Hofmann&Lindholm
Nachgestellte Szene
von Philipp Blömeke, Martine Dennewald, Marcus Droß, Jörn Etzold, Ulrike Haß, Guido Hiß, Hofmann&Lindholm, Nikolaus Müller-Schöll, Jens Roselt, Marita Tatari und Kathrin Tiedemann
Herausgegeben von Kunststiftung NRW
Klappenbroschur mit 200 Seiten, Format: 220 x 267 mm
ISBN 978-3-95749-296-8, Mit zahlreichen farbigen Abbildungen
Hofmann&Lindholm beschäftigen sich mit ihrem Gegenstand, indem sie ihn beschäftigen: Sie stiften Unruhen in der Schweiz, führen Nachbarschaftssimulationen durch, lassen ihr Publikum auf offener Bühne verschwinden oder inszenieren einen nicht existierenden Theaterabend für den Repertoirebetrieb eines Schauspielhauses, sie entwickeln Revoltainments und Pre-Enactments. Die ungewöhnlichen Arbeiten des deutschen Künstlerpaars prägen seit nunmehr zwanzig Jahren Entwicklungen in Theater, Performance, Raum- und Radiokunst. Dabei suchen Hofmann&Lindholm auf abseitigen Wegen nach anderen Erzählweisen, Bildsprachen und künstlerischen Zugriffen – konzeptuell, subversiv, diskret. Das Materialbuch "Nachgestellte Szene" geht dieser Suche nach. Mit Beiträgen von Philipp Blömeke, Martine Dennewald, Marcus Droß, Jörn Etzold, Ulrike Haß, Guido Hiß, Hofmann&Lindholm, Nikolaus Müller-Schöll, Jens Roselt, Marita Tatari und Kathrin Tiedemann.
Vorwort der Kulturstiftung NRW
Charakteristisch für die Formensprache des Regie- und Autorenduos Hofmann&Lindholm sind ihre verborgenen Erzählweisen: Ihre nachgestellten Szenen – ob in Bühnen- oder Radiostücken, in Mehrkanal-Videoinstallationen, Experimentalfilmen oder in partizipativen und akustischen Stadtrauminterventionen – sind minutiös komponierte Partituren, die Faktisches und Fiktionales engmaschig verweben. Durch ihre sorgfältig recherchierten Texte, ihren analytisch-distanzierten Blick auf die Materialanordnung, ihre präzisen Montagetechniken und Handlungsanweisungen gelingen ihnen subtile Einschübe in tiefere Wahrnehmungsschichten, die detailscharf Verhältnismäßigkeiten zwischen Vergangenheit, Gegenwart und einer möglichen Zukunft abwägen, differenzieren und neu vermessen.
So werden etwa historische Ereignisse nicht zur dokumentarischen Beweisführung affirmativ abgebildet, sondern für den Betrachter immer als eine Konstruktion von Geschichte klar gekennzeichnet und in eine Erzählung eingebettet – jenseits der tatsächlichen Begebenheiten auch Unbeobachtetes, Verborgenes, mitunter Ungeheuerliches freisetzend. Auf diese Art wird die heimliche Anwesenheit eines doppelten Bodens aus Unsagbarem, Verdrängtem, Undenkbarem sichtbar gemacht.
Ebenso hintergründig verfahren beide in ihren sogenannten Pre-Enactments, die sie als Projektionen in die Zukunft mit imaginären Szenarien anreichern, dabei vorsorglich etwaige Gedächtnislücken scheinbar schließen; all dies geschieht jedoch ohne Gewähr oder Anspruch auf Wahrheit oder Vollständigkeit. Der für den Grimme Online Award nominierte Audio-Parcours Archiv der zukünftigen Ereignisse aus dem Jahr 2011 zum Beispiel verdeutlicht zudem ihre gegen Spektakel und Effekte resistente Arbeitsweise, stets nahe bei den Menschen, ihrer Würde und ihren komplexen Lebenswirklichkeiten.
Die zahlreichen Mitwirkenden aus einem breiten gesellschaftlichen und generationellen Spektrum (Hofmann&Lindholm nennen sie »Kompliz*innen«) stellten ihnen im Laufe von zwanzig Jahren ihre Geschichten, ihr Wissen und ihre individuellen Persönlichkeiten zur Verfügung; in den performativen Konstellationen war ihnen eine hohe Wertschätzung gewiss. Hofmann&Lindholms nachgestellte Szenen sind eben keine Re-Enactments im theaterwissenschaftlichen Sinn, die ikonografische Ereignisse wiederholen, vielmehr sind sie widerständige, subtile und künstlerisch autarke Stellungnahmen. Die Werkgenauigkeit und Faktenkenntnis sind hier die handwerkliche Basis für ihre fein austarierten Narrative von seltener gedanklicher Klarheit und Dichte. Wie forensische Architekten, die Erinnerungssplitter verifizieren und Leerstellen rekonstruieren, um neue Deutungsräume zu erschließen, so entwerfen, fiktionalisieren und archivieren Hofmann&Lindholm ihre Bildgedächtnisse und Zeitportraits: Leise, nachdenklich, unaufdringlich, poetisch, klug und intellektuell eigensinnig. – Überzeugt von ihrer hohen Qualität und ihrer Bedeutung für die deutsche und internationale Theaterszene hat die Kunststiftung NRW Hofmann&Lindholm in den vergangenen Jahren vielfach unterstützt. Als Vertreter eines postdramatischen Theaters haben sie ihre formalästhetischen Grundlagenforschungen konsequent ausdifferenziert und weiterentwickelt. Wir gratulieren Hannah Hofmann und Sven Lindholm zu ihrem 20-jährigen Jubiläum und wünschen den Leser*innen dieser Publikation eine erhellende wie anregende Lektüre.
Dr. Fritz Behrens
Präsident
Dr. Andrea Firmenich
Generalsekretärin
Christine Peters
Leitung Performing Arts
Kapitel | Seite |
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Kapitel | Seite |
Vorsatz zum Nachstellenvon Philipp Blömeke | Seite 11 |
FremdenzimmerStadtraumintervention/Rauminstallation | Seite 19 |
Vorbereitungen zum Generalstreikvon Marcus Droß | Seite 29 |
In PiecesSerielle Intervention für Stadttheater | Seite 35 |
UraufführungEin Abend für die Außenwirkung | Seite 47 |
»Kein Ort. Noch weniger eine Zeit.«von Guido Hiß | Seite 51 |
Ein Werk verschwindetShowformat/Film | Seite 57 |
Familie WeißNachbarschaftssimulation | Seite 63 |
Der arme Gebrauch der Weltvon Jörn Etzold | Seite 67 |
Vom Kinder-Glaubenvon Nikolaus Müller-Schöll | Seite 81 |
Séancen – Versuche zur Aufhebung der SchwerkraftDelegierte Intervention/Inszenierter Rapport | Seite 83 |
Heile WeltMarketingmanöver im Theater | Seite 93 |
Basler UnruhenArrangierte Revolte | Seite 97 |
StrichfassungIntervention | Seite 113 |
Serie Deutschland4-Kanal-Videoinstallation | Seite 115 |
Zwischen Schnappschuss und Szenevon Jens Roselt | Seite 121 |
Nebenschauplätze Nr. 1: Das 20. JahrhundertReanimation | Seite 139 |
Auftauchen und Auflösenvon Martine Dennewald | Seite 141 |
Theater ohne Theatervon Kathrin Tiedemann | Seite 147 |
Naughty Boys and GirlsMediale Schreckenskammer | Seite 151 |
faites vos jeux!Revoltainment | Seite 157 |
Geschichte des PublikumsDelegierte Intervention/Inszenierter Rapport | Seite 159 |
Das Werk der Teilnahmevon Marita Tatari | Seite 161 |
noch nichtDelegierte Intervention/Desinformationsübung | Seite 169 |
hiding pieceTanzstück | Seite 179 |
Die Kunst, ein UND zu installierenvon Ulrike Haß | Seite 183 |
Über Hofmann&Lindholm | Seite 191 |
Biografien | Seite 192 |
Verzeichnis | Seite 194 |
Bildnachweise | Seite 197 |
Impressum | Seite 199 |
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Zu den AutorInnen
Philipp Blömeke
Martine Dennewald
Marcus Droß
Jörn Etzold
Ulrike Haß
Guido Hiß
Hofmann&Lindholm
Nikolaus Müller-Schöll
Jens Roselt
Marita Tatari
Kathrin Tiedemann
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