Wer ist so feig, der jetzt noch könnte zagen
Deutsches Nationaltheater und Staatskapelle Weimar Intendanz Stephan Märki
Broschur mit 212 Seiten, Format: 230 x 270 mm
ISBN 978-3-942449-44-1
Dieses Buch ist leider vergriffen
"Ein prachtvoll gestalteter Bild-Text-Band voller Wortwitz und szenischer Dynamik." Thüringer Landeszeitung
Im Sommer 2012 endet die Intendanz von Stephan Märki: zwölf Jahre, in denen das Deutsche Nationaltheater und die Staatskapelle Weimar viel bewegt haben in Schauspiel, Oper, Tanz, Musik. Seit der Wende war das traditionsreiche Mehrspartenhaus durch Fusionspläne in seiner Existenz bedroht. Doch der beispiellose Einsatz der Weimarer Bürger und vieler überregionaler Unterstützer - von Antje Vollmer bis Richard von Weizsäcker - verhinderte, dass die politischen und finanziellen Herausforderungen das Eigentliche in den Schatten stellten: die Kunst.
Nicht nur die legendäre „Faust"-Inszenierung mit Thomas Thieme, das „Wilhelm Tell"-Gastspiel auf dem Rütli und Wagners „Ring des Nibelungen", auch das Erschließen neuer Räume und die Entwicklung neuer Theatersprachen stehen für die Zeit von Stephan Märkis Intendanz.
Mit dem als ‚Weimarer Modell' bundesweit diskutierten Weg gelang die Abwehr der Fusion, der Erhalt der Ensembles, die künstlerische Weiterentwicklung und schließlich die Ernennung zum heutigen Staatstheater Thüringen.
Das Buch ist Bilanz und Rückblick auf zwölf produktive und lebendige Jahre: in persönlichen Beiträgen vieler Wegbegleiter am Haus - in der Stadt und im Land - und in großformatigen Bildern der wichtigsten Inszenierungen.
Stephan Märki – Intendant im Weimarer Kontinuum: Das vorliegende Buch dokumentiert die zwölfjährige Intendanz Stephan Märkis am Deutschen Nationaltheater und der Staatskapelle Weimar auf sehr unterschiedlichen Wegen: Er versammelt die Erinnerungen der Gefährten und Begleiter, lässt noch einmal – bei Weitem nicht alle, aber viele – helle Momente des Theaters aufblitzen und gibt mit ausgewählten Fotografien wichtiger Inszenierungen Einblicke in eine lange künstlerische Schaffensphase. Es ringt dabei nicht um Vollständigkeit (und kann darauf nicht dringen), ist Erinnerungsbuch, Vergegenwärtigung und Archiv einer langen, durch verschiedene Phasen treibenden, bemerkenswerten Intendanz.
Wenn wir die aktuelle Situation der durch Krisen, aufsteckende Intendanten und unzureichende Reformen gekennzeichneten Theaterlandschaft in Deutschland beschreiben und das Fehlen der für das Theater so wichtigen Kontinuität immer mehr beklagen – bei Stephan Märki müssen wir es nicht. In der Übernahme und Teilung von Verantwortung, in der fortwährenden Suche nach neuen, spannenden und spannungsreichen personellen Konstellationen und in der Entwicklung einer durchgängigen Theaterästhetik war die Kontinuität im Handeln bei ihm immer gegeben.
Eine zwölfjährige Intendanz lässt vermuten, dass ein großes Beharrungsvermögen dazugehört, einer Stadt wie Weimar und einem Theater wie dem Nationaltheater die Treue zu halten. Die Dauer des Verharrens zeigt aber auch das Wagnis, das der metropolitan geprägte Schweizer Märki eingegangen ist in einer Kleinstadt, in der das Theater zwar der zentrale Ort ist; um den jedoch gleichzeitig der größte Bogen gemacht wird, wenn etwas nicht gefällt. Die damit verbundene und zuweilen lästig forcierte öffentliche Sichtbarkeit der handelnden Personen, ihre lokale Durchleuchtung, kann einem Theatermacher nur schwerlich gefallen. Er muss zum guten Arbeiten einen schützenden Ort vorfinden, ein Laboratorium, in dem ohne Störung konzipiert, geprobt, entwickelt werden kann. Sich diesem doppelten Druck auszusetzen, sich durchlässig zu machen für jede Regung des Mikrokosmos und gleichzeitig um höchste künstlerische Erfolge zu ringen, hält nicht jeder aus. Und sicher hat auch Stephan Märki in manchen Phasen an seiner Weimar-Entscheidung gezweifelt, gemeinsam mit vielen von uns. Ein Kern von engen Kollegen und Freunden ist dennoch bis zuletzt geblieben und hat gemeinsam mit ihm das möglich gemacht, was in diesem Buch aufgezeigt wird.
Märkis Intendanz zu erfassen und zu präzisieren setzt das Wagnis voraus, die Möglichkeiten der Leitung eines Mehrspartentheaters, wie es das Weimarer Nationaltheater mit seiner Staatskapelle ist, genauer zu untersuchen. Ein Intendant, der die künstlerische Ausrichtung des Hauses nach außen und innen verantwortet, kann aus einer dramaturgischen Richtung denken und handeln, er kann spielerisch-szenisch agieren und agieren lassen, er kann als Manager leiten und lenken. Märki nahm von alldem eine Prise und hatte ein gutes Auge, die Aufgaben dort, wo nötig, immer wieder neu zu mischen und zu verteilen. Sein Hauptaugenmerk lag jedoch auf einer übergreifenden Ästhetik, wie es so bei nur wenigen Intendanten deutscher Theater zu finden ist. Eine Ästhetik, die sich vom Design des Spielzeitheftes bis zu den Kostümen und Dekorationen der in hoher Qualität arbeitenden Werkstätten zog und auf die Inszenierungen insbesondere der jungen Regisseure und Regisseurinnen konzentrierte, die er förderte und forderte.
Märki ist in erster und letzter Instanz ein Ästhet – in der Realisierung wie der Reflexion. Mit ihm zusammenzuarbeiten hieß, ästhetische Qualität selbst mit geringsten Mitteln auf die Bühne zu bringen. Es bedeutete aber immer auch ein Beobachten und Wahrnehmen – in Vorsprechen oder Aufsichtsratssitzungen, auf Proben oder Premierenfeiern, in Konzerten oder im Stadtrat. Diese Ästhetik stand auf einem festen Grund, sie war nicht verdruckst und nicht verschwommen wie bei vielen Anderen, die plötzlich, als es in Modeschüben aufkam, einen ästhetischen Drang verspürten. Sie wurde aber auch nicht zur bedingenden Maßgabe des Hauses; sie war die einende Grundlage dafür, dass sich im Haus, in all seinen Spielstätten, so viele sich voneinander unterscheidende Ästhetiken entwickeln und zeigen konnten – und dass im Haus wie im Publikum auch das Bedürfnis nach unterschiedlichen Spielorten und mit ihnen verbundenen Spielweisen entstanden ist: selbstverständlich im großen Haus und auf der Studiobühne des Foyer III, ganz besonders aber im e-werk, das sich in Märkis Intendanz zu einer für alle Sparten bedeutenden Spielstätte und bei Publikum wie Künstlern eine große Anziehungskraft entwickelt hat, die zu herausragenden Arbeiten geführt hat.
Die Ästhetiken haben also auch ihre Wurzeln darin, dass sie sich auf verschiedenen Bühnen zeigen konnten. So hat sich in diesen zwölf Jahren eine repräsentative Bandbreite von Bühnensprachen realisiert: in der Oper die Klarheit in den Inszenierungen des Wagnerschen „Ring“ von Michael Schulz und Karsten Wiegands publikumszugewandte Produktionen; Michael Dißmeiers luzide Arbeiten an und für Barockopern; die opulenten und die Sinnentriebe des Menschen ridikül feiernden Kraftbildern von Lydia Steier, Gabriele Rech oder Christian Sedelmeyer; von der drängenden Kraft der Arbeiten von Schauspielregisseurinnen wie Thirza Bruncken, Claudia Meyer oder Grazyna Kanya bis zur ganz anderen Deutlichkeit der Ästhetiken Nora Schlockers, Tilmann Köhlers, Michael von zur Mühlens oder auch Thomas Thiemes. Beispiele für die ästhetische Vielfalt der letzten zwölf Jahre am Deutschen Nationaltheater zeigt dieses Buch, auch einige der eigenen Arbeiten von Stephan Märki für Schauspiel und Musiktheater, die auf ihre Weise zeigen, wie Klarheit und Zurückhaltung eine hellsichtige, assoziationsreiche und dabei stringente ästhetische Form und Gestaltung von Theater entstehen lassen.
Die Entwicklung dieser Bandbreite von Theaterästhetiken hat viel zu tun mit Liberalität; nicht mit Willkürlichkeit oder Buntheit, sondern mit einer prinzipiengeleiteten Großmut, die im Hintergrund bleibt und ein Theater als Schutzraum, Beobachtungsort und Laboratorium zugleich ermöglicht.
Märki war Fotograf, Werber, Schauspieler, bevor er Intendant wurde. Diese flanierende Biographie, die für ein Theater ebenso wichtig ist wie der gerade Weg, weil das Theater von all jenen lebt, die seinen Kosmos mit ihrem Wissen füttern, ist sein Signet. Stephan Märki, so könnte man es zusammenfassen, war der diskrete Intendant im Weimarer Kontinuum. Er hat trotz widrigster Umstände nicht zugelassen, dass sich die Dichte und Qualität aus dem Theatermaterial verflüchtigt, das wir Tag für Tag – mit ihm 4400 Abende lang – geschaffen haben.
Thomas Schmidt und Sophie-Thérèse Krempl
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Stephan Märki – Intendant im Weimarer Kontinuumvon Thomas Schmidt und Sophie-Thérèse Krempl | Seite 10 |
Grußwortvon Christoph Matschie | Seite 12 |
Zum Geleitvon Stefan Wolf | Seite 13 |
Wegbegleiter im Theater | |
Whatever Works – Ein Abschied in acht Sequenzenvon Thomas Schmidt | Seite 16 |
Dreimal „Faust“ und viele Fragenvon Karsten Wiegand | Seite 27 |
Notizen zu „Faust“von Thomas Potzger | Seite 30 |
Wo ist die Herdplatte – wir suchen einen Platz, um uns zu verbrennen!von Tilmann Köhler | Seite 41 |
Weimar, fruchtbarer Bodenvon Matthias Reichwald | Seite 43 |
Märki – Mann mit Formatvon Florian Scholz | Seite 44 |
Ein Festival für den Tanz Ivon Francesca Spinazzi | Seite 52 |
Ein Festival für den Tanz IIvon Estefania Miranda | Seite 53 |
Das Prinzip Chefdramaturgie – Geschichten einer Liebevon Stephan Märki | Seite 54 |
Ein Theater ermöglichenvon Michael Dissmeier | Seite 56 |
„Elektra“ von Richard Straussvon Martin Hoff | Seite 58 |
What did DNT do for me and my careervon Catherine Foster | Seite 59 |
Freiheit des Handelns, Freiheit der Kunst, Freiheit des Dialogsvon Michael Schulz | Seite 60 |
Ein Briefvon George Alexander Albrecht | Seite 64 |
Wegbegleiter in der Stadt | |
Wie findet man einen Theaterintendanten?von Lutz Vogel | Seite 88 |
Ein Schweizer in Weimarvon Alexander von Witzleben | Seite 90 |
Von der Neigung der Bibliothekare zum Trauerspielvon Michael Knoche | Seite 92 |
Die innere Freiheitvon Wolfgang Hirsch | Seite 95 |
Ein Gruß dem Tell, dem Stephan Märkivon Hellmut Seemann | Seite 98 |
Das große Glückvon Volkhardt Germer | Seite 102 |
Das Kunstfest im Deutschen Nationaltheatervon Nike Wagner und Ulrich A. Hauschild | Seite 104 |
Theater und Zivilgesellschaftvon Hans Hoffmeister | Seite 106 |
Wegbegleiter im Geiste | |
Gruß an St.M.von Adolf Muschg | Seite 120 |
Ein Briefvon Günther Eucker | Seite 123 |
Für Stephan Märkivon C. Bernd Sucher | Seite 126 |
Das Weimarer Modellvon Peter Raue | Seite 128 |
Der Kampf um das Weimarer Modell war ein Kampf um das kulturelle Zentrum einer StadtEin Gespräch mit Antje Vollmervon Antje Vollmer und Sophie-Thérèse Krempl | Seite 132 |
Mit Märki auf der Autobahn oder Versuch einer Einordnungvon Katrin Göring-Eckardt | Seite 161 |
Stadttheater und Theatertreffenvon Iris Laufenberg | Seite 163 |
Zehn letzte Fragen an Stephan Märkivon Stephan Märki und Thomas Schmidt | Seite 165 |
Chronik | |
Chronik der Inszenierungen 2000 bis 2012 | Seite 184 |
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter 2000 bis 2012 | Seite 201 |
Konzerte der Staatskapelle Weimar 2000 bis 2012 | Seite 208 |
„Ein prachtvoll gestalteter Bild-Text-Band voller Wortwitz und szenischer Dynamik.“Thüringer Landeszeitung