Hochhuth sieht in seinem neuen Drama Appell zum Aufruhr

In seinem neuen Drama "Der fliehende Holländer" kritisiert der Autor Rolf Hochhuth die Politik der Regierung von Kanzlerin Angela Merkel auf das Schärfste. Diese handele asozial und obszön.

Am liebsten würde der 80-Jährige das Drama, das in seinem Anfang Mai erschienenen 1.720-seitigen Band "Essayistische Prosa und Gedichte" veröffentlicht wurde, vom Intendanten des Berliner Ensembles, Claus Peymann, aufführen lassen, wie er in einem Gespräch mit dapd-Korrespondent Holger Mehlig sagte:

dapd: Wird das Drama "Der fliehende Holländer" ausgekoppelt, um es einer breiteren Leserschaft zugänglich zu machen?

Hochhuth: Ja, das Drama wird auch als Taschenbuch erscheinen, wie alle meine Dramen, sobald sie gespielt worden sind. Bei meinen neuen Libido-Gedichten in dem Buch ist es ähnlich: Sehr hilft, wenn Zeitungen etwas abdrucken, doch hat man als Autor wie der Verleger nur wenig Einfluss.

dapd: Wird das Drama auf die Bühne kommen?

Hochhuth: Ich habe Herrn Peymann den "Fliehenden Holländer" vor wenigen Tagen ins BE gebracht, aber bevor er etwas dazu sagt, muss er es schließlich lesen. Aber er inszeniert gerade! Sollte er es uraufführen, wäre es für mich eine sehr große Ehre. Denn er ist in Deutschland samt Schweiz und Österreich der bedeutendste lebende Regisseur - die an Opern kenne ich nicht. Neulich sah ich seine Inszenierung von Thomas Bernhards "Einfach kompliziert" mit Gert Voss. Das war künstlerisch vollkommen. Wenn nicht Peymann den "Fliehenden Holländer" inszeniert - zwei andere Berliner wollen das unbedingt tun, vermutlich 2012 im BE.

dapd: In Ihrem Drama wird beschrieben, dass am Ende die Republik brennt...

Hochhuth: Ja, der letzte Akt provoziert. Er heißt 2013, Büchners 200. Geburtstag oder der Klofrauteller. Es ist ein Skandal der bundesdeutschen Wirtschaft, die noch nie derartig asozial, schäbig und habgierig war, zugleich noch nie so reich war wie heute. Es gibt Großbetriebe, Warenhäuser, Grandhotels, wo man sich nicht geniert, die Klofrau zu filmen. Wenn sie mehr als fünf Euro Trinkgeld hat, kommt irgendein Schweinehund aus der Chefetage und klaut der Frau das Trinkgeld. So etwas Unanständiges hat es in der Wirtschaft noch niemals gegeben. Ich glaube, dass die Generation ihrer Kinder, meiner Enkel eine grauenvolle Revolution entfacht, weil die Wirtschaft immer asozialer wird, das heißt krimineller wird gegenüber ihren Underdogs. Das merkt sie aber nicht, das haben Könige, ob denen nun Frankreich gehörte oder nur Mercedes Benz oder die Deutsche Bank oder unsere Pharma-Konzerne niemals gemerkt. Es charakterisiert jeden Konzern, umgebungsblind und glückverdummt zu werden, gleichviel in welcher "Branche" er sich austobt, immer auf Kosten der Unterlinge, die er "meine Leute" nennt. Heute zahlt er denen zwar manchmal hohe Gehälter, beteiligt sie aber weder am Umsatz noch am Betrieb überhaupt, was allein den Sozialismus als Staatsform überflüssig machte und Revolution und Totschlag verhindern könnte. Dies alles sage ich gründlich fundiert in meinem Buch.

dapd: "Der fliehende Holländer" beginnt in den 40er Jahren und endet dann in der Zukunft...

Hochhuth: Das ist die alte Geschichte aus der Bibel vom ewigen Juden. Als Jesus sein Kreuz nach Golgatha tragen musste, wollte er vor der Tür eines Schusters ausruhen. Der schimpfte Jesus, mach, dass du weiter kommst. Dafür wurde er von dem so sich nennenden Heiland mit der Bemerkung verflucht, du wirst bleiben, bis ich wiederkomme. Das heißt, er wurde zum ewigen Leben verurteilt, er kann nicht sterben, er ist die tragische Figur aus dem Neuen Testament. Das ist die Grundfabel. In meinem Drama fängt die Geschichte in Holland mit dem Verrat an einem jungen jüdischen Mädchen an, das versteckt war, dann aber seinen Eltern nach Auschwitz nachgeschickt wurde. Ein anderer Akt schildert die Ermordung Maillols, des damals größten Bildhauer durch die Französische Résistance, weil der von kultivierten deutschen Besatzern wie Ernst Jünger besucht worden war.

dapd: Zu ihrer Libido-Lyrik, sind die zwei Zyklen neu?

Hochhuth: Die Libido-Lyrik ist in den letzten zwei Jahren entstanden. Kein Gedicht wurde schon einmal gedruckt. Diese Lyrik ist oft auch von der Bildenden Kunst inspiriert, für die das blödsinnige Tabu im deutschen Gedicht niemals gegolten hat: Körperliches dürfe nicht erwähnt werden - die Absurdität des "sittlich" terroristischen Biedermeiers, das getrennte Ehebetten erfunden hat.

dapd

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