Goethe-Medaille in Weimar vergeben

Das Goethe-Institut hat die kolumbianischen Theatermacher Heidi und Rolf Abderhalden vom Kollektiv Mapa Teatro, die schweizerisch-brasilianische Fotografin und Menschenrechtlerin Claudia Andujar und den ungarischen Komponisten und Dirigenten Péter Eötvös mit der Goethe-Medaille ausgezeichnet. Das offizielle Ehrenzeichen der Bundesrepublik Deutschland wird jedes Jahr an Persönlichkeiten verliehen, die sich in besonderer Weise für den internationalen Kulturaustausch eingesetzt haben.

Der Präsident des Goethe-Instituts Klaus-Dieter Lehmann ehrte damit das Engagement der vier Preisträgerinnen und Preisträger, die sich besonders um einen Neubeginn nach der „Katastrophe“ verdient gemacht haben. Die Verleihung der Goethe-Medaillen fand in Anwesenheit der Staatsministerin für internationale Kulturpolitik Michelle Müntefering, des Thüringer Ministers für Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten und Chefs der Staatskanzlei Benjamin-Immanuel Hoff und des Oberbürgermeisters der Stadt Weimar Peter Kleine statt.

Klaus-Dieter Lehmann hob in seiner Eröffnungsrede das Denken, Arbeiten und das künstlerische Talent der Preisträgerinnen und Preisträger hervor, die sich stets entschieden für emanzipatorische Bewegungen und Positionen eingesetzt und gegen Repressionen und gesellschaftliche Ungerechtigkeit aufbegehrt haben: „Alle vier Preisträger sehen in der künstlerischen Ausdrucksfähigkeit ein wesentliches Element des menschlichen Zusammenlebens und der menschlichen Teilhabe. Ohne kulturelles Verständnis, ohne Dialogfähigkeit wird unsere Welt immer weniger verständlich. Es braucht Menschen, die sich aktiv der kulturellen Vermittlung widmen, auch mit der Fähigkeit des Umgangs mit kulturellen Unterschieden - sei es in Südamerika, Afrika oder Europa.“ Die erste Vizepräsidentin des Goethe-Instituts und Vorsitzende der Kommission zur Verleihung der Goethe-Medaille Christina von Braun betonte: „Unsere drei Preisträger haben in Situationen des Bürgerkriegs und der Vertreibung Mut bewiesen und zugleich gezeigt, dass Kultur und Sprache etwas gegen Gewalt bewirken können.“

Der Theaterautor Deniz Utlu würdigte den Mut der Geschwister Heidi und Rolf Abderhalden, sich immer wieder zu positionieren: „Angesichts unauflöslicher Widersprüche haben Heidi und Rolf Abderhalden mit ihrem Kollektiv immer wieder das Experiment nicht nur gewagt, sondern es zu einem Wesensbestandteil ihrer Arbeit gemacht. Eindeutige Antworten waren ausgeschlossen. Aber dies haben sie nicht als Vorwand genutzt, um sich nicht zu positionieren. Im Gegenteil, die Fragen, die sie stellen, sind immer die Suche nach einer Position angesichts unauflösbarer Widersprüche. Für ihre Arbeit, die aus einem kosmopolitischen Geist entsteht und in der die Überschreitung von Grenzen zur Methode wird, für die Präzision ihres Blicks vor Ort, die auch unseren Zentrismus hier auf der anderen Seite des Atlantiks erschüttert, werden sie heute mit der Goethe-Medaille geehrt.“

Der Anthropologe Stephen Corry honorierte das Werk der Künstlerin und Aktivistin Claudia Andujar in seiner Laudatio: „50 Jahre lang hat sie die Yanomami, einen im Amazonas-Gebiet lebenden Stamm, fotografiert […]. Die Yanomami waren bereits bekannt. Claudia zeigt uns Menschen, die versuchen, ihren Platz in der Welt zu finden und die volle Verantwortung für die physische und spirituelle Gesundheit ihrer weiteren Umgebung übernehmen - sowohl für das Sichtbare als auch für das Unsichtbare. Kein Amazonas-Stamm wurde jemals mit tiefergehendem Verständnis porträtiert.“ Weiter heißt es: „Die Arbeit von Claudia, die bereits Millionen von Menschen bewundert haben, bleibt ein einmaliges Vermächtnis für die gesamte Menschheit.“ Die Künstlerin erklärte in ihrer Dankesrede, sie wolle die Auszeichnung mit Davi Kopenawa Yanomami, Sprecher der Yanomami, teilen.

Der Schriftsteller und Dramatiker Albert Ostermaier betonte in seiner Rede über Péter Eötvös die Fähigkeit des Komponisten, das Unsichtbare mit seiner Musik sichtbar zu machen: „Atlantis, so heißt eine seiner frühen Opus, dieses Atlantis, es könnte auch, versunken in der Unterbühne liegen, oder sein Stück Levitation genau hier unter den bebenden Brettern. Jeder Ort ist ein Ort der Ohren, bei ihm lernen die Augen zu hören, die Ohren zu sehen. Und noch viel mehr: Er legt sie frei, die Mechanik des Unsichtbaren. Er ist ein Sprachakrobat, denn seine Musik spricht alle Sprachen und jedes Stück eine neue, er ist ein Stimmakrobat, er lernt die Sprachen, indem er sie den Stimmen abhört, aber seine Stimmen ergeben kein Babylon, sondern vermehren, überlagern, widersprechen, überschlagen sich, verschmelzen zu einer einzigen, universellen Sprache, die jeder versteht und die alles unverständlich Geglaubte verstehen lässt im Hören. Seine Musik befreit uns.“

Die Goethe-Medaille wurde 1954 vom Vorstand des Goethe-Instituts gestiftet. 1975 folgte die Anerkennung als offizielles Ehrenzeichen durch die Bundesrepublik Deutschland. Verliehen wird die Auszeichnung jährlich am 28. August, dem Geburtstag Goethes. Seit der ersten Verleihung 1955 wurden insgesamt 348 Persönlichkeiten aus 65 Ländern geehrt. Zu den Preisträgerinnen und Preisträgern gehören u.a. Daniel Barenboim, Pierre Bourdieu, David Cornwell alias John le Carré, Sir Ernst Gombrich, Lars Gustafsson, Ágnes Heller, Petros Markaris, Sir Karl Raimund Popper, Jorge Semprún, Robert Wilson, Neil MacGregor, Helen Wolff, Juri Andruchowytsch und Irina Scherbakowa.

Meistgelesene Beiträge

Alle

auf theaterderzeit.de

Zur Ausgabe

Die aus Anlass des 100. Geburtstages des Architekten Hermann Henselmann (1905–1995) von…

Alles auf Anfang

Die Transformationsprozesse im Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin von der Wiedervereinigung bis 2016

Theater-News

Alle

auf theaterderzeit.de

Neuerscheinungen

Alle

Bestseller

Alle

Sonderangebote

Cover Volksbühne

Volksbühne
Frank Castorf - Intendanz

- 56%

Print € 8,00 € 18,00

Alle

Autorinnen und Autoren des Verlags

A - Z

Bild von Joachim Fiebach

Joachim Fiebach

Bild von Milo Rau

Milo Rau

Bild von Sasha Marianna Salzmann

Sasha Marianna Salzmann

Bild von Dorte Lena Eilers

Dorte Lena Eilers

Bild von Josef Bierbichler

Josef Bierbichler

Bild von Falk Richter

Falk Richter

Bild von Bernd Stegemann

Bernd Stegemann

Bild von Etel Adnan

Etel Adnan

Bild von Gunnar Decker

Gunnar Decker

Bild von Dirk Baecker

Dirk Baecker

Bild von Kathrin Röggla

Kathrin Röggla

Bild von Ralph Hammerthaler

Ralph Hammerthaler

Bild von Michael Schindhelm

Michael Schindhelm

Bild von Heiner Goebbels

Heiner Goebbels

Bild von Lutz Hübner

Lutz Hübner

Bild von Friedrich Dieckmann

Friedrich Dieckmann

Bild von Hans-Thies Lehmann

Hans-Thies Lehmann

Bild von Christine Wahl

Christine Wahl

Bild von Nis-Momme Stockmann

Nis-Momme Stockmann

Bild von Wolfgang Engler

Wolfgang Engler