Heft 06/2013
Aleksandar Denic: Realität des Absurden
Bühnen für Castorf in Berlin und Bayreuth
Broschur mit 108 Seiten, Format: 215 x 285 mm
ISSN 0040-5418
Gespannt erwartet Theaterdeutschland Frank Castorfs Interpretation des „Rings“ in Bayreuth. Sein serbischer Bühnenbildner Aleksandar Denic, der erst kürzlich bei dem Tschechow-Abend „Das Duell“ an der Berliner Volksbühne mit seinem Hyperrealismus überzeugte, verriet Ute Müller-Tischler, wohin die Reise geht: „Ein zentraler inhaltlicher Aspekt unserer ‚Ring‘-Inszenierung ist das Thema Öl … Man wird Baku am Anfang des 20. Jahrhunderts sehen, das die Ölsuche für sich entdeckt hat. Im Hintergrund tauchen die Berggipfel vom Kaukasus auf.“
Weiter führt der Weg nach Mecklenburg-Vorpommern, in eine Landschaft des kulturellen Vergessens, wie Gunnar Decker befürchtet, der bei der Sondierung des Terrains die Kulturkritik Adolf Dresens zitiert: „Das Theater deformiert sich vielmehr, wie andere Künste auch, im Sog einer übergreifenden Zivilisationskrise. Diese äußert sich nicht nur in Natur-, sondern auch in Kulturzerstörung, im Vergessen der Kultur.“ Dabei ist die Wahl Sewan Latchinians zum Intendanten des Volkstheaters Rostock durchaus „ein Hoffnungszeichen“, auch wenn die örtliche Presse Stimmung gegen den Theatermann macht, der 2005 ausgerechnet mit Senftenberg den Titel Theater des Jahres errang. Angeleitet von Gunnar Decker diskutierten Rolf Hochhuth, Charly Hübner, Sewan Latchinian, Tobias Rausch und Stefan Rosinski die verzwickte Lage. Letzterer beklagt, dass zwar „die Akzeptanz über die Leistung des Theaters“ generiert wird, dafür aber nicht die notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt werden. Gegenüber den neoliberalen Vorstößen, den Nutzen von Kultur generell in Frage zu stellen, rühmt Rolf Hochhuth den Feudalismus. „Zu Zeiten der Monarchie wäre es nicht denkbar gewesen, aus finanziellen Gründen ein Theater zuzumachen. Und diese Republik ist die reichste, die hier auf deutschem Boden je existierte. Und sie schließen Theater. Das ist eine Kulturschande!“ Dazu passt, dass mit Schloss Bröllin in der Uckermark ausgerechnet ein ehemaliges Herrenhaus die Residenz für performative Kunst in Deutschland anführt. Obwohl verrentet, arbeitet Gründungsdirektor Peter Legemann daran, die einzigartige Location global zu vernetzen. Der einzige Weltreisende in Sachen Residenz ist die beste Anlaufstelle, um zu erfahren, wo in der Welt noch Unterkünfte für Performergruppen frei sind.
Was in Mecklenburg-Vorpommern als Krise gilt, kann nicht ansatzweise mit der aktuellen Situation in Zypern verglichen werden, wo Frank Raddatz nicht nur auf Kürzungen und Verzweiflung traf, sondern auch auf entschlossene Künstler, die unerprobte Wege gehen und neue Formen von Solidarität üben. Atemberaubende Geschichten erfuhr auch Renate Klett in Beirut, wo sie an Matthias Lilienthals Projekt „X Wohnungen“ teilnahm, das sich in dem armenisch geprägten Stadtteil Bourj Hammoud und dem muslimisch dominierten Khandaq el-Ghamiq verortet.
Unsere Theoriereihe zur Stellung des Schauspielers beendet Juliane Rebentisch mit Reflexionen zum Verhältnis von Subjektivität und Mimesis, dem Basismodul aller Repräsentationsästhetik wie deren postdramatischer Kritik. Ganz augenscheinlich geraten Politik und Theater in immer stärkere Spannungsverhältnisse, was uns voller Optimismus auf die nächste Spielzeit blicken lässt. //
Die Redaktion
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Protagonisten | Seite 4 |
KünstlerinsertBühnenarbeitenvon Aleksandar Denić | |
Realität des AbsurdenDer Künstler Aleksandar Denic über seine Bühnen für Inszenierungen von Frank Castorf in Berlin und Bayreuth im Gespräch mit Ute Müller-Tischlervon Ute Müller-Tischler und Aleksandar Denić | |
Aktuelle Inszenierung | Seite 12 |
Stille Tage im KaukasusAn der Berliner Volksbühne verspricht Frank Castorf mit Tschechows „Das Duell“ an alte Großtaten anzuknüpfenvon Sebastian Kirsch | |
Thema: Theater in Mecklenburg-Vorpommern | |
Im KrisentrainingWenn sich ein Bundesland seine Kultur nicht mehr leisten will – oder kann. Eine Positionsbestimmung zur Lage in Mecklenburg-Vorpommernvon Gunnar Decker | Seite 14 |
Im freien Fall?Das Volkstheater Rostock kämpft ums Überleben. Ein Gespräch mit Rolf Hochhuth, Charly Hübner, Sewan Latchinian, Tobias Rausch und Stefan Rosinskivon Gunnar Decker, Sewan Latchinian, Stefan Rosinski, Rolf Hochhuth, Ulrich Rausch und Charly Hübner | Seite 18 |
Weltreisender in ResidenzDas Schloss Bröllin in Mecklenburg-Vorpommern ist dank Gründungsdirektor Peter Legemann mit anderen Künstlerhäusern längst global vernetztvon Frank M. Raddatz | Seite 24 |
Schauspiel und Gesellschaft | Seite 26 |
Identität und PotenzialitätÜberlegungen zum Verhältnis von Spiel und Wirklichkeitvon Juliane Rebentisch | |
Ausland | |
Nach der SchockstarreWie die Krise in Zypern eine neue Solidarität beflügeltvon Frank M. Raddatz | Seite 30 |
Daheim bei KalaschnikowMatthias Lilienthals „X Wohnungen“ erkunden mal hoch politisch, mal leichtgewichtigamüsant die Topographie zweier Stadtviertel in Beirutvon Renate Klett | Seite 32 |
Kolumne | Seite 35 |
Die Raki-ConnectionIm Kosovo bringt Jeton Neziraj alte Feindschaften durcheinandervon Ralph Hammerthaler | |
Protagonisten | Seite 36 |
Aber gerade war das doch noch Linz!Das neue Opernhaus in Linz startet mit Philipp Glass‘ „Spuren der Verirrten“ seine Reise in eine Welt von morgenvon Dorte Lena Eilers | |
Look Out | |
Das andere IchDer Leipziger Schauspieler Benjamin Lillie erschafft Figuren aus dem Zusammenbruchvon Christian Horn | Seite 38 |
Wir gehen zusammen!Der Stuttgarter Schauspieler Matthias Kelle ist ein Pate der Realität – und sei sie auch noch so schockierendvon Friederike Felbeck | Seite 39 |
Auftritt | |
Aarau: Soßen und SoufflésTheater Marie: „Von der schleichenden Vanillisierung der Gesellschaft“ (UA). Regie Olivier Bachmann, Ausstattung Erik Noorlandervon Elisabeth Feller | Seite 43 |
Berlin: Im Reich der WollustVolksbühne Berlin: „Club Inferno“ (UA) von SIGNAvon Tom Mustroph | Seite 44 |
Dresden: Der Sog der braunen CliqueTheater Junge Generation: „Cherryman jagt Mr. White“ nach Jakob Arjouni. Regie Ania Michaelis, Ausstattung Martina Schulle und Katja Renauvon Michael Bartsch | Seite 45 |
Gennevilliers: Ein Schritt vom NichtsThéâtre de Gennevilliers: „Anamorphosis“ (UA) von Philippe Quesne. Regie und Ausstattung Philippe Quesnevon Lena Schneider | Seite 46 |
Linz: Hänschen in der GrubeLandestheater Linz: „Alpenvorland“ (UA) von Thomas Arzt. Regie Ingo Putz, Bühne Stefan Brandtmayr, Kostüme Cornelia Kraskevon Christoph Leibold | Seite 47 |
Hamburg: Die VerdammtenThalia Theater Hamburg: „Die Brüder Karamasow“ nach Fjodor M. Dostojewski. Regie Luk Perceval, Bühne Annette Kurz, Kostüme Ilse Vandenbusschevon Gunnar Decker | Seite 48 |
München: Ikarus auf dem BaugerüstMünchner Volkstheater: „Roberto Zucco“ von Bernard-Marie Koltès. Regie und Bühne Miloš Lolic, Kostüme Yvonne Kallesvon Christoph Leibold | Seite 50 |
Rostock: In die Zivilisation gebombtVolkstheater Rostock: „Atropa – Die Rache des Friedens“ von Tom Lanoye. Regie Alexander Flache, Ausstattung Petra Linselvon Gunnar Decker | Seite 51 |
Stücke | |
Inszenierungsnotate und TextwolkenIvna Žic, Gabriel Vetter und Marcel Schwald, die Autoren des Stück Labor Basel 2013, im Gespräch mit Simone von Bürenvon Simone von Büren, Marcel Schwald, Ivna Žic und Gabriel Vetterzum Online-Extra: Inszenierungsnotate und Textwolken | Seite 52 |
BriefeEin Stück über nicht abgeschickte Briefevon Ivna Žic | Seite 54 |
Der Parkvon Gabriel Vetter | Seite 65 |
„Je veux mourir sur scène“von Marcel Schwald | Seite 74 |
Magazin | |
Ein Stück weiter, ein Stück zurückDer Heidelberger Stückemarkt setzte der Uraufführungsmaschinerie Qualität entgegenvon Otto Paul Burkhardt | Seite 83 |
Im GemeindesaalDas theater 89 startet in Berlin-Moabit neuvon Martin Linzer | Seite 84 |
kirschs kontexte: Wohin mit den Armen?von Sebastian Kirsch | Seite 85 |
Wo der Koffer explodiertDas Festival des deutschsprachigen Kinder- und Jugendtheaters Augenblick mal! präsentiert in Berlin politisches Theater aus Europavon Patrick Wildermann | Seite 86 |
Mit KantenHermann Beyer zum 70. Geburtstagvon Martin Linzer | Seite 87 |
Linzers Eck: Weg mit der böhmischen Räuberfolklore!Laudatio für die Verleihung des Friedrich-Luft-Preises an die Inszenierung von Friedrich Schillers „Die Räuber“ am Maxim Gorki Theater Berlinvon Martin Linzer | Seite 89 |
„Satire beginnt, wo der Spaß aufhört“Zum Gedenken an den Schriftsteller und Kabarettisten Peter Ensikatvon Friedrich Dieckmann | Seite 90 |
Spielen? Schuften!Zum Tod des Schauspielers Sven Lehmannvon Gunnar Decker | Seite 91 |
Kabuler LiebesmühStephen Landrigan und Qais Akbar Omar: Shakespeare in Kabul. Ein Aufbruch in drei Akten. Unionsverlag, Zürich 2012, 250 S., 21,95 EUR.von Hannah Neumann | Seite 92 |
Vom Fehlen positiver SymboleRuth Heynen: Erfahrung des Unmöglichen. Zur Verfassung eines Theaters für Europa. Wilhelm Fink Verlag, München 2013, 152 S., 22,90 EUR.von Herwig Lewy | Seite 93 |
Anschauliche KönigsfigurenKerstin Decker: Nietzsche und Wagner. Geschichte einer Hassliebe. Propyläen, Berlin 2012, 416 S., 19,99 EUR.von Frank M. Raddatz | Seite 93 |
Aktuell | |
Meldungen | Seite 94 |
Kommentar: Votum für die BarbareiÜber den „Tannhäuser“ in Düsseldorf und eine Kölner Kunstaktionvon Frank M. Raddatz | Seite 95 |
Aktuell: in nachbars garten | |
Film: Die Welt der Wundervon Ralf Schenk | Seite 96 |
Kunst: Sternstundenvon Ute Müller-Tischler | Seite 96 |
Hörspiel: Zwischen Zwang und Zustandvon Gerwig Epkes | Seite 97 |
Musik: In Konzerthäusern und Technoclubsvon Ulrike Rechel | Seite 97 |
TdZ on Tour | Seite 98 |
Aktuell | Seite 100 |
PremierenJuni 2013 | |
Impressum/Vorschau | Seite 103 |
Gespräch | Seite 106 |
Was macht das Theater, Matthias von Hartz?von Dorte Lena Eilers und Matthias von Hartz |
Michael Bartsch
Otto Paul Burkhardt
Gunnar Decker
Aleksandar Denić
Friedrich Dieckmann
Dorte Lena Eilers
Gerwig Epkes
Friederike Felbeck
Elisabeth Feller
Ralph Hammerthaler
Rolf Hochhuth
Christian Horn
Charly Hübner
Sebastian Kirsch
Renate Klett
Sewan Latchinian
Christoph Leibold
Herwig Lewy
Martin Linzer
Ute Müller-Tischler
Tom Mustroph
Hannah Neumann
Frank M. Raddatz
Ulrich Rausch
Juliane Rebentisch
Ulrike Rechel
Stefan Rosinski
Ralf Schenk
Lena Schneider
Marcel Schwald
Gabriel Vetter
Simone von Büren
Matthias von Hartz
Patrick Wildermann
Ivna Žic
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Inszenierungsnotate und TextwolkenIvna Žic, Gabriel Vetter und Marcel Schwald, die Autoren des Stück Labor Basel 2013, im Gespräch mit Simone von Bürenvon Simone von Büren, Marcel Schwald, Ivna Žic und Gabriel Vetterzum Online-Extra: Inszenierungsnotate und Textwolken |
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