostüme Kerstin Oelkervon Elisabeth Maier | Seite 40 |
Cottbus: Schwarze Katze, weiße ZiegenStaatstheater Cottbus: „Onkel Wanja“ von Anton Tschechow. Regie Jo Fabian, Ausstattung Pascale Arndtzvon Theresa Schütz | Seite 42 |
Hamburg: Unter BlindenDeutsches Schauspielhaus: „Am Königsweg“ (UA) von Elfriede Jelinek Regie Falk Richter Bühne Katrin Hoffmann Kostüme Andy Besuchvon Jakob Hayner | Seite 43 |
Jena: Totale HarmonieTheaterhaus Jena: „Wird schon werden“ (UA) von Dmitrij Gawrisch. Regie Moritz Schönecker, Ausstattung Veronika Bleffert und Benjamin Schöneckervon Lilli Helmbold | Seite 44 |
Mülheim an der Ruhr: Der Könich und das heilige EiTheater an der Ruhr: „König Ubu # Am Königsweg“ von Alfred Jarry und Elfriede Jelinek. Regie Philipp Preuss, Ausstattung Ramallah Aubrechtvon Martin Krumbholz | Seite 45 |
Rostock: Komm großer WindVolkstheater Rostock: „Einige Nachrichten an das All“ von Wolfram Lotz. Regie Christoph Bornmüller, Ausstattung Franziska Justvon Gunnar Decker | Seite 46 |
St. Pölten: Die Scheinheiligkeit des GutmenschentumsLandestheater Niederösterreich: „Erleichterung“ (UA) von Árpád Schilling und Éva Zabezsinszkij. Regie und visuelles Konzept Árpád Schillingvon Margarete Affenzeller | Seite 47 |
Weimar: Zeit der HyänenDeutsches Nationaltheater: „Unterleuten“ (UA) von Juli Zeh in einer Bühnenfassung von Jenke Nordalm und Beate Seidel. Regie Jenke Nordalm, Bühne Katrin Busching, Kostüme Vesna Hiltmannvon Jakob Hayner | Seite 48 |
Stück | |
Die Behauptung einer RegierungDie Schweizer Autorin Gornaya über ihr Stück „Island. Als Freunde sind wir erbarmungslos“ im Gespräch mit Elisabeth Maiervon Elisabeth Maier und , Gornaya | Seite 51 |
Island. Als Freunde sind wir erbarmungslosEine Farce für drei ältere Schauspieler, eine ältere Schauspielerin und einen Sprechervon , Gornaya | Seite 52 |
Die SchuldfrageDer Schweizer Autor Dominik Busch über sein Stück „Das Recht des Stärkeren“ im Gespräch mit Elisabeth Maiervon Elisabeth Maier und Dominik Busch | Seite 62 |
Das Recht des Stärkerenvon Dominik Busch | Seite 63 |
Magazin | |
Ein Ort der Sehnsucht – nur nicht nach ZukunftMit der Rekonstruktion des Appia-Raumes von 1912 spürt das Festspielhaus Hellerau in Dresden seiner Gründerzeit nachvon Michael Bartsch | Seite 83 |
Denn wir wissen nicht, was sie tunDas Spielart-Festival in München war gespickt mit Diskursen der Selbstverortung und hatte vor allem in seinem Südafrika-Schwerpunkt ein Vermittlungsproblemvon Sabine Leucht | Seite 84 |
Reisebüro Rinck: Prinzeninsel vor Moloch-Tapetevon Monika Rinck | Seite 85 |
Die verknallte DameDas Festival No Limits in Berlin stellt die künstlerische Autonomie von behinderten Performern in den Mittelpunktvon Patrick Wildermann | Seite 86 |
Ein Stoiker im ChaosZum Tod des Schauspielers Hans-Michael Rehbergvon Thomas Irmer | Seite 87 |
Mensch, BelloNachruf auf den Schauspieler Dieter Bellmannvon Ralph Oehme | Seite 87 |
Der Mensch als Übergang und UntergangLaibach: Also sprach Zarathustra. Mute Records, CD (53:10 min)von Erik Zielke | Seite 88 |
Wegmarken des DenkensFreddie Rokem: TheaterDenken. Begegnungen und Konstellationen zwischen Philosophen und Theatermachern. Neofelis Verlag, Berlin 2017, 287 S., 26 EUR.von Bernhard Siebert | Seite 89 |
Wo sind meine Dialoge?Kai Bremer: Postskriptum Peter Szondi. Theorie des Dramas seit 1956. transcript Verlag, Bielefeld 2017, 302 S., 39,99 EUR.von Vincent Sauer | Seite 89 |
Aktuell | |
Meldungen | Seite 90 |
Premieren / Januar 2018 | Seite 92 |
TdZ on Tour | Seite 94 |
TdZ on Tour | |
Impressum/Vorschau | Seite 95 |
Autoren Januar 2018/Vorschau | |
Gespräch | Seite 96 |
Was macht das Theater, Dietrich Brüggemann?von Gunnar Decker und Dietrich Brüggemann |
Margarete Affenzeller
Michael Bartsch
Dietrich Brüggemann
Dominik Busch
Frank Castorf
Gunnar Decker
Elisabeth Feller
Barbara Frey
, Gornaya
Ralph Hammerthaler
Jakob Hayner
Lilli Helmbold
Dominic Huber
Thomas Irmer
Andreas Karlaganis
Martin Krumbholz
Peter Laudenbach
Sabine Leucht
Elisabeth Maier
Tom Mustroph
Ralph Oehme
Maximilian Pahl
Monika Rinck
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