Heft 04/2022
Thema Ukraine: Serhij Zhadan „Lieder von Vertreibung und Nimmerwiederkehr“
Broschur mit 88 Seiten, Format: 215 x 285 mm
ISSN 0040-5418
Wie kann eine Theaterzeitschrift auf diesen Kriegsbeginn reagieren? Wenn man ukrainische Theaterleute, die in Kellern sitzen oder fliehen müssen, persönlich kennt? Wenn man russische Theaterleute kennt, die ebenfalls fliehen müssen, die mutig auf Demonstrationen gehen und dafür verhaftet werden oder eben mit zusammengepressten Lippen fassungslos zuschauen, wie ihre in der ganzen Welt geschätzte Theaterkultur innerhalb weniger Wochen in diesem Krieg mit untergeht?
Serhij Zhadans Text „Lieder von Vertreibung und Nimmerwiederkehr“, dessen Uraufführung noch im letzten Heft als „aktuell brisanteste Produktion“ der Münchner Biennale für neues Musiktheater angekündigt war, hat sich als prophetisch erwiesen. Als erschreckend prophetisch. Aber auch als Gabe der Literatur, die mehr sieht als alle Medien (und wohl auch Geheimdienste) zusammen. Zhadan, der in Charkiw lebt und dort momentan bei der Evakuierung hilft, dabei sein Leben riskiert, hat nicht nur in diesem Theatertext das Entsetzliche vorausgesehen, sondern auch schon in seinem letzten Gedichtband „Antenne“ von 2020. Nur eine Zeile als Bespiel: „Die Welten der Mietwohnungen kippen.“
Marina Dawydowa, die wichtigste Theaterkritikerin Russlands, künstlerische Leiterin des internationalen Theaterfestivals NET in Moskau und Chefredakteurin der Zeitschrift Teatr, veröffentlichte auf deren Facebook-Seite einen Aufruf gegen den Krieg in der Ukraine. Sie musste fliehen, nachdem man an die Tür ihrer Moskauer Wohnung ein „Z“ geschmiert hat, jenes ominöse Zeichen in diesem Krieg. Dawydowa gelangte nach ihrem von einer geheimpolizeilichen Befragung eingeschüchterten Grenzübertritt nach Vilnius. In einer ersten E-Mail schrieb sie: „Wir brauchen Verträge, Arbeitsmöglichkeiten, Geld.“ Nicht nur die symbolische Solidarität, die freilich auch wichtig ist. Und erwartet wird das Erkennen derjenigen russischen Künstler und Intellektuellen, die sich nicht im Putin-System die Hände und den Geist schmutzig gemacht haben und dafür belohnt wurden. Die in St. Petersburg geborene Autorin Lena Gorelik kommentiert nebenstehend diese Frage von Boykott und Beziehungen. Junge ukrainische Theaterkünstler:innen sprechen über ihre Situation, nach der Flucht oder hier bereits in den Theatern angekommen, aber deshalb ja nicht weniger mit der Not dort verbunden, oder gar aus einem Versteck in der Ukraine. Es ist zu erwarten, dass sich ein Theater der ukrainischen Emigration bilden wird, nicht allein deshalb, weil es in diesem Krieg auch um die Bewahrung der ukrainischen Kultur und Sprache geht. Wie konkrete Hilfe dafür aussieht, da ist auch die Kulturpolitik gefordert. //
Thomas Irmer
Artikel | Seite |
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Artikel | Seite |
Stück | Seite 1 |
Lieder von Vertreibung und Nimmerwiederkehrvon Serhij Zhadan | |
Thema | Seite 7 |
„Kunst interessiert hier grade wirklich niemanden“Stimmen ukrainischer Theatermacher:innen und Protokollevon Lina Wölfel, Alexandr Krywoshejew, Solomia Kushnir, Olha Krywoshejewa, Anna Wrobel und Sofia Leshyshak | |
Kommentar | Seite 10 |
Falsches Bekennertumvon Lena Gorelik | |
Kunstinsert | Seite 15 |
Laudatio für Richard Peduzzivon Mark Lammert | |
Inszenierungen | |
Weimarer ZeitgeschichtenNeue Stücke von Thomas Freyer und Dirk Laucke legen am Deutschen Nationaltheater Weimar Gegenwart über die Vergangenheitvon Michael Helbing | Seite 22 |
Ödipus im RuhrgebietDie Theater in Bochum, Dortmund und Moers zeigen verschiedene Blicke auf den Klassikervon Stefan Keim | Seite 26 |
Krankhafte Leidenschaft in der ApokalypseBrigitte Maria Mayer inszeniert Heiner Müllers „Quartett“ am Landestheater Tübingenvon Elisabeth Maier | Seite 30 |
Protagonisten | Seite 32 |
„Ausm Bauch – und ehrlich“Die Schauspielerin Maike Knirsch vom Thalia Theater Hamburg im Porträtvon Hans-Dieter Schütt | |
ausbildung und corona | Seite 36 |
Generation Corona?Schauspielausbildung als Achterbahnfahrt: Berichte aus Wien und Bochumvon Friederike Felbeck | |
protagonist:innen // protagonists // protagonistes | Seite 40 |
Kultur ist das neue SalzNach ihrem Abschied als Chefin der Akademie für Darstellende Kunst in Ludwigsburg verantwortet Elisabeth Schweeger nun die Kulturhauptstadt 2024 im Salzkammergutvon Elisabeth Maier | |
Look Out | Seite 42 |
Dunkle MaterieDie Schauspielerin Sarah Moeschler forscht nach dem Unsichtbaren im Theatervon Friederike Felbeck | |
Exklusiver Vorabdruck | Seite 44 |
Theater unserWie die Passionsspiele Oberammergau den Ort verändern und die Welt bewegenvon Anne Fritsch | |
Ausland | Seite 46 |
Steine, Pflanzen, SoundsDas Theater der Chilenin Manuela Infante ist politisch im Geist des Zweifelsvon Renate Klett | |
Stück | Seite 48 |
Treuhandkriegspanoramavon Thomas Freyer | |
Auftritt | |
Düsseldorf: „Star Trek“ auf ValiumDüsseldorfer Schauspielhaus: „Rückkehr zu den Sternen (Weltraumoper)“ von Bonn Park und Ben Roessler (UA). Regie Bonn Park, Bühne Julia Nussbaumer, Jana Wassongvon Stefan Keim | Seite 65 |
Erlangen: Verfassung auf (der) ProbeDas Theater: „GRNDGSTZ“ von Annalena und Konstantin Küspert (UA) Regie Helge Schmidt Ausstatter Anika Marquardt & Lani Tran-Duc (Atelier Lanika)von Michael Helbing | Seite 66 |
Hamburg: Vexierspiel aus Licht und SchattenThalia Theater: „Das mangelnde Licht“ von Nino Haratischwili (UA). Regie Jette Steckel, Bühne Florian Lösche, Video Zaza Rusadzevon Peter Helling | Seite 67 |
Heidelberg: Ein Vaudeville kluger LebensfragenTheater und Orchester Heidelberg: „Der Kitschgarten“ nach Motiven von Anton Tschechow. Regie und Textfassung Milan Peschel, Bühne/Kostüme Nicole Timmvon Elisabeth Maier | Seite 68 |
Leipzig: Die Erinnyen kreisenSchauspiel Leipzig: „vendetta vendetta (a bunch of opfersongs)“ von Thomas Köck (UA). Regie Thomas Köck, Bühne Martin Miotkvon Lara Wenzel | Seite 69 |
München: Die Klage der SteineBayerisches Staatsschauspiel Residenztheater: „Gier unter Ulmen“ von Eugene O’Neill. Regie Evgeny Titov, Bühne Duri Bischoffvon Dora Dorsch | Seite 70 |
Schwedt: Aller SeelenUckermärkische Bühnen Schwedt: „Nacht“ von Andrzej Stasiuk. Regie Jan Jochymski, Ausstattung Sophie Lenglachnervon Thomas Irmer | Seite 71 |
Tübingen: Ich heiße ScardanelliLandestheater Tübingen: „Im Thurm“ von Markus Höring (UA). Musikalische Leitung Philipp Amelung. Regie Thorsten Weckherlin, Bühne Martin Fuchs, Kostüme Bernadette Webervon Otto Paul Burkhardt | Seite 72 |
Magazin | |
Text und SchlagwerkVolker Brauns Langgedicht „Luf-Passion“ in der Berliner Akademie der Künstevon Thomas Irmer | Seite 75 |
Die KöniginGabriela Maria Schmeide erhält den Tilla-Durieux-Schmuck und Luk Perceval laudatiertvon Luk Perceval | Seite 76 |
Cyberhexen gegen AntiziganismusNetzwerk für Roma-Theatergruppen wächst in Ungarnvon Lara Wenzel | Seite 77 |
West-Balkan-BluesDer Kosovo Theatre Showcase in Pristina spiegelt die Probleme der Regionvon Tom Mustroph | Seite 78 |
Große Träume – kleines TheaterDer sardische Theatermacher Ignazio Chessavon Christoph Nix | Seite 79 |
Der SchattenmagierHansueli Trübs Schattentheater in Aarauvon Elisabeth Feller | Seite 80 |
Große Fragen, nicht nur für junges PublikumDas 3. jungspund Festival der Schweizerischen Kinder- und Jugendtheaterszene in St. Gallenvon Bettina Kugler | Seite 81 |
Wiesenkindheit: Yade Yasemin Önders Roman über eine schrecklich nette FamilieYade Yasemin Önder: Wir wissen, wir könnten, und fallen synchron Kiepenheuer & Witsch, Köln 2022, 256 Seiten, 20 Eurovon Lucien Strauch | Seite 82 |
Virtuos gebautPeter Michalzik HORVÁTH HOPPE HITLER. 1926 bis 1938. Das Zeitalter der Masse. Aufbau, Berlin 2022, 303 Seiten, zahlreiche Abb., 26 Eurovon Thomas Irmer | Seite 83 |
Aktuell | |
Meldungen | Seite 84 |
Premieren April 2022 | Seite 86 |
Impressum/Vorschau | Seite 87 |
Autorinnen und Autoren April 2022 / Vorschau | |
Gespräch | Seite 88 |
Was macht das Theater, Julie Paucker?von Thomas Irmer und Julie Paucker |
Otto Paul Burkhardt
Dora Dorsch
Friederike Felbeck
Elisabeth Feller
Thomas Freyer
Anne Fritsch
Lena Gorelik
Michael Helbing
Peter Helling
Thomas Irmer
Stefan Keim
Renate Klett
Alexandr Krywoshejew
Olha Krywoshejewa
Bettina Kugler
Solomia Kushnir
Mark Lammert
Sofia Leshyshak
Elisabeth Maier
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