Heft 02/2003
Elfriede Jelinek
Rede zum Heine-Preis
Broschur mit 80 Seiten, Format: 215 x 285 mm
ISSN 0040-5418
ATTAismus wäre ALLES: Ob Kunst sich durch radikale Umbrüche erneuert oder dafür doch erst länger noch auf alten Fundamenten tanzt, das hat den Aktionskünstler Christoph Schlingensief immer schon interessiert. Er glaubt an beides, auf paradoxe Weise. Stets stand er aufden Schultern vom alten Beuys und spähte ins neue Jahrtausend. Manchmal auch im Theater, als für ihn eigentlich obsoletes, aber medial immer noch bestens federndes Sprungbrett. Für Ideen, Missverständnisse und interessante Irrtümer, die von anderen dann weitererzählt werden. Das ist der eigentliche Vorgang - als Wirkung. Unter professionellen Medienbenutzern Multiplikatoren genannt, spricht Schlingensief von Boten, die außerhalb des Theaters - wie hier gerade - seine Erzählung bilden und verbreiten. Nun also, mit radikaler Geste in beinahe traditionellem Gehäuse, noch einmal der Versuch, den vielen Ismen der Moderne einen weiteren folgen zu lassen. Mit respektablem Abstand.
"Atta Atta", das klingt wie Dada und Kinderscheiße, ein bisschen Reinigung und unheimlicher Mohammed noch dazu. Der hat mit seinen Todespiloten nicht nur eine weltpolitische Katastrophe ausgelöst, sondern damit etwas geschafft, das seit Stockhausens schockhafter ästhetischer Bewertung der ATTAntate auf das World Trade Center die Diskussion der modernen Kunst in neue, wieder aufregende Dimensionen treibt. Die moderne Kunst selbst ist ja seit langem schon in Museen gut verwahrt oder fahrt wie gerade Malewitschs "Schwarzes Quadrat" höchst ver- und gesichert zwischen Moskau, Amsterdam und Berlin hin und her. Schlingensiefs Volksbühnen-Aufführung mit dem A-A-Titel ist vergleichsweise wenig abgesichert und ruft vielleicht deshalb nochmal einige Gesten der (Post)Moderne als zitatiges Erkennspiel ab: Beuys' "Wie man einem toten Hasen Bilder erklärt" selbstverständlich, Robert Smithsons "Spiral Jetty" , Body-Painting, und sogar ein bisschen Nagel-Uecker ist dabei. Das läuft und begleitet den skurrilen Passionsweg des von seinen Eltern (Irm Hermann und Josef Bierbichler) zu den Pfadfindern und der "Kurzfilmgruppe Oberhausen" fliehenden Künstler Christophoros bis zu dem rein zeitlichen Punkt, da andere die Bedeutung von Schlingensiefs Theaterauffuhrung bereits zum Ismus multipliziert haben, bevor sie überhaupt stattfand. Schon während der Proben referierte Peter Weibel, mit allsphäriger Entschlossenheit, über ATTAismus als "die Summe aller Möglichkeiten, die vorige Avantgarden offen gelassen haben". Neu wäre also, um sich eines schlichten Vergleichs zu bedienen: Picasso malte seine entsprechenden Bilder erst, als der Kubismus schon mit rundum nach vorn offener Verbrämung ausgerufen war. Kunsttheorie, die ihren Gegenstand in Jungfernzeugung hervorbringt, gehört zweifellos zum Dynamit der Moderne. Schlingensiefhat daher den ATTAismus mit Peter Weibel, Bazon Brock, Boris Groys und Peter Sloterdijk in die Welt erregt (Programmbuch "Ausbruch der Kunst") - allerdings ohne ein diesen hochhaushoch interessanten Überlegungen adäquates Werk folgen zu lassen, das dem - in den alten Schemata Mitdenkenden - hätte vorausgehen können. Mal sehen, was daraus geworden wäre.
Was daraus jetzt wird, das fragt man sich bei dem seit Anfang des Jahres geltenden Normalvertrag Bühne, kurz NV. Ein notwendiger Schritt zur Vereinheitlichung eines für die Theater kaum zu bewältigenden Tarifwirrwarrs, begrüßen ihn vor allem die Verwaltungsspitzen - nicht genug, meinen einige Intendanten. Immerhin, die Zukunft besteht nicht nur aus Budgetkürzungen, sie werden nun auch anders verteilt werden können. Fortschritt im Kollaps? (S. 31 bis 35)
Die Welt starrt auf den Irak im nächsten Ölkrieg. Das Land ist selbst von kriegskritischen Berichterstattern mit oberflächlichen Bagdad-Impressionen und spekulativen Saddam-Analysen geradezu "leer" geschrieben worden - kaum jemand weiß, was außerhalb dieser allein um den großen Krieg sich drehenden Darstellungen dort passiert ist. Der aus dem Irak stammende kurdische Regisseur Hawre Zangana vermittelt einen Eindruck vom Theater seines Volks und schickte dazu Fotos, die in keinem hochprofessionellen Theater-Medien-Betrieb entstanden (S. 38), sondern ungewöhnliche Dokumente sind. Vielen Dank!
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