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Bye one – leave one free!
Ein epochaler Bruch: Olaf Nicolais Plakatkampagne für die Berliner Schaubühne
Der Titel dieser neuen Imagekampagne der Berliner Schaubühne lässt schon aufhorchen. „Nothing for Nothing / Try Again“ hat der Konzeptkünstler Olaf Nicolai sie genannt. Nichts für nichts / Versuch’s noch mal? Das klingt nach nihilistischem Grundrauschen, nach einem Sisyphos-gemäßen Wissen um die Vergeblichkeit aller Neustart-Bemühungen. Eher untypisch für die Selbstwahrnehmung von Thomas Ostermeiers Theater, so weit man weiß.
![Foto Silke Briel](https://assets.theaterderzeit.de/img/Content/39042/Praesentation_Silke-Brief_Innen_3_thumb.jpg)
Möglich natürlich, dass die Shakespeare-affine Bühne unter dem Eindruck der pandemischen Erschütterungen der Gegenwart zum wahren Kern ihres britischen Lieblingsdramatikers gedrungen ist. Vom Literaturprofessor Harald Bloom stammt die Analyse: „Alle großen Figuren – Falstaff, Hamlet, Shylock, Macbeth, King Lear, Kleopatra – waren Nihilisten. Sie alle glauben, wie Hamlet: ‚Der Rest ist Schweigen‘ – das bedeutet die Annihilation, das Nichts.“
Dazu würde der Umstand passen, dass Nicolai – ein hochpolitischer, Documenta-bewährter Künstler, der NS-Justiz-Opfern und Deserteuren Denkmäler setzt – ausgerechnet von den Plakaten radiert hat, was dem Theater bis dato besonders lieb und teuer war: die Schauspielerinnen und Schauspieler. Statt Menschen bietet Nicolai nur bunte grafische Flächen an. Blaue Pfeile auf gelbem Grund, Linien, die auf einen Fluchtpunkt in unendlicher Ferne zulaufen, rot-weiße Absperrband-Optik zu blauer Kästchenreihe. Ein epochaler Bruch.