Eine Welt aus Sprache - Zum Werk von Gerlind Reinshagen
Eine kritische Anthologie
Herausgegeben von Therese Hörnigk und Helga Kraft
Paperback mit 244 Seiten, Format: 165 x 240 mm
ISBN 978-3-934344-70-9
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Gerlind Reinshagen gilt als eine der bedeutendsten Autorinnen der deutschen Gegenwartsliteratur seit fast vierzig Jahren zählen ihre Romane und Theaterstücke, welche unter anderem von Claus Peymann aufgeführt wurden, zu den inhaltlich brisanten und prägenden Werken unserer Zeit. Mit ihrer kraftvollen, direkten Sprache brachte Gerlind Reinshagen neue Impulse in die Literatur ein, experimentierte schon früh mit neuen Ausdrucksweisen für die Bühne.
In diesem Band wird zum ersten Mal die Gesamtkarriere der Schriftstellerin von international bekannten Kritikern und Wissenschaftlern umfassend dargestellt.
Diese Anthologie bietet zum ersten Mal einen umfassenden Einblick in das Gesamtwerk der Dramatikerin und Novellistin Gerlind Reinshagen. Angefangen mit einer Übersicht über ihre gesamte literarische Produktion im Kontext der geschichtlichen Entwicklung und ihrer stilistischen Innovationen untersuchen deutsche und amerikanische Literaturforscherinnen in den verschiedenen Kapiteln das dramatische und novellistische Werk in Einzelanalysen. Prominente Theaterleute tragen eine Retrospektive über die Aufführungen ihrer Dramen und deren Rezeption bei. In einem neuen Interview gibt Gerlind Reinshagen Aufschluss über ihr Denken zu Literatur, Theater, Gesellschaft und zu ihren eigenen Werken. Letztlich wird eine wenig bekannte Seite der Autorin, ihre Arbeit als Lyrikerin, durch die Veröffentlichung von neun Gedichten in diesem Band vorgestellt. Der Anhang mit biografischen und bibliografischen Angaben soll dazu dienen, zukünftige Forschungsarbeit zu erleichtern.
Eine Vorstufe zu diesem Buch war ein Symposium, das in Kooperation mit dem Literaturforum im Brecht-Haus und der University of Illinois at Chicago am 26. Mai 2006 zum 80. Geburtstag der Autorin in Berlin stattfand. Neben Würdigungen und Vorträgen wurden an diesem Tag auch Ausschnitte aus Reinshagens Werken von den Schauspielerinnen Maria Hartmann und Barbara Wittmann mit Musikbegleitung von Aki Takase vorgetragen.1 Die Referentinnen erweiterten und vertieften ihre Vorträge für die Anthologie. Außerdem haben wir noch zusätzliche Artikel einbezogen, die für diesen Band geschrieben wurden.
Der Band beginnt mit Helga Krafts Gesamteinführung in Gerlind Reinshagens Werk, worin auch Texte der Autorin vorgestellt werden, die nicht in den Einzelanalysen in diesem Band behandelt sind. Um gleich zu Anfang Gerlind Reinshagens gegenwärtige Ideen und Positionen kennen zu lernen, folgt dieser Einführung das Interview mit der Schriftstellerin vom Juli 2006. In der Retrospektive danach kommen die folgenden berühmten Theaterkapazitäten zu Wort: Karlheinz Braun, Mitbegründer des Verlags der Autoren, befasst sich u.a. ausführlich mit dem Theaterdebüt von Reinshagen: Doppelkopf (1968)2 , während der bekannte Regisseur Alfred Kirchner, der die Uraufführung von Sonntagskinder (1976) inszenierte, eine kurze Würdigung beiträgt. Henning Rischbieter, Gründer der Zeitschrift Theater heute, beschreibt und untermauert in seinem Beitrag den festen Platz, den Reinshagen unter anderen prominenten Dramatikern der siebziger und achtziger Jahre einnimmt, und er verfolgt die Ursache der starken Wirkungskraft, die ihre Stücke in diesen zwei Jahrzehnten ausübten.
Als nächstes bietet dieser Band chronologisch geordnet wissenschaftliche Einzelanalysen von Germanistinnen zu Reinshagens Dramen. Stacy Jeffries untersucht das Stück LEBEN UND TOD DER MARILYN MONROE (1971) im Zusammenhang mit dem Einfluss amerikanischer Kultur in Deutschland im Allgemeinen und der ikonischen Figur der Marilyn Monroe im Besonderen. Barbara Kostas Thema in ihrem Artikel »Faschismus und Krieg in SONNTAGSKINDER. Einbruch in die private Sphäre« ist Reinshagens faszinierende Dekonstruktion einer faschistisch infizierten Bevölkerung während des Zweiten Weltkriegs, deren Symptome vorher nie so klar in der Alltagswelt aufgedeckt wurden wie in diesem Erfolgsstück. Die Verfilmung des Stücks durch Michael Verhoeven (1980) wird ebenfalls von Kosta, Expertin für deutsche Filmstudien, berücksichtigt. SONNTAGSKINDER (1976) ist Teil einer Trilogie, deren letztes Stück, Tanz, Marie! (1989), von Hinrich Seeba als Alterselegie einer Generation interpretiert wird, die sich als politische Allegorie unserer Zeit erweist. Jutta Wolferts Artikel hinterfragt den Einsatz von Technologie in einem dystopischen Stück, »Die Performanz des Tonbands. Akustische Aspekte in Drei WÜNSCHE frei«, wobei gesellschaftlicher Druck in einer enthumanisierten Welt durch Toneinspeisung aus dem Off erfolgt. Sie befasst sich dabei auch mit Reinshagens dramatischer Innovationsfähigkeit.
In der letzten Abhandlung zu Reinshagens Dramen, »Eine moderne Medea? Metamorphose eines Mythos' in Die grüne Tür«, vergleicht Cynthia Snavely die Beziehung der antiken Medea-Figur zu ihrer Gesellschaft in Euripides' Drama der Antike mit den Entwicklungsmöglichkeiten von Reinshagens Medea-Figur Janna in der deutschen Gesellschaft am Ende des 20. Jahrhunderts. Während die Druckversion des Stückes die Anspielung auf den Medea-Mythos weglässt, hieß das Theaterstück bei der Uraufführung 1999 in Dresden noch Die grüne Tür oder Medea bleibt.
In der nächsten Abteilung der Anthologie geht es hauptsächlich um Reinshagens Prosawerke, sowie um ihren Stil und ihre Geschichten. Sie beginnt mit einem Thema, das von Anfang an im Zentrum von Reinshagens Interesse stand: dem Schicksal von Kindern und die Entwicklung junger Menschen. Monika Shafi untersucht in »Rousseau in Berlin. Kindheit und Geschlecht im Roman Am Grossen Stern« das Scheitern der Aufklärung und der Persistenz der Romantik im Zusammenhang von Bildungssehnsüchten und Erziehungsexperimenten unserer Zeit. Der Wunsch nach Vorbildern in der Gesellschaft in seiner literarischen Verkörperung bei Reinshagen wird von Walter Delabar in »Ikonen der Moderne. Zu Göttergeschichte und Leben und Tod der Marilyn Monroe« analysiert. Er stellt fest, dass die Ikonen in diesen Werken weniger als Vorbild dienen, denen nachzueifern wäre, sondern als Kontrastmittel, an dem es sich abzuarbeiten gilt. Inge Stephan trägt die Studie »Ein Ort für Zufälle. Berlin in Prosatexten von Gerlind Reinshagen« bei. Sie untersucht Örtlichkeiten der Großstadt in Reinshagens Romanen ROVINATO (1981), Die flüchtige Braut (1984), Jäger am Rand der Nacht (1993) und Am GROSSEN Stern (1996), und findet, dass es hierbei nicht um realistische geografische Angaben oder um die Erschaffung einer Stimmung geht, sondern dass poetische Topografien aufgestellt werden, die differenzierte Aspekte einer harschen Welt reflektieren, denen die Menschen schutzlos ausgesetzt sind.
Die weiteren Kapitel sind ganz oder teilweise dem neusten Roman VOM FEUER (2006) gewidmet. Werner Schulze-Reimpells Beitrag »Anwältin der >Schattenkindernur< darum, die Problematik des Erinnerns ernsthaft auszuloten. Einen anderen Zugang zum biografischen Aspekt öffnet Christiane Caemmerer in der Diskussion mit ihrem Artikel »Vertragsbruch! Der Autobiografische Pakt in Vom FEUER«. Sie stellt die allgemeine Frage nach dem autobiografischen Gehalt eines literarischen Werkes. Bei Reinshagens Roman kommt sie zu dem Schluss: Was auch immer die Autorin aus ihrem eigenen Leben erzählt, es geht ihr nicht um ihr eigenes Leben, sondern um Geschichten für alle. Elke Liebs analysiert in ihrem Artikel »Feuerzauber und Phönix-Asche. Der Bericht VOM Feuer« den Begriff der Erinnerung in diesem Roman aus psychologisch-linguistischer Perspektive. Es wird auf das Fragmentarische, das Ungewisse und auf die nachdenkliche, ambivalente Dynamik des Erinnerns bei Reinshagen hingewiesen. Gemäß Lacans und Freuds Begriff der Nachträglichkeit greift Reinshagen - nach Liebs - durch die konstitutive Rolle der Sprache in das Verständnis der Vergangenheit ein.
Das Symposium und dieser Band wurden durch die großzügige finanzielle Unterstützung verschiedener Sponsoren ermöglicht. Wir sind den folgenden Institutionen zu großem Dank verpflichtet: Max Kade Foundation Inc., New York; Literaturforum im Brecht-Haus, Berlin; Preußische Seehandlung, Berlin. Für die Erlaubnis, den Artikel von Jutta Wolfert nachzudrucken, danken wir dem Alexander Verlag. Für die Rechte zum Nachdruck der Fotos geht unser Dank an die Fotografen. Auch der Lektorin vom Verlag Theater der Zeit, Anja Dürrschmidt, sei für ihre sorgfältige und einfühlsame editorische Arbeit an dem Manuskript herzlichst gedankt.
Nicht zuletzt möchten wir uns ganz herzlich bei Gerlind Reinshagen bedanken, die uns unermüdlich geholfen hat, Kontakte herzustellen und notwendige Dokumente zu beschaffen. Wir widmen ihr diesen Band.
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VORWORT | Seite 6 |
DAS WERK UND DIE AUTORIN – RÜCKBLICK UND VORAUSSICHT | |
EINE WELT AUS SPRACHEEinführung in das Gesamtwerkvon Helga Kraft | Seite 12 |
»NICHTS GEGEN DAS SCHWINDELN, ES MUSS NUR GUT GEMACHT SEIN«Helga Kraft im Gespräch mit Gerlind Reinshagenvon Helga Kraft und Gerlind Reinshagen | Seite 37 |
REINSHAGEN UND DAS THEATER – RETROSPEKTIVE | Seite 48 |
DOPPELKOPF SPIELENDas dramatische Debüt der Autorinvon Karlheinz Braun | |
REINSHAGEN UND DAS THEATER - RETROPERSPEKTIVE | |
FÜR DAS SONNTAGSKINDEine Begegnungvon Alfred Kirchner | Seite 66 |
VON »DOPPELKOPF« BIS »FRÜHLINGSFEST«Die frühen Stücke im Kontext der Entstehungszeitvon Henning Rischbieter | Seite 69 |
DIE DRAMEN – VERKÖRPERUNG DER DEUTSCHEN VERGANGENHEIT | |
EIN AMERIKANISCHER IMPORTKörper und Nation in LEBEN UND TOD DER MARILYN MONROEvon Stacy Jeffries | Seite 82 |
FASCHISMUS UND KRIEG IN »SONNTAGSKINDER«Einbruch in die private Sphärevon Barbara Kosta | Seite 102 |
ALTERSELEGIE EINER GENERATIONZur Erinnerung an das Drama TANZ, MARIE!von Hinrich Seeba | Seite 116 |
DIE PERFORMANZ DES TONBANDSAkustische Aspekte in DREI WÜNSCHE FREIvon Jutta Wolfert | |
DIE DRAMEN – VERKÖRPERUNG DER DEUTSCHEN VERGANGENHEIT | Seite 132 |
EINE MODERNE MEDEA?Metamorphose eines Mythos in DIE GRÜNE TÜRvon Cynthia Snavely | |
VOM DRAMA ZUR PROSA – GESCHICHTE UND GESCHICHTEN ZU DEUTSCHLAND | |
ANWÄLTIN DER »SCHATTENKINDER«Von den frühen Hörspielen bis VOM FEUERvon Werner Schulze-Reimpell | Seite 152 |
IKONEN DER MODERNEZu GÖTTERGESCHICHTE und LEBEN UND TOD DER MARILYN MONROEvon Walter Delabar | Seite 156 |
»EIN ORT FÜR ZUFÄLLE«Berlin in Prosatexten von Gerlind Reinshagenvon Inge Stephan | Seite 167 |
ROUSSEAU IN BERLINKindheit und Geschlecht im Roman AM GROSSEN STERNvon Monika Shafi | Seite 176 |
FEUERZAUBER UND PHÖNIXASCHEDer Bericht VOM FEUERvon Elke Liebs | Seite 186 |
GRUPPENBILDER ALS SELBSTPORTRÄTSelbstfindung und Selbsterfindung in VOM FEUERvon Kuno Schumann | Seite 193 |
VERTRAGSBRUCH!Der autobiografische Pakt in VOM FEUERvon Christiane Caemmerer | Seite 202 |
GEDICHTE VON GERLIND REINSHAGEN | |
Anselmo, Schlachter in Montescudaiovon Gerlind Reinshagen | Seite 214 |
Erinnerungvon Gerlind Reinshagen | Seite 215 |
Heinrich und Henriettevon Gerlind Reinshagen | Seite 216 |
Annäherung an eine Personvon Gerlind Reinshagen | Seite 217 |
Rosinski IIvon Gerlind Reinshagen | Seite 219 |
Morandi IIvon Gerlind Reinshagen | Seite 220 |
Seine Frau allein zuhausvon Gerlind Reinshagen | Seite 221 |
Giorgio Morandi Ivon Gerlind Reinshagen | Seite 222 |
Der Buchhalter am Montagmorgen im Bürovon Gerlind Reinshagen | Seite 223 |
Anhang | |
Gerlind Reinshagen – Chronik und Werk | Seite 225 |
Sekundärliteratur | Seite 230 |
Verzeichnis der Autoren und Autorinnen | Seite 231 |
Index | Seite 237 |
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Zu den HerausgeberInnen
Therese Hörnigk
Helga Kraft
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