Heft 12/2000
Volker Braun
Rede zum Büchner-Preis
Broschur mit 88 Seiten, Format: 215 x 285 mm
ISSN 0040-5418
Verhältnisse der Bundesliga: Ein letzter Punktsieg für Michael Naumann - und ein ganz kurzes Aufatmen bei der Berliner Staatsoper. Einige Tage nachdem der Staatsminister für Kultur in einem Zeitungsbeitrag gegen die Kulturhoheit der Länder als "Verfassungsfolklore" gestichelt hatte, griff die Bundesregierung überraschend mit 3,5 Millionen Mark Zuschuss in die hauptstädtische Opernkrise ein. Daniel Barenboim wird bleiben, und inzwischen ist dieses Zuschussengagement - das zu guter Letzt auch von einem hinreißenden "Tristan" - Dirigat des Maestros angeregt worden sein soll - auf mehrere Jahre versprochen. Doch wenn die Situation der drei Berliner Opernhäuser nicht bald im Ganzen und mit weiterer Hilfe des Bundes geregelt wird, war das ein Pyrrhussieg, ein PR-Coup der Regierung, die ja ansonsten auch nicht völlig selbstlos ihren Standortfaktor stärkt, wenn man der Welt eine kulturtragende Hauptstadt präsentieren will.
Die Sache mit den 3,5 Mio hat mehr als einen Haken. Das beherzte Spontan-Engagement, wenn es denn eines war, dürfte bei anderen Institutionen, die auf eine bald geklärte Bundesversorgung hoffen, weit größere Begehrlichkeiten herausfordern. Die Position der Berliner Kulturpolitik, die trotz dieser kleinen Entlastung die Hauptverantwortung vieler Neuregelungen (sprich: Kürzungen) trägt, scheint geschwächt. Sie entscheidet nicht, welcher Patient seinen Notverband wo angelegt bekommt. Das dürfte zu sich steigernden Kompetenzstreitigkeiten führen, wobei eine traditionelle Kulturhoheit Berlins eher zu vernachlässigen ist und erstmal wieder zu stärken wäre, denn nicht allein psychologisch gesehen wirkt noch nach, dass die beiden Teilstädte Berlins mit ihren Spitzeninstitutionen lange Zeit zu einer Schaufensterkultur des Kalten Kriegs gehörten. So ist Berlin heute ein Land mit viel Kultur und zu wenig Kraft dafür und zugleich eine Hauptstadt, deren Regierung bei selbst erkanntem Bedarf (siehe Barenboims Staatskapelle) den materiellen Segen wie von oben herabträufeln lässt. Aber gerade dieser Umgang wird in Bundesländern mit ausgeprägter Kulturhoheit von Argusaugen verfolgt, wobei man dort gegen Verletzungen des Föderalismus - keine Verfassungsfolklore! - ebenso empfindlich sein dürfte wie für einen neuen Hauptstadtneid anfällig. Der kulturpolitische Dialog zwischen dem eigentlich immer diplomatischen Minister Naumann ("Möchte nicht kontraproduktiv entgegenwirken") und dem um Reformen und Entlastungen gleichermaßen bemühten Berliner Kultursenator Stölzl ("Wer A sagt, muss allerdings auch B sagen") las sich in seinen täglichen Miniszenen wie das Vorspiel zu einem ganz großen Krach. Worum wird es dann gehen? Vielleicht um eine Novellierung des Hauptstadtkulturvertrags, inklusive damit herbeigeführter Änderungen der Rechtsform für die großen, personalintensiven Einrichtungen, wie es die drei Opernhäuser sind.
Der Deutsche Bühnenverein warnt daher "vor einer negativen Signalwirkung der Berliner Kulturpolitik für die Theaterlandschaft der Bundesrepublik Deutschland" und fordert, "alles zu tun, um die Selbständigkeit der drei Opernhäuser zu erhalten". Eine andere Position, die keine vollständige Subventionsverantwortung für wenigstens eine der Berliner Opern auf Bundesebene vorsieht, kann es gar nicht geben, auch um den einer sorgfältigen Kulturförderung in der ganzen Republik skeptisch bis ablehnend gegenüber stehenden Kräften keine weitere Ermutigung zu geben. Und nun ist Naumann zurückgetreten, sein Nachfolger wird diese Subventionsverantwortung durchsetzen wollen, wenn die 3,5 Mio mehr als eine Geste gewesen sein sollen. Volker Braun, dessen Rede zur Verleihung des Georg-Büchner-Preises wir zum Auftakt dieses Heftes dokumentieren, wies, vor langer Zeit und durchaus immer wieder übertragbar, sinngemäß darauf hin, dass alles folgenlos bleibe, was nicht direkt an den Problemen der Zeit arbeite. Diese Verhältnisse ...
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