Heft 09/2008
Mit der Bestie spielen
Der Regisseur Romeo Castellucci im Gespräch
Broschur mit 112 Seiten, Format: 215 x 285 mm
ISSN 0040-5418
Nicht durch das Spiel die Realität abzubilden, sondern im Spiel eine eigene Wirklichkeit entstehen zu lassen, lautete das Credo des Theatergottes Klaus Michael Grüber, der in diesem Sommer verstarb. Hans-Thies Lehmann und Helene Varopoulou gedenken dieses ganz großen Theaterkünstlers, indem sie seine Arbeit vergegenwärtigen. Unsere Septemberausgabe steht im Zeichen des vergangenen Festivalsommers: Wir berichten über das Geschehen in Avignon und Halle, Beirut und Bayreuth, Dresden und Salzburg, Wiesbaden, Mainz und Zagreb. Ein Essay des bulgarischen Autors Konstantin Iliev beschreibt zudem den mitteleuropäischen Festivalzirkus aus ebenso räumlicher wie kritischer Distanz.
Der Versuch, in diesem Editorial eine Road Map aller Regisseure und Gruppen zu erstellen, deren Aufführungen unsere Redakteure und Korrespondenten bei ihren Festivalbesuchen angesichtig wurden, übersteigt die dafür geplanten Kapazitäten weit. Also nur so viel: In Südfrankreich begegneten Frank Raddatz und Lena Schneider dem italienischen Ausnahmeregisseur Romeo Castellucci, der die Echtheit seiner Dante-Inszenierung besiegelt, indem er sich von Schäferhunden anfallen lässt. In einem seiner seltenen Gespräche fand sich Castellucci bereit, seine Bildkaskaden der „Göttlichen Komödie" zu erläutern. In Bayreuth geht Dorte Lena Eilers der Inszenierung des „Parsifal" von Stefan Herheim nach, wo sich Kriegsverletzte des Ersten Weltkriegs während der Roaring Twenties in Klingsors Entertainment-Lazarett von süßen Revuegirls gesundvögeln lassen. In Halle trumpfte das ITI mit dem Festival Theater der Welt auf und verkündete eine Auslastung von 97 Prozent, die wir hier gerne auf 100 Prozent aufrunden wollen, war doch auch ein Fußballstadion Ort theatralischer Exekutionskunst. Der Name war hier Programm, und Gruppen aus London, New York und Rimini gaben sich die Klinke in die Hand. Herausragend Eimutas Nekrosius „Faustas", erstmals in Deutschland zu sehen. Wiesbaden und Mainz warteten mit der 9. Theaterbiennale Neue Stücke aus Europa auf, wo der französische Autor und Regisseur Phillipe Quesne ebenso Aufsehen erregte wie Sahika Tekand aus der Türkei mit ihrer Version des Antigone-Stoffes „Euridikes Schrei". In Zagreb besuchte Kathrin Tiedemann das Eurokaz-Festival, das sich diesmal mit der US-amerikanischen Theaterszene auseinandersetzte. Hier verabschiedete sich die legendäre Performertruppe Goat Island aus Chicago von der Szene, während Liz Le Compte und die New Yorker Wooster Group und das Nature Theatre of Oklahoma bewiesen, dass die Show weitergeht.
In Beirut erkundeten Kathrin Tiedemann und Frank Raddatz die kunstzugewandte Szene, wo eine Schar mutiger und lebensfroher Libanesen mit unterschiedlicher religiöser Zugehörigkeit gegen den Wahnsinn des fundamentalistisch gelebten Monotheismus ankämpft. Ein ungewöhnliches Experiment wagten das Dresdener Societaetstheater und das Berliner HAU, die die Szene der Republik Moldau zu Gast hatten. Auch wenn das Stück „Fuck You, Eu.ro.Pa!" (Regie Gergana Dimitrova) kontrovers aufgenommen wurde - ein großer Erfolg. Mit einer eigenen Sicht auf Büchners „Dantons Tod" eröffnet der junge Autor Dirk Laucke unsere Rubrik Lesarten: In jeder Ausgabe wollen wir hier die neue, originäre Lesart eines bekannten - oder weniger bekannten - Theatertextes vorstellen.
Keine Frage: Das Theater lebt, experimentiert, erprobt sich und seine Grenzen. Zumindest jenseits der geheiligten Stadttheaterstrukturen, die uns hoffentlich auch in der anbrechenden Spielzeit mit einigen Überraschungen vom Barhocker hauen und nicht wie allzu oft dem Gott der Routine die Talente der Schauspielkunst opfern.
Die Redaktion
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Gespräch | Seite 16 |
Das Haus muss brennenRomeo Castellucci, der italienische Regisseur und artiste associé beim diesjährigen Festival d’Avignon, im Gespräch mit Lena Schneider und Frank Raddatzvon Frank M. Raddatz, Lena Schneider und Romeo Castellucci | |
Festival | Seite 21 |
Mit der Bestie spielenBeim Festival d’Avignon offenbart kraftvolles Bildertheater die Schwächen des zeitgenössischen Texttheatersvon Lena Schneider | |
Bildende Kunst | Seite 24 |
Von Hirschen und anderen OrtenDie Salzburger Festspiele bringen die bildenden Künste auf die Bühnevon Nicole Gronemeyer | |
Musiktheater | Seite 26 |
Der olle HumpenWie Stefan Herheim bei den Bayreuther Festspielen mit seinem „Parsifal“ dem Grünen Hügel seine Heiligkeit austreibtvon Dorte Lena Eilers | |
Festival | |
Der Gestus des BettlersDer bulgarische Autor Konstantin Iliev über einen ungleichen Wettbewerb im europäischen Festivalbetrieb | Seite 28 |
Can I tell you about my wishes?Halle: Theater der Welt zwischen Internationalität und Regionalitätvon Christian Horn | Seite 33 |
Hohelied auf die EinzigartigkeitWiesbaden und Mainz: Die 9. Theaterbiennale Neue Stücke aus Europa taumelt zwischen Welttheater und Provinzpossevon Shirin Sojitrawalla | Seite 36 |
BandenbildungZagreb: Das Eurokaz-Festival 2008 setzt auf Kollektive und Künstlerpaarevon Kathrin Tiedemann | Seite 38 |
Nachruf | Seite 40 |
Eine Reise in die StilleZum Tod von Klaus Michael Grübervon Hans-Thies Lehmann und Eleni Varopoulou | |
Gespräch | Seite 42 |
„Der Raum ist unsere wichtigste Ressource“Das Radialsystem V in Berlin – der Künstlerische Leiter Jochen Sandig und Dr. Friederike Reutter von der BASF im Gespräch mit Frank Raddatzvon Frank M. Raddatz, Jochen Sandig und Friederike Reutter | |
Ausland | |
Das Kabinett des SchreckensKunst im Libanon zwischen Konsum und Gedächtnisverlustvon Frank M. Raddatz und Kathrin Tiedemann | Seite 46 |
Das kleine Land dazwischenIm Dresdner Societaetstheater befasste sich erstmals ein Festival mit Theater aus der Republik Moldauvon Norbert Seidel | Seite 50 |
Zu Gast im Dauercamper-StaatDas Projekt „Moldova Camping“ im Berliner HAUvon Sabine Schouten | Seite 52 |
Autorengespräch | Seite 64 |
Mauern aus Essen und AngstDie moldauische Autorin Nicoleta Esinencu im Email-Interview mit Sabine Schoutenvon Sabine Schouten und Nicoleta Esinencu | |
Stück | Seite 66 |
„zuckerfrei“von Nicoleta Esinencu | |
Lesarten | Seite 74 |
Georg Büchner „Dantons Tod“Das Gegröle von der Freiheitvon Dirk Laucke | |
Kolumne | Seite 75 |
Die Huren der 68er-Bewegungvon Emine Sevgi Özdamar | |
Magazin | |
Den Kojoten am Schwanz packenAm Gießener Institut für angewandte Theaterwissenschaft forschte ein Symposium nach Möglichkeiten, Heiner Müller zu sprechenvon Sebastian Kirsch | Seite 76 |
Experten unter sichDie 1. Berliner Tagung der Regieschulen an der Hochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch" fragte nach der Regieausbildung für das Gegenwartstheatervon Nicole Gronemeyer | Seite 78 |
Konsonanten kauende SprachmaschinenDas Festival In Transit im Berliner Haus der Kulturen der Weltvon Sabine Schouten | Seite 79 |
Tür auf, Tür zuMit Goldonis "Der Diener zweier Herren" verabschiedet sich Katja Paryla vom Theater Chemnitzvon Martin Linzer | Seite 80 |
Das verlorene Ich als Endpunkt eines Zeitalters"Einar Schleef. Der Maler". Eine Ausstellung in Halle/Saalevon Ute Müller-Tischler | Seite 82 |
Hinterm Horizont geht's weiterNeuer Fonds für internationale Theaterpartnerschaften der Kulturstiftung des Bundesvon Maja Weber | Seite 83 |
Der Cowboy aus dem BreisgauZum Tod Dieter Kümmels, dem langjährigen Leiter des Freiburger Theaters im Marienbadvon Wolfgang Schneider | Seite 84 |
Bücher"Nicht ohne Narrheit. Geschichte in Geschichten von und über Hartwig Albiro."von Martin Linzer | Seite 85 |
BücherHedwig Rost/Jörg Baesecke: "Höher als der Himmel, tiefer als das Meer".von Tristan Berger | Seite 86 |
Linzers Eck | Seite 87 |
Ohne Scheiß kein Preis oder Die alternative Preislistevon Martin Linzer | |
Radiovorschau | Seite 88 |
Große Szene am FlussHörspiel von Tankred Dorst und Ursula Ehlervon Gerwig Epkes | |
Tausend Zimmer und keine Seele. Das Spukschloss der deutschen GeschichteFeature von Dieter Hildebrandtvon Gerwig Epkes | |
Der Mann ohne EigenschaftenVon Robert Musil. Skript: Katarina Agathos/Klaus Buhlert/Herbert Kapfer. Wissenschaftliche Beratung: Walter Fantavon Gerwig Epkes | |
Bernarda Albas Hausvon Gerwig Epkes | |
Blutige Bytes. Spürnasen im Abfall der Weltgeschichtevon Gerwig Epkes | |
Korrespondenten | Seite 90 |
Stuttgart: Mit Harald Schmidt "Hamlet" schunkelnvon Otto Paul Burkhardt | |
Köln/Essen: Mit Zuschüssen Staatstheater werdenvon Vasco Boenisch | |
Meldungen | Seite 91 |
Premierenkalender | Seite 93 |
Oktober 2008 | |
Impressum | Seite 95 |
Kommentar | Seite 96 |
Rostocker Intendantenabgangvon Manfred Zelt |
Tristan Berger
Vasco Boenisch
Otto Paul Burkhardt
Romeo Castellucci
Dorte Lena Eilers
Gerwig Epkes
Nicoleta Esinencu
Nicole Gronemeyer
Christian Horn
Sebastian Kirsch
Dirk Laucke
Hans-Thies Lehmann
Martin Linzer
Ute Müller-Tischler
Emine Sevgi Özdamar
Frank M. Raddatz
Friederike Reutter
Jochen Sandig
Lena Schneider
Wolfgang Schneider
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