Heft 02/2013
Übermaß und Aberwitz
Der Schauspieler Bernd Grawert
Broschur mit 84 Seiten, Format: 215 x 285 mm
ISSN 0040-5418
Bekanntlich ist Deutschland von der Krise im Euroland nicht in der Weise betroffen wie insbesondere seine südlichen Nachbarn. Trotzdem frisst sich die Finanzkrise immer tiefer auch in unsere Lebenswirklichkeit und erweist, so der Direktor des NRW-KULTURsekretariats Christian Esch, ihre tiefe systemische Wirkung ausgerechnet in den Kommunen, wo sie „zu den größten, weil spürbarsten Verwerfungen führt, bis hin zur Spaltung der Bevölkerung nicht nur in Arm und Reich“.
So wie Krankheiten gerade dort virulent werden, wo der Körper am schwächsten ist, trifft die Krise vor allem das Ruhrgebiet. Zunehmend rächt sich, dass in der dichtesten Theaterlandschaft der Welt der Strukturwandel nicht wirklich stattgefunden und die Politik keine Antwort auf die Deindustrialisierung gefunden hat. Neben Christian Eschs Positionspapier veröffentlichen wir einen Diskussionsmitschnitt aus Oberhausen, wo Peter Carp, Intendant des Theaters Oberhausen, Rainer Häusler, Kämmerer der Stadt Leverkusen und Autor des Buches „Deutschland stirbt im Westen“, Sewan Latchinian, Intendant der Neuen Bühne Senftenberg, Apostolos Tsalastras, Kämmerer und Kulturdezernent der Stadt Oberhausen, Schorsch Kamerun, Sänger, Autor und Regisseur, sowie Anja Dirks, Leiterin des internationalen Festivals Theaterformen in Hannover und Braunschweig, miteinander über mögliche Lösungen des Desasters diskutierten.
Vorläufiges Fazit: Der Weg kann nur irgendwo zwischen Stadttheater und freier Szene verlaufen. Dringend gesucht werden neuartige Theatermodelle, kreative Lösungen, die, von Ort zu Ort unterschiedlich, nicht nur innovative Produkte schaffen, sondern bereits im Vorfeld durch unkonventionelle Ansätze überzeugen. Gelänge es, die Krisenlandschaft als Experimentierfeld zu begreifen, das den Wagemutigen offensteht, wäre schon vieles gewonnen.
„Alles ist immer in Bewegung!“ heißt auch das Credo in Mirka Dörings Artikel über die Bühnen von Florian Lösche, der selbst mit begeisterter Ungläubigkeit darüber zu staunen scheint, „was er da realisiert“. Ein Unterton von Bewunderung schwingt ebenfalls mit, wenn Gunnar Decker über Schauspielkoloss Bernd Grawert berichtet: „Ein Schauspieler, der das Lustprinzip auf intelligente Weise kultiviert, wohl wissend, dass hier auch immer die Unlust droht. Er lässt skeptische Brüche zu, spielt Distanzen nicht weg.“
Lust auf das Andere macht Renate Klett, die über Les Récréâtrales, das große Theaterfestival von Burkina Faso, berichtet, das alle zwei Jahre in der Hauptstadt Ouagadougou stattfindet: „So anspruchsvoll wie sein Titel, ein Wortspiel aus résistance und création théâtrale, ist auch das Programm.“ Besonders Regisseur Martin Ambara aus Kamerun und sein philosophisches Großspektakel „Al Mustapha“ erregen unsere Neugier. „Das Gesamtkunstwerk aus orientalischen Lebensweisheiten, einer Art szenischem Probentagebuch und ketzerischen Theaterthesen verlangt den physischen Totaleinsatz aller Darsteller/-innen und von den Zuschauern eine Offenheit, zu der nicht alle bereit sind. Aber wer sich drauf einlässt, wird belohnt. Feuer und Lichtblitze aus allen Höhen und Tiefen, durcheinanderwirbelnde Schauspieler und Sentenzen, eine Verschwörung, die die Grenzen des Gewohnten zu sprengen und sämtliche Sterne und Metaebenen vom Himmel zu reißen vermag.“ Schöner und leidenschaftlicher kann man Theater kaum beschreiben. Auf nach Kamerun, ihr Philosophen, kann man da nur wünschen. //
Die Redaktion
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Protagonisten | |
KünstlerinsertBühnenarbeitenvon Florian Löschezum Online-Extra: Storyboard zu „Einige Nachrichten an das All“ | Seite 4 |
Flatternd über dem AbgrundDer Bühnenbildner Florian Lösche löst den Widerspruch zwischen Flüchtigkeit und Monumentalität in eine leichtfüßige Eleganz aufvon Mirka Döringzum Online-Extra: Videotrailer zu Arbeiten von Bühnenbildner Florian Lösche | Seite 8 |
Übermaß und AberwitzDer Schauspieler Bernd Grawert. Ein Porträtvon Gunnar Decker | Seite 12 |
Thema | Seite 17 |
Für ein freies Stadttheater!Stehen die NRW-Theater vor dem Aus? Oder vor wegweisenden Veränderungen? Ein Streitgespräch, moderiert von Dorte Lena Eilersvon Dorte Lena Eilers, Anja Dirks, Sewan Latchinian, Peter Carp, Schorsch Kamerun, Rainer Häusler und Apostolos Tsalastras | |
Kolumne | Seite 21 |
Money, Money, Moneyvon Hans-Thies Lehmann | |
Thema | Seite 22 |
Verändere sich, wer kann!Zur Zukunft der Theaterlandschaft NRWvon Christian Esch | |
Aktuelle Inszenierung | Seite 24 |
Zeitsprung ins NichtsMit „Demenz Depression und Revolution“ inszeniert Armin Petras seine letzte Arbeit als Intendant des Maxim Gorki Theaters Berlinvon Gunnar Decker | |
Look Out | |
Kraftlackel mit wunder SeeleDer Schauspieler Jan Thümer wirft sich, wenn er die Freiräume bekommt, atemberaubend verschwenderisch in seine Rollenvon Christoph Leibold | Seite 26 |
Die Haut der SpracheIn ihren Texten und Regiearbeiten erkundet Ivna Žic die Zusammenhänge von Sprache und Raumvon Sebastian Kirsch | Seite 27 |
Ausland | Seite 28 |
Christoph hat zugeschautDas Festival Les Récréâtrales in Ouagadougou, Burkina Faso, versammelt in familiärer Atmosphäre anspruchsvolles Theatervon Renate Klett | |
Auftritt | |
Basel: Moses auf der MüllkippeTheater Basel: „Moses. Ein Mash-Up Musical“ (UA) nach dem Alten Testament. Regie und Bühne Simon Solberg, Kostüme Sara Kittelmannvon Dominique Spirgi | Seite 31 |
Berlin: Was ist das Volk?Deutsches Theater: „Coriolanus“ von William Shakespeare. Regie Rafael Sanchez; „Shakespeare. Spiele für Mörder, Opfer und Sonstige“ nach William Shakespeare. Regie Dimiter Gotscheffvon Gunnar Decker | Seite 32 |
Berlin: Schauermärchen uploadedVolksbühne: „Der Sandmann“ nach E.T.A. Hoffmann und Oskar Panizza. Regie Sebastian Klink, Ausstattung Thomas Schustervon Frank M. Raddatz | Seite 34 |
Bochum: Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keins mehrSchauspielhaus Bochum: „Richtfest“ (UA) von Lutz Hübner. Regie Anselm Weber, Bühne Alex Harb, Kostüme Meentje Nielsenvon Friederike Felbeck | Seite 35 |
Göttingen: Im SprachlosigkeitslaborDeutsches Theater: „Am schwarzen See“ von Dea Loher. Regie Wojtek Klemm, Ausstattung Mascha Mazurvon Joachim F. Tornau | Seite 36 |
Graz: Revue der SeltsamkeitenSchauspielhaus Graz: „Faust“ von Johann Wolfgang von Goethe. Regie Peter Konwitschny, Ausstattung Johannes Leiackervon Hermann Götz | Seite 37 |
Saarbrücken: Der Onkel mit dem UmhängesackSaarländisches Staatstheater: „Die Stunde der Komödianten“ (UA) nach Graham Greene. Regie Christoph Diem; „Die Kleinbürgerhochzeit“ von Bertolt Brecht. Regie Dagmar Schlingmannvon Dorte Lena Eilers | Seite 38 |
Autorengespräch | Seite 40 |
Eine fast vergessene GeschichteDer Autor Eugen Ruge über die Dramatisierung seines Romans „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ im Gespräch mit Sebastian Kirschvon Sebastian Kirsch und Eugen Ruge | |
Stück | Seite 42 |
In Zeiten des abnehmenden Lichtsvon Eugen Ruge | |
Magazin | |
Die bärtige BabuschkaDas Festival RusImport der Berliner Festspiele demontiert die Heroen Russlandsvon Dorte Lena Eilers | Seite 61 |
Kreislauf der NützlichkeitDas Festival Favoriten blickt in Dortmund bewusst auf die Wirtschaftlichkeit der künstlerischen Produktionenvon Friederike Felbeck | Seite 62 |
Mit den Ohren sehenEin Symposium zum zeitgenössischen Musiktheater für Kinder in Oldenburg ringt um ein noch junges Genrevon Dorte Lena Eilers | Seite 64 |
kirschs kontexteSetzen Sie bitte einen steifnackigen Notch-Filter auf!von Sebastian Kirsch | Seite 65 |
Ein Mann wie ein FragezeichenZum Tod des Schauspielers Thomas Holtzmannvon Christoph Leibold | Seite 66 |
Linzers Eck: Thalbach & Striese = Shakespeare?Vom Kurfürsten- zum Schiffbauerdamm: Theater goes Kindergartenvon Martin Linzer | Seite 67 |
Lieber Brecht, bitte um Antwort!Bertolt Brecht und Helene Weigel: Briefe 1923 – 1956. „ich lerne: gläser + tassen spülen“, hg. von Erdmut Wizisla. Suhrkamp, Berlin 2012, 402 S., 26,95 EUR.von Holger Teschke | Seite 68 |
Der Rimbaud der 1980er JahreBernard-Marie Koltès: „Ich ertrage das Theater nicht“. Briefe, Texte, Interviews, hg. von Almuth Voß. Verlag der Autoren, Frankfurt am Main 2012, 196 S., 18 EUR.von Sebastian Kirsch | Seite 69 |
Gespräche in BildernWerner Fritsch: „Faust Sonnengesang – Das sind die Gewitter der Natur“. DVD, filmedition suhrkamp, Berlin 2012, 29,99 EUR.von Sebastian Kirsch | Seite 69 |
Meldungen | Seite 70 |
Aktuell | Seite 71 |
Aktuell: in nachbars garten | |
FilmDie Verwerfungen des Wirtschaftswundersvon Ralf Schenk | Seite 72 |
HörspielIdeologische Reparaturrezeptevon Gerwig Epkes | Seite 72 |
KunstKünstlerprophet einer resignierten Generationvon Ute Müller-Tischler | Seite 73 |
MusikBroadway-Gefühle und Provinzlärmvon Otto Paul Burkhardt | Seite 73 |
Aktuell | Seite 76 |
PremierenFebruar 2013 | |
In eigener Sache | Seite 78 |
Autoren | Seite 79 |
Impressum | Seite 79 |
Vorschau | Seite 79 |
Gespräch | Seite 80 |
Was macht das Theater, Stefan Rosinski?von Gunnar Decker und Stefan Rosinski |
Otto Paul Burkhardt
Peter Carp
Gunnar Decker
Anja Dirks
Mirka Döring
Dorte Lena Eilers
Gerwig Epkes
Christian Esch
Friederike Felbeck
Hermann Götz
Rainer Häusler
Schorsch Kamerun
Sebastian Kirsch
Renate Klett
Sewan Latchinian
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Christoph Leibold
Martin Linzer
Florian Lösche
Ute Müller-Tischler
Frank M. Raddatz
Stefan Rosinski
Eugen Ruge
Ralf Schenk
Dominique Spirgi
Holger Teschke
Joachim F. Tornau
Apostolos Tsalastras
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KünstlerinsertBühnenarbeitenvon Florian Löschezum Online-Extra: Storyboard zu „Einige Nachrichten an das All“ | Seite 4 |
Flatternd über dem AbgrundDer Bühnenbildner Florian Lösche löst den Widerspruch zwischen Flüchtigkeit und Monumentalität in eine leichtfüßige Eleganz aufvon Mirka Döringzum Online-Extra: Videotrailer zu Arbeiten von Bühnenbildner Florian Lösche | Seite 8 |
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