Heft 11/2018
Haus Rotes Wunder
Die neue Potsdamer Intendantin Bettina Jahnke
Broschur mit 84 Seiten, Format: 215 x 285 mm
ISSN 0040-5418
Welches Theater braucht eine Stadt wie Potsdam, die in Nachbarschaft zum übervollen und alles abdeckenden Theaterdschungel Berlin gelegen ist? Bettina Jahnke, die neue Intendantin des Hans Otto Theaters Potsdam, hat da reichlich Ideen. Sie selbst ist eine in den Osten Zurückgekehrte. Nach ihrer zehnjährigen Intendanz am Rheinischen Landestheater Neuss stellt sich die gebürtige Wismarerin lustvoll den Herausforderungen eines neuen Hauses, von dem sie fordert, stets Haltung zu zeigen. Was sich hinter dem gleichnamigen Spielzeitmotto verbirgt und wie sich der Neustart mit seinen drei Eröffnungspremieren entfaltete, berichtet Gunnar Decker.
Auch am Nationaltheater Mannheim fand jüngst ein spannender Personalwechsel statt: Von Ost nach West zog es den ehemaligen Intendanten des Kunstfests Weimar Christian Holtzhauer. Sein Theater soll „ein Versuchslabor für die Bundesrepublik“ werden. Die deutsch-deutsche Geschichte, aber auch zeitgenössische Stoffe und eine Vielzahl an Perspektiven sind dabei die Leitmotive zukünftiger Spielpläne. Zu Holtzhauers Einstand gab es die Uraufführung von Lukas Bärfuss’ „Der Elefantengeist“ – eine irrlichternde Abrechnung mit der Ära Helmut Kohl. Otto Paul Burkhardt war bei der Premiere dabei, Elisabeth Maier sprach mit Christian Holtzhauer über bewährte Traditionen und neue Ideen.
Mit dem Namen Kohl nahtlos verbunden ist auch der Prozess der Wiedervereinigung, vor allem der fadenscheinige Begriff der „blühenden Landschaften“. In Leipzig trafen sich der Soziologe Wolfgang Engler und die Kulturbürgermeisterin von Leipzig, Skadi Jennicke, um über Nachwendeerfahrungen und den steigenden Rechtsdruck in Sachsen zu diskutieren. „Vieles von dem“, sagt Jennicke, „was in Sachsen geschieht, weist über Sachsen hinaus, hängt damit zusammen, dass sich sehr viele Menschen offenbar über Jahre hinweg nicht hinreichend wahrgenommen gefühlt haben in ihrem Impuls, ihr Leben selbstbestimmt in die Hand zu nehmen.“ Kultur und Kunst könnten da die Dialog- und Wandlungsfähigkeit der Gesellschaft befördern und positive Erfahrungen mit Veränderung ermöglichen. Leipzig ist in dieser Hinsicht bereits Vorbild. Hier gedeiht eine herrlich motzige und rebellische freie Theaterlandschaft, in der sich zahlreiche Protagonisten einer Anpassung an verstaubte Theatertraditionen erwehren – so wie das Theater der Jungen Welt, das Paula Perschke besucht hat.
Die großen, widersprüchlichen und bei Weitem nicht immer sympathischen Männer der Weltgeschichte stehen ebenfalls in unserem Stückabdruck im Mittelpunkt. Anlässlich des 70. Geburtstags von Thomas Thieme am 29. Oktober baten wir ursprünglich den Autor und Regisseur Falk Richter um ein Gespräch mit dem ehemaligen Star der Berliner Schaubühne. Herausgekommen ist ein furioser Schlagabtausch über Geschichte, Politik und Schauspielkunst, den wir unter dem Titel „Wahrscheinlich wollte ich Marlon Brando werden“ als Stück veröffentlichen. „Falk Richter: Machen wir mal eine Liste der interessanten lebenden Figuren, die für dich infrage kämen, zu spielen. Harvey Weinstein? – Thomas Thieme: Nein. Aber typmäßig das richtige Angebot. – Richter: Donald Trump? – Thieme: Nein. Vom Typ falsch. – Richter: Steve Bannon? – Thieme: Ja. Sehr interessant. Schlau und schmierig. Ganz mein Fall.“
Ebenfalls ein Jubilar ist in diesem Monat der Filmregisseur und Autor Herbert Achternbusch. Die Regisseurin Pınar Karabulut, die im vergangenen Jahr Achternbuschs Stück „Dogtown Munich“ zur Uraufführung brachte, gratuliert ihm zu seinem 80. Geburtstag am 23. November mit einer liebevollen Hommage.
Auf neuen Wegen befindet sich derweil die Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“. Nach vielen Jahren der Auseinandersetzung um einen dringend nötigen und sehnlich erwarteten Neubau kann nun endlich asbestfrei durchgeatmet werden. Am 26. Oktober öffnete die Schule ihre Pforten am neuen Standort in Berlin-Mitte. Wir haben vorab schon mal ein paar Eindrücke vom minimalistischen Design des imposanten Gebäudes eingefangen, bevor die Studierenden aller Abteilungen das neue Gebäude stürmen und dem edlen Grau die letzten und doch entscheidenden Farbtupfer verleihen. //
Die Redaktion
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Künstlerinsert | |
Fertig!Nach jahrelangen Auseinandersetzungen öffnet die Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ nun endlich ihre Pforten am neuen Standort in Berlin-Mittevon Paula Perschke | Seite 4 |
Die neuen Räume der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ in Berlin-Mitte | Seite 6 |
Neustarts | |
Utopien im AbendlichtBettina Jahnke, die neue Intendantin des Hans Otto Theaters Potsdam, stellt sich lustvoll dem ambivalenten Erbe der Stadtvon Gunnar Decker | Seite 11 |
In den Trümmern einer primitiven KulturNeustart am Nationaltheater Mannheim – Intendant Christian Holtzhauer stellt mit Schiller und Bärfuss deutsche Mythen auf den Prüfstandvon Otto Paul Burkhardt | Seite 14 |
Ein Versuchslabor für die BundesrepublikDer Mannheimer Schauspielintendant Christian Holtzhauer im Gespräch mit Elisabeth Maiervon Christian Holtzhauer und Elisabeth Maier | Seite 17 |
Kolumne | Seite 19 |
Ein Jegleiches hat seine Zeitvon Josef Bierbichler | |
Protagonisten | |
Ihr seid die Stadt!Leipzigs Kulturdezernentin Skadi Jennicke über den Druck von rechts und die Chancen einer Kultur, die alle anspricht, im Gespräch mit Wolfgang Englervon Wolfgang Engler und Skadi Jennicke | Seite 20 |
Meckern und MotzenDas Theater der Jungen Welt in Leipzig bietet ein rebellisches Programm und hält auch sonst nicht viel von Anpassungvon Paula Perschke | Seite 26 |
Die geschenkte MauerNachtrag zum Khrzhanovsky-Projektvon Friedrich Dieckmann | Seite 28 |
Aber uff uns hört ja keener!Oder doch? Die Rixdorfer Perlen erörtern in ihrer Stammkneipe Zum Feuchten Eck in Berlin-Neukölln begnadet komisch und anarchisch den Lauf der Weltvon Renate Klett | Seite 30 |
MassenpanikFür einen, der im Hässlichen die Schönheit erkennt – Zum 80. Geburtstag von Herbert Achternbuschvon Pinar Karabulut | Seite 32 |
Look Out | |
Energie und UnruheDer Dresdner Schauspieler Moritz Kienemann bannt in seinem Ausdruck die Essenz einer Inszenierungvon Johanna Lemke | Seite 34 |
Seltsame MenschenDie Münchner Schauspielerin Mathilde Bundschuh besetzt auf schlichte Weise das Zentrum jeder Bühnevon Sabine Leucht | Seite 35 |
Auftritt | |
Berlin: Mord und MusikSophiensaele: „Kosa La Vita – Kriegsverbrechen“ von Flinn Works und Quartett Plus 1. Regie Sophia Stepf, Komposition Matthias Schubert, Kostüme Tatjana Kautschvon Tom Mustroph | Seite 39 |
Chur Abendland, ade!Theater Chur: „Das Camp der Zukunft“ der Digitalbühne Zürichvon Maximilian Pahl | Seite 40 |
Freiburg: Hinter rosaroten MauernTheater Freiburg: „Wir sind die Guten (Shoot / Get Treasure / Repeat)“ von Mark Ravenhill. Regie Bojana Lazić, Bühne Zorana Petrov, Kostüme Gertrud Rindler-Schantlvon Bodo Blitz | Seite 41 |
Halle / Saale: Frühlings Erwachen im 24. StockNeues Theater Halle: „Nackt über Berlin“ (UA) nach dem Roman von Axel Ranisch. Regie Henriette Hörnigk, Bühne Sebastian Hannak, Kostüme Angela Baumgartvon Jakob Hayner | Seite 42 |
Köln: Alles verebbtSchauspiel Köln: „Tyll“ (UA) nach dem Roman von Daniel Kehlmann von Julian Pörksen u. Stefan Bachmann. Regie Stefan Bachmann, Bühne Olaf Altmann, Kostüme Jana Findeklee u. Joki Tewesvon Sascha Westphal | Seite 43 |
Leipzig: Gefangen in der ReflexionSchauspiel Leipzig: „Faust“ von Johann Wolfgang von Goethe. Regie Enrico Lübbe, Bühne Etienne Pluss, Kostüme Sabine Blickenstorfervon Jakob Hayner | Seite 44 |
Luzern: Die Klänge der TrauerLuzerner Theater: „Kindertotenlieder“ von Gustav Mahler und Matthew Herbert. Regie Benedikt von Peter, Bühne Márton Ághvon Simone von Büren | Seite 46 |
Mülheim an der Ruhr: Othello auf der CouchTheater an der Ruhr: „Othello“ von William Shakespeare. Regie Roberto Ciulli, Bühne Gralf-Edzard Habben, Kostüme Elisabeth Straußvon Friederike Felbeck | Seite 47 |
Senftenberg: Humor und HavarieNeue Bühne Senftenberg: „Der Sturm“ v. William Shakespeare mit einem Prolog v. F. Düwel u. einem Epilog v. J. Mixsa. Regie F. Düwel, M. Soubeyrand u. J. Mixsa, Ausstattung B. Fumian u. A. Walkowsvon Johanna Lemke | Seite 48 |
St. Gallen: Manie und DepressionTheater St. Gallen: „Versetzung“ von Thomas Melle. Regie Jonas Knecht, Ausstattung Markus Karnervon Harald Müller | Seite 49 |
Stück | Seite 51 |
Wahrscheinlich wollte ich Marlon Brando werdenEin Gespräch zwischen Thomas Thieme und Falk Richtervon Falk Richter und Thomas Thieme | |
Magazin | |
Ästhetik des VagenDas Favoriten Festival 2018 in Dortmund bietet eine klare Absage an die Mechanismen des Marktes und setzt auf ein Theater der Verunsicherungvon Sascha Westphal | Seite 61 |
Sedimente aus dem Sound der StadtDas BAM! – Berliner Festival für aktuelles Musiktheater zeigt zum ersten Mal einen Überblick über die florierende freie Szene jenseits der großen Opernhäuservon Patrick Wildermann | Seite 62 |
Geschichten vom Herrn H.: NSU – und kein Endevon Jakob Hayner | Seite 63 |
Sein oder HologrammseinAuf der diesjährigen Ars Electronica in Linz werden neue Tools für ein Theater der Zukunft vorgestelltvon Tom Mustroph | Seite 64 |
Text und RaumDie Performance-Reihe „the dead are losing or how to ruin an exhibition“ entdeckt mit der Ruine der Franziskaner Klosterkirche in Berlin einen bislang wenig bespielten Ortvon Henrike Kohpeiß | Seite 65 |
Meditation mit SensorenDas Projekt „Eadweard’s Ear“ von Penelope Wehrli in der Akademie der Künste Berlin ist ein akustisch-anatomisch-performatives Wahrnehmungsexperimentvon Tom Mustroph | Seite 66 |
Knallbunte OperetteJoachim A. Langs „Mackie Messer. Brechts Dreigroschenfilm“ wirkt trotz Starbesetzung wie aufgeblasener Filmindustriekitschvon Gunnar Decker | Seite 68 |
Alte Strukturen und frischer WindAlte Strukturen und frischer Wind Der Showcase Belarus Open in Minsk zeigt, dass das Land zwischen Litauen und der Ukraine auch auf der Bühne einige Entdeckungen zu bieten hatvon Thomas Irmer | Seite 69 |
Eine Stimme, durch die Literatur erklingtZum Tod des Burgtheater-Schauspielers Ignaz Kirchnervon Margarete Affenzeller | Seite 70 |
Zwischen den ZeilenIn Gedenken an den Schriftsteller, Übersetzer und Dramatiker Werner Buhssvon Thomas Irmer | Seite 71 |
Aus dem Bauch herausEin Nachruf auf den Puppenspieler Dieter Brunnervon Wolfgang Schneider | Seite 71 |
Zukunft und Gegenwart der ostdeutschen VergangenheitWolfgang Engler, Jana Hensel: Wer wir sind. Die Erfahrung, ostdeutsch zu sein. Aufbau Verlag, Berlin 2018, 288 Seiten, 20 EUR.von Luise Meier | Seite 72 |
Arbeit der PoesieRonald Weber: Peter Hacks. Leben und Werk. Eulenspiegel Verlag, Berlin 2018, 608 Seiten, 39 EUR.von Jakob Hayner | Seite 73 |
Brechts RechtLaxheit in Fragen geistigen Eigentums. Brecht und Urheberrecht. Hg. von Annett Gröschner und Christian Hippe, Verbrecher Verlag, Berlin 2018, 232 Seiten, 24 EUR.von Erik Zielke | Seite 73 |
Aktuell | |
Meldungen | Seite 74 |
Premieren: November 2018 | Seite 76 |
TdZ on Tour | Seite 78 |
Impressum/Vorschau | Seite 79 |
Autoren November 2018 / Vorschau | |
Gespräch | Seite 80 |
Was macht das Theater, Daniel Kehlmann?von Daniel Kehlmann und Erik Zielke |
Margarete Affenzeller
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