Heft 05/2001
Experiment Experimenta
Sechs Regisseure geben Auskunft
Broschur mit 84 Seiten, Format: 215 x 285 mm
ISSN 0040-5418
Die Kunst der richtigen Verpackung: Vor gut sechs Jahren unkte die "Süddeutsche Zeitung" mit der Serie "Gutes Theater - Leeres Theater?" ihre letzte große Theaterkrise herbei. Es wurde also wieder Zeit. Denn nachdem man sich Ende der 90er Jahre der neuen Regie-Generation förmlich in die Arme geworfen und die Enkel als Frischzellen-Kultur gehypt hatte, kam man - wie zu erwarten - mit einiger Verspätung wieder bei der eigenen Ernüchterung an.
Nun wird die Restauration des eigenen Blicks zu der des Theaters. Der schlechte Start des Hamburger Schauspielhauses und der Zuschauerschwund in Basel und Frankfurt am Main lassen sich da gut als Kater nach dem "Gebt-den-jungen-Leuten-dieTheater"-Rausch darstellen. (Die Wirtschaftsplanübererfüllung der Berliner Bühnen ist in diesem Zusammenhang als störende Positiv-Meldung auch erfolgreich verschwiegen worden.) Und obgleich die Theatergemeinde die Nominierungen des Theatertreffens als nette Abschiedsgeste der alten Jury ansieht, ist ausreichend Schizophrenie vorhanden, um das Treffen gleichzeitig als Anzeichen eines Rollback zu deuten. Die redaktionelle Genesis von der "Biedermeier-Krise" zur "Poptheater-Krise" brachte Moritz Rinke neulich in der "Zeit" auf den Punkt, als er von der Zeitung gebeten wurde, doch zur "Publikumsverweigerungskrise" Stellung zu nehmen. Auffallend dabei ist, dass diese vom Feuilleton angeheizten Debatten sich nicht aus den selber herbeigeschriebenen Dichotomien lösen können. Es geht weiterhin um Jung und Alt, Avantgarde und Tradition, auch wenn die Realität die Oppositionen durch "Mittelalte" oder die nachträgliche Einladung Christoph Schlingensiefs zum Theatertreffen bereits auflöst. Podiumsdiskussionen dürfen da nur noch "Theater zwischen Literatur-Museum und Party-Schuppen" heißen. Bei selbiger Diskussion mit Tom Stromberg (Interview S. 14) im Hamburger Schauspielhaus mussten die geladenen Theatermacher fast müde darauf hinweisen, dass es diese homogenen Gruppierungen doch gar nicht gäbe. Auch wenn man im Fall der Experimenta 7 mit einer Art Gegen-Theatertreffen das Schema durchaus bedient, ist es ignorant, die einzelnen Regisseure in ihrer Ästhetik über einen Kamm zu scheren - genauso wie das bei Peymann, Stein und Bondy nicht ging und geht.
Die wesentlichen Fragen, zum Beispiel welche Inszenierungen denn (mit egal welcher Ästhetik) die Auseinandersetzung mit aktuellen Befindlichkeiten suchen und auch zu fassen bekommen, werden nicht gestellt. Über welche Befindlichkeiten müsste man dann reden? Wenn die Experimenta 7 behauptet: "Gesellschaft diskutieren" (S. 4). Heißt das, dass die Inszenierungen das leisten oder nur das dazu organisierte Rahmenprogramm? Ist das Verpackungskunst? Wer nimmt hier was fur sich in Anspruch? Warum sehnt sich das kulturkonservative Feuilleton nach "Kunst"? Geht es darum, wie Thomas Assheuer meint, dass die unverfälschte Kultur die Krise abfedern soll, die sozial nicht zu bewältigen ist? Auch Adolf Dresen benennt eine Krise des Theaters, indem er behauptet. dass die Umlaufbahn der Theaterkunst zu weit vom Publikum entfernt sei. (S. 8)
Leider kann man im Zuge der oben genannten Debatten auch Gerhard Stadelmaier nicht mehr ernst nehmen, wenn er in einer Art Adolf-Hitler-ist-Pop-Prosa "jene kurzgeschorenen käsbleichen wackeren Blockwarte des sogenannten jungen Theaters" wie eine neonazistische Fixer-Bewegung diskriminiert, um ein paar Tage später dem "Danton" des kurzgeschorenen und käsbleichen Thomas Ostermeier zu huldigen. Ist dies vielleicht doch eher die Krise des Feuilletons?
Die Redaktion
(P.S.: Waren wir eigentlich nicht schon in der Post-Pop-Epoche angelangt?
Wieso heiß t das jetz t wieder Poptheater?)
Artikel | Seite |
---|---|
Artikel | Seite |
Editorial | Seite 1 |
Die Kunst der richtigen Verpackung | |
Festival | Seite 4 |
Die Experimenta-ListenSechs Regisseure geben Auskunftvon Tom Kühnel, Thomas Ostermeier, Robert Schuster, Nicolas Stemann, Christina Paulhofer, Sebastian Nübling und Christiane Kühl | |
Essay | Seite 8 |
Wer weiß, wo Gott wohnt?Bemerkungen zur Situation unseres Theatersvon Adolf Dresen | |
Hamburg | Seite 14 |
Rollt der Ball ins Aus?Tom Stromberg und sein neuer Chefdramaturg Michael Eberth im Gespräch mit Stefan Grund und Thomas Irmervon Thomas Irmer, Stefan Grund und Michael Eberth | |
Aktuelle Inszenierung | |
Groß, freundlich, fernMatthias Hartmann inszeniert die Bochumer Uraufführung von Botho Strauß' "Der Narr und seine Frau heute abend in Pancomedia"von Ulrich Deuter | Seite 16 |
Kämpfen mit dem Exzess"Berlin Alexander Platz" und "Macht nichts" am Schauspielhaus Zürich | Seite 20 |
Rollenbild | Seite 24 |
Er verklärt sich!Markus Meyer spielt Baal in Berlinvon Thomas Irmer | |
Bühnenbild | Seite 26 |
Lust an der ÜberraschungBarbara Ehnes im Gespräch mit Jan Eilhardtvon Barbara Ehnes und Jan Eilhardt | |
Reportage | Seite 30 |
Schule des VerbrechensDie Theatergruppe aufBruch probt in der Justizvollzugsanstalt Tegelvon Annett Gröschner | |
München | Seite 34 |
Der AvantgardenstadlEin Rückblick auf den Münchner Marstall unter Elisabeth Schweegervon Sabine Dultz | |
Freies Theater | Seite 36 |
Brutstätte ProvinzDas Theater Tuchlaube Aarauvon Alfred Schlienger | |
Ausbildung | Seite 39 |
Lichtkunst für die BühneDer Bachelor-Studiengang Lichtgestaltung in Münchenvon Eva Maria Fischer | |
Palästina | Seite 42 |
"Soll ich mich für meine Leiden schämen?"Der Regisseur Hayyan Joubeh im Gespräch mit Doris Kunzmann und Christine Sohnvon Hayyan Joubeh, Doris Kunzmann und Christine Sohn | |
Auftritt | |
Joachim Schlömers Abschied mit "Senza fine"Baselvon Alfred Schlienger | Seite 46 |
Thomas Ostermeier inszeniert "Dantons Tod"Berlinvon Martin Linzer | Seite 47 |
Uraufführung "A. ist eine Andere" von A. Sauter/B. StudlarChemnitzvon Ralph Gambihler | Seite 48 |
uraufführung "Nietzsche!" von Tom Peuckert am TheaterhausJenavon Frank Quilitzsch | Seite 49 |
Goethes "Faust" mit Thomas Thieme in der TitelrolleWeimarvon Frank Quilitzsch | Seite 49 |
Tom Kühnel inszeniert Wagners "Ring" als SchauspielFrankfurt/M.von Sabine Heymann | Seite 50 |
"Das letzte Loch" von Irvine Welsh erstaufgeführtNeussvon Christian Peiseler | Seite 51 |
Sam Shepards "Augen für Consuela" erstaufgeführtAachenvon Christian Peiseler | Seite 52 |
F. Mitterers "Die Kinder des Teufels" und M. Balianis "Saturnus"Esslingenvon Otto Paul Burkhardt | Seite 53 |
"Bobby Fischer lebt in Pasadena" von Lars NorénInnsbruckvon Wilfried Passow | Seite 55 |
Kolumne | Seite 57 |
Die Mitarbeiter des Monatsvon Robin Detje | |
Stück | |
Im KZ gibt's jetzt KinderschokoladeThomas Irmer fragt Uta Ackermann und Werner Fritschvon Thomas Irmer, Werner Fritsch und Uta Ackermann | Seite 58 |
SUPERMARKTFassung April 2001von Herbert Fritsch und Uta Ackermann | Seite 59 |
Magazin | |
Heiner Müller-Symposium in Bochumvon Christina Schmidt | Seite 78 |
Wanderausstellung Politik und Theatervon Stefan Grund | Seite 78 |
BücherJan-christoph Hauschild: Heiner Müller oder Das Prinzip Zweifel. Aufbau Verlag Berlin, 619von Thomas Irmer | Seite 79 |
BücherDers.: Heiner Müller Rowohlt Taschenbuch verlag, Reinbek bei Hamburg, , 160 S. Hendrik Werner: Im Namen des Verrats. Heiner Müllers Gedächtnis der Texte. Königshausen & Neumann, Würzburg, 333 S.von Thomas Irmer | Seite 79 |
Meldungen | Seite 80 |
Premierenkalender | Seite 81 |
Autoren | Seite 84 |
Impressum | Seite 84 |
Uta Ackermann
Otto Paul Burkhardt
Robin Detje
Ulrich Deuter
Adolf Dresen
Sabine Dultz
Michael Eberth
Barbara Ehnes
Jan Eilhardt
Eva Maria Fischer
Herbert Fritsch
Werner Fritsch
Ralph Gambihler
Annett Gröschner
Stefan Grund
Sabine Heymann
Thomas Irmer
Hayyan Joubeh
Christiane Kühl
Tom Kühnel
Doris Kunzmann
Martin Linzer
Sebastian Nübling
Thomas Ostermeier
Wilfried Passow
Christina Paulhofer
Christian Peiseler
Frank Quilitzsch
Alfred Schlienger
Christina Schmidt
Robert Schuster
Christine Sohn
Nicolas Stemann
€ 6,99
Zu den Apps
Versandfertig in 1 - 3 Werktagen. Kostenfreier Standardversand innerhalb Deutschlands, zzgl. Versandkosten ins Ausland. Alle Preisangaben inkl. MwSt.
Die elektronische Ausgabe steht direkt nach dem Kauf zur Verfügung. Unsere eMagazine können Sie mit nahezu allen Geräten lesen, da das PDF ein plattformunabhängiges Format ist.
Zeitschrift
Neue Bücher
Jeden Monat die wichtigsten Themen bei Theater der Zeit
Newsletter abonnieren