Heft 12/2021
Kleiner Mann, was nun?
Geschlechterbilder im Theater – Ein Jahresrückblick
Broschur mit 80 Seiten, Format: 215 x 285 mm
ISSN 0040-5418
„We’ll meet again, don’t know where, don’t know when …“ Wäre dies der Abspann eines Films, könnte man sich einen der vielen symbolträchtigen Songs hinzu imaginieren, wie etwa jenen von Johnny Cash, der vor dem inneren Auge noch einmal Revue passieren lässt, was in den Episoden zuvor geschah. Ein schwieriges Jahr geht zu Ende, in dem nicht nur die Corona-Pandemie sich ein weiteres Mal aufzubäumen scheint, sondern auch die CDU nach 16 Jahren frauengeführter Regierung ein Kandidatenteam für den Parteivorsitz aufstellt, das eine Frauenquote von null Komma null Prozent aufweist. Der große Backlash?
Wir haben den anstehenden Jahreswechsel zum Anlass genommen, auch redaktionell noch einmal zurückzuschauen. Im Januar 2021 blickten wir unter dem Motto „Feminismus, Theater, Performance“ auf Geschlechterbilder auf der Bühne. Wir, die wir im Kanon der Kunstzeitschriften (Theater heute, tanz, Opernwelt, Die Deutsche Bühne) die einzige rein weiblich besetzte Redaktion bildeten (inklusive Chefredaktion), fühlten uns dazu besonders berufen. Was wir entdeckten, war ein großer Wille, durch dramatisches Gretchen-, Ophelien- und Iphigenien-Empowerment die Geschlechterverhältnisse auf der Bühne in Bewegung zu bringen. Große Heldinnen, kleine Helden. Aber trägt dieses Konzept wirklich zu einem spannenderen, komplexeren Theater bei?
Das haben wir uns in unserem Jahresrückblick 2021 gefragt, bei dem wir uns von der amerikanischen Comedy-Autorin Nicole Tersigni inspirieren ließen, die auf ihrem Twitter-Account etwas ganz Ähnliches macht wie Regisseurinnen und Regisseure auf der Bühne: Sie nimmt jahrhundertealte kanonische Werke – in diesem Fall aus der bildenden Kunst – und klopft sie luzide auf ihren Gegenwartsgehalt ab, in diesem Fall auf die Darstellung des sogenannten Mansplaining: Männer, die Frauen ständig die Welt erklären wollen. Angelehnt an den Titel ihres in diesem Jahr auch auf Deutsch erschienenen Buches „Men to Avoid in Art and Life“ („Männer, denen du besser aus dem Weg gehst“), aus dem wir Auszüge in unserem Kunstinsert präsentieren, küren wir in unserem Jahresrückblick nicht nur den Bühnenhelden und die Bühnenheldin to avoid, sondern auch unseren persönlichen Mansplaining-Coverboy 2021, um, verweisend auf ein weiteres kanonisches Werk, perspektivisch für 2022 zu fragen: Kleiner Mann, was nun?
2021 aber war auch ein Jahr der erfreulichen Anfänge. Mit Anna Luise Kiss wird die altehrwürdige Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ in Berlin seit Oktober erstmals von einer Frau geleitet. Wir nahmen den Neustart im Rektorat zum Anlass, um uns in einem großen Schwerpunkt zum Thema Ausbildung den Reformbedarfen in unseren Theaterhochschulen zu widmen. Mit dabei sind die Schauspielstudentin Nadège Kanku, die Leiterin des Studiengangs für Schauspiel und Regie am Mozarteum Salzburg Amélie Niermeyer sowie der Performer Manuel Gerst, die mit Patrick Wildermann über Diversität und Inklusion in der Ausbildung diskutieren. Elisabeth Maier blickt derweil am Beispiel der Akademie für Darstellende Kunst in Ludwigsburg auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Studium und Karriere. Ebenso gibt es neue, spektakuläre Theaterorte zu feiern sowie neue Intendanzen: In München präsentierte Christian Stückl den Neubau des Münchner Volkstheaters, Kathrin Tiedemann, Chefin des FFT Düsseldorf, bezog mit dem KAP1 den neuen Spielort ihres Produktionshauses, im Schweizer Kanton Aargau eröffneten in Aarau und Baden zwei grundsanierte Quartiere für die darstellenden Künste, und in Kassel beeindruckte der frisch angetretene Intendant Florian Lutz sein Publikum mit einer gigantischen, „Pandaemonium“ genannten Stahlkonstruktion von Bühnenbildner Sebastian Hannak.
Mit 2021 geht für uns indes nicht einfach nur ein Jahr zu Ende, sondern auch unsere Zeit bei Theater der Zeit. Wir, also Dorte Lena Eilers und Christine Wahl, werden den Verlag mit diesem Heft verlassen. Unser herzlichster und großer Dank gilt all jenen, die über all die Monate und Jahre hinweg ein Projekt wie Theater der Zeit möglich gemacht haben, all jenen also, die mit großem Engagement und Leidenschaft für das Heft tätig waren, die uns beraten, unterstützt und inspiriert haben. Ganz besonders wollen wir hiermit unseren Leserinnen und Lesern sagen: Vielen Dank für Ihr Interesse und Ihre Treue! Der Abschied fällt uns wahrlich nicht leicht. Die große Kunst des Loslassens ist nicht allen gegeben. Wir aber haben uns, gemeinsam mit Matthias Brenner, der seinen Posten als Intendant des Neuen Theaters Halle auf eigenen Wunsch vorfristig verlässt, in unserer Rubrik „Was macht das Theater?“ in dieser Kunst geschult.
Der Raum einer Kolumne ist unendlich, schreibt unser Kolumnist Ralph Hammerthaler in seinem Rückblick auf 14 Jahre Kolumnistendasein bei Theater der Zeit. Der Raum eines Magazins ist es leider nicht. „Vorhang für immer“ heißt es in unserem Stückabdruck „Gymnasium“ von Bonn Park. Doch wer weiß … Einblendung. Letzter Song (s. o.). Und black. //
Die Redaktion
Artikel | Seite |
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Artikel | Seite |
Kunstinsert | |
„Männer, denen du besser aus dem Weg gehst“von Nicole Tersigni | Seite 4 |
Kleiner Mann, was nun?Ein Jahresrückblick der Redaktion auf Geschlechterbilder im Theater 2021von Dorte Lena Eilers und Christine Wahl | Seite 8 |
thema ausbildung | |
Heterogenitätsorientierte HörsaalbesetzungMit Anna Luise Kiss steht an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ in Berlin endlich eine Frau an der Spitze der Institution – und auch sonst bewegt sich hier vielvon Lara Wenzel | Seite 11 |
Die verlorene Generation?Keinesfalls! Wie Absolventinnen und Absolventen an Theaterhochschulen der Corona- Pandemie trotzen – Ein Blick an die Akademie für Darstellende Kunst in Ludwigsburgvon Elisabeth Maier | Seite 14 |
Stürmt die Burg der Auserwählten!Die Schauspielstudentin N. Kanku, die Leiterin des Studiengangs für Schauspiel und Regie am Mozarteum Salzburg, A. Niermeyer, und der Performer M. Gerst über Diversität und Inklusion in der Ausbildungvon Patrick Wildermann, Amélie Niermeyer, Manuel Gerst und Nadège Kanku | Seite 16 |
Kolumne | Seite 21 |
Worüber ich nicht geschrieben habeDer Raum einer Kolumne ist unendlichvon Ralph Hammerthaler | |
Protagonisten | |
Jetzt samma da!Nach zehn Jahren Planung und drei Jahren Bauzeit bezieht das Münchner Volkstheater unter großem Jubel sein neues Hausvon Christoph Leibold | Seite 22 |
Sechzig Tonnen StahlDas Kasseler Staatstheater ist vielversprechend in die erste Spielzeit unter seinem neuen Intendanten Florian Lutz gestartet – mit einer spektakulären Raumbühne und ambitionierten Uraufführungenvon Joachim F. Tornau | Seite 26 |
Wo’s brummt und brodeltEndlich! Das FFT Düsseldorf bezieht nach etlichen Bauverzögerungen mit dem KAP 1 ein neues Quartier für die freien performativen Künstevon Martin Krumbholz | Seite 30 |
Baust du noch oder spielst du schon?Mit der Renovierung der Alten Reithalle in Aarau und dem Erweiterungsbau des Kurtheaters Baden erhält der Schweizer Kanton Aargau neue Räume für die Künste der Zukunftvon Elisabeth Feller | Seite 32 |
Im goldenen KäfigDie Methode Simon Stone: Warum die Real-Life-Ästhetik des australischen Regisseurs zunehmend zur Hochglanzmasche geriertvon Christoph Leibold | Seite 36 |
Exklusiver Vorabdruck | Seite 39 |
Fertig gibt's nichtvon Daniel Wetzel, Michael Simon und Tilman Neuffer | |
kein schlussstrich! | |
Wir. Dienen. Deutschland„Hannibal“ von Dirk Laucke am Deutschen Nationaltheater Weimarvon Lara Wenzel | Seite 43 |
Hinter dem Paravent des Ulks„Sladek“ nach „Sladek oder Die Schwarze Armee“ von Ödön von Horváth mit neuen Texten von Manja Präkels am Theaterhaus Jenavon Sebastian Schulze Jolles | Seite 44 |
Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen„Wolken. Heim. / Rechnitz (Der Würgeengel) / Das schweigende Mädchen“ von Elfriede Jelinek am Staatstheater Nürnbergvon Christoph Leibold | Seite 45 |
Im Namen der Opfer„Die Lücke 2.0“ von Nuran David Calis am Schauspiel Kölnvon Martin Krumbholz | Seite 46 |
Look Out | |
Radikale FreudeJchj V. Dussel entwirft ein Theater des Spaßes, in dem Lachen zum politischen Moment der Befreiung wirdvon Lina Wölfel | Seite 48 |
Die koloniale MatrixJoana Tischkau zählt mit ihren rassismuskritischen Arbeiten zu den spannendsten Performance-Macherinnen ihrer Generationvon Theresa Schütz | Seite 49 |
Auftritt | |
Berlin: Stich in die Twitter-BlaseMaxim-Gorki-Theater: „Slippery Slope“ (UA) von Yael Ronen, Shlomi Shaban, Riah May Knight und Itai Reicher. Regie Yael Ronen, Bühne Alissa Kolbusch, Kostüme Amit Epsteinvon Patrick Wildermann | Seite 51 |
Dessau: Pioniere, voran!Anhaltisches Theater: „Die Räuber“ von Friedrich Schiller. Regie Milan Peschel, Ausstattung Nicole Timmvon Erik Zielke | Seite 51 |
Düsseldorf: Am großen Laufrad drehenSchauspielhaus: „Kleiner Mann – was nun?“ von Hans Fallada. Regie Tilmann Köhler, Bühne Karoly Risz, Kostüme Susanne Uhlvon Martin Krumbholz | Seite 52 |
Graz: In der ReferenzhölleSchauspielhaus: „Eleos. Eine Empörung in 36 Miniaturen“ (UA) von Caren Jeß. „Garland“ (UA) von Svenja Viola Bungartenvon Hermann Götz | Seite 54 |
Hannover: Fast schon gesellschaftsfähigSchauspiel: „Ein Mann seiner Klasse“ (UA) von Christian Baron. Regie Lukas Holzhausen, Ausstattung Katja Haßvon Lina Wölfel | Seite 56 |
Stück | Seite 58 |
GymnasiumPremierenfassungvon Bonn Park | |
Magazin | |
Der Humor des TragischenDas internationale Festival Radar Ost im Deutschen Theater Berlin zeigt Produktionen aus Belarus, der Ukraine sowie Bosnien und Herzegowinavon Thomas Irmer | Seite 69 |
Ein rares Wunder des Kalten KriegesZum Tod des Kulturwissenschaftlers Jost Hermandvon Sabine Kebir | Seite 70 |
In den Ritzen des FortschrittsSasha Marianna Salzmann: Im Menschen muss alles herrlich sein. Suhrkamp, Berlin 2021, 367 S., 22 EUR.von Lara Wenzel | Seite 72 |
Adresse: FassbinderEmine Sevgi Özdamar: Ein von Schatten begrenzter Raum. Suhrkamp, Berlin 2021, 765 S., 28 EUR.von Martin Krumbholz | Seite 73 |
Diskursive UnschärfenFremde spielen. Materialien zur Geschichte von Amateurtheater. Hg. von Claudius Baisch, Henrike Schmidt, Dana Soubh, Schibri Verlag, Uckerland 2020, 24,80 EUR.von Tom Mustroph | Seite 73 |
Aktuell | |
Meldungen | Seite 74 |
Premieren Dezember 2021 | Seite 76 |
tdz on tour | Seite 78 |
Impressum/Vorschau | Seite 79 |
Autorinnen und Autoren Dezember 2021 / Vorschau | |
Gespräch | Seite 80 |
Was macht das Theater, Matthias Brenner?von Dorte Lena Eilers, Christine Wahl und Matthias Brenner |
Matthias Brenner
Dorte Lena Eilers
Elisabeth Feller
Manuel Gerst
Hermann Götz
Ralph Hammerthaler
Thomas Irmer
Nadège Kanku
Sabine Kebir
Martin Krumbholz
Christoph Leibold
Elisabeth Maier
Tom Mustroph
Tilman Neuffer
Amélie Niermeyer
Bonn Park
Sebastian Schulze Jolles
Theresa Schütz
Michael Simon
Nicole Tersigni
Joachim F. Tornau
Christine Wahl
Lara Wenzel
Daniel Wetzel
Patrick Wildermann
Lina Wölfel
Erik Zielke
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