Heft 04/2018
Unter Druck
Das Theater in Ungarn
Broschur mit 80 Seiten, Format: 215 x 285 mm
ISSN 0040-5418
Am 8. April finden in Ungarn Parlamentswahlen statt. Unabhängig vom Ergebnis zeigt sich schon vor den Wahlen, dass der herrschenden Fidesz-Partei unter der Führung von Viktor Orbán ein weitgehender Umbau der ungarischen Gesellschaft und eine Vergiftung der politischen Öffentlichkeit gelungen sind. Davon nicht unberührt sind auch die Theater und Theatermacher, denen wir uns in unserem Schwerpunkt Ungarn widmen. So wurde beispielsweise Árpád Schilling von offizieller Seite zum „Staatsfeind“ erklärt, was nur einen vorläufigen Höhepunkt zahlreicher Angriffe auf Kulturschaffende darstellte. Solidaritätsbekundungen in Ungarn blieben aus, allein auf europäischer Ebene kam es zu Reaktionen. Die künstlerische Opposition ist ebenso wie die politische scheinbar nicht handlungsfähig, einzelne Menschen wie Schilling, die die Abschaffung demokratischer Rechte anklagen, können so als Störenfriede isoliert werden. „Das Einfordern von demokratischen Rechten durch Intellektuelle gilt in Ungarn als Krawallmacherei“, sagt Schilling im Gespräch mit Thomas Irmer. Zugleich werfen wir einen Blick auf die junge Generation im Theater und im Tanz. Vor allem die freie Szene im Schatten der Staats- und Stadttheater habe es schwer, sich zu behaupten, trotz mutiger ästhetischer Positionen, schreibt Tamás Jászay. Im zeitgenössischen Tanz könne man eine Tendenz zur Öffnung und zum Auflösen von Grenzen erkennen. Eine schöne neue Welt? Mitnichten, meint Csaba Králl, der die Szene aus der Nähe kennt. Zudem hat Králl mit der Choreografin und Gründerin der Kompanie Hodworks, Adrienn Hód, über ihre Arbeit und die Befreiung des Körpers gesprochen. Nachdem in Budapest bereits die Statue des jüdischen und kommunistischen Philosophen Georg Lukács demontiert und durch eine des Nationalheiligen ersetzt worden war, wurde nun auch das Lukács-Archiv in der Budapester Innenstadt geschlossen. Das ist nicht nur eine Folge der politischen Kräfteverhältnisse, sondern auch des Zeitgeistes, wie Erik Zielke feststellt. Einen satirischen Blick auf die groteske Welt des ungarischen Theaters der Gegenwart werfen András Dömötör, Kornél Laboda und Albert Benedek in dem Stück „Mephistoland“, das wir in dieser Ausgabe veröffentlichen. Ob künstlerische Freiheit in Ungarn überhaupt noch möglich sei, das ist die Frage der Stunde – so Dömötör im Gespräch über das Stück. Ein von Theater der Zeit veranstaltetes Gespräch zur Lage der Theater in Ungarn mit András Dömötör, Tamás Jászay und anderen fand am 29. März im Berliner Maxim Gorki Theater statt.
Unheimlich kann es einem nicht nur bei den Verhältnissen in Ungarn, sondern auch bei den wie düstere Gemälde wirkenden Bühnen und Kostümen von Ersan Mondtag werden, die wir im Künstlerinsert vorstellen. Shirin Sojitrawalla zeigt, wie die Horrorwelten von Mondtag die gesellschaftlichen Ängste spiegeln – und wie darstellende und bildende Kunst bei ihm zusammenkommen. Um die Kunst der Zumutung – ganz ohne Horror, dafür mit viel Freude – geht es im Theater RambaZamba in Berlin. Jacob Höhne, der neue Intendant, nimmt den Gedanken der Inklusion ernst: Schauspieler mit und ohne Behinderung spielen groß auf. Auch wenn einmal ein Projekt scheitert, gelingt das nächste umso besser. Und die Sehgewohnheiten werden nebenher auch gleich noch infrage gestellt, wie Gunnar Decker zu berichten weiß. Ebenso an der Landesbühne Niedersachsen Nord in Wilhelmshaven, wo Sascha Bunge als neuer Oberspielleiter begonnen hat. In Wilhelmshaven, wo wie in vielen anderen norddeutschen Marinestädten vor 100 Jahren die Revolution ausbrach, will Bunge einen „unsentimentalen Sozialrealismus“ etablieren. Das passt gut zur Hafenstadt an der Nordsee, wie Jens Fischer findet. Nachrichten von der Insel bringt unser Kolumnist Ralph Hammerthaler. Auf Kuba hat er eine ungewöhnliche Komödie erlebt, von der er berichtet. Samuel Finzi schreibt SMS an Josef Bierbichler. Die beiden standen nicht nur schon des Öfteren gemeinsam auf der Theaterbühne und sind gute Freunde geworden, einmal im Jahr ist es außerdem so weit: Finzi gratuliert Bierbichler zum Geburtstag, dieses Jahr ist es der siebzigste. Wir schließen uns dem Gratulanten mit den allerbesten Wünschen für unseren Kolumnisten an – herzlichen Glückwunsch, Josef Bierbichler! //
Die Redaktion
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Künstlerinsert | |
Bühnen und Kostümevon Ersan Mondtag | Seite 6 |
Der Meister des UnheimlichenDie Bildwelten des Theaterregisseurs, Bühnen- und Kostümbildners Ersan Mondtag spiegeln die Ängste unserer Gegenwartvon Shirin Sojitrawalla | Seite 10 |
Thema | |
Orbán marschiertÁrpád Schilling über Ungarn vor den Parlamentswahlen und seine Stigmatisierung als Staatsfeind im Gesprächvon Thomas Irmer und Árpád Schilling | Seite 13 |
Neue Zeiten, neue StimmenÜber die Chancen eines Generationswechsels im ungarischen Theatervon Tamás Jászayzum Online-Extra: Neue Zeiten, neue Stimmen Über die Chancen eines Generationswechsels im ungarischen Theater von Tamás Jászay | Seite 16 |
Schöne neue Welt?Gedanken über die neue Generation des zeitgenössischen Tanzes in Ungarnvon Csaba Krállzum Online-Extra: Schöne neue Welt? Gedanken über die neue Generation des zeitgenössischen Tanzes in Ungarn von Csaba Králl | Seite 18 |
Den Körper befreienAdrienn Hód, Gründerin der Tanzkompanie Hodworks, im Gespräch mit Csaba Krállvon Csaba Králl und Adrienn Hódzum Online-Extra: Im Mittelalter hätte man mich als Hexe verbrannt | Seite 20 |
Zerstörung des ErbesDas Georg-Lukács-Archiv in Budapest wurde geschlossen – Folge der politischen Verhältnisse, aber auch des Zeitgeistsvon Erik Zielke | Seite 21 |
Protagonisten | |
Mein lieber Sepp!Zum 70. Geburtstag von Josef Bierbichler – Aus einer SMS-Korrespondenz mit Samuel Finzivon Josef Bierbichler und Samuel Finzi | Seite 22 |
Die Kunst der ZumutungJacob Höhne, der neue Leiter des Theaters RambaZamba in Berlin, nimmt das Konzept der Inklusion ernst und ermutigt, Sehgewohnheiten infrage zu stellenvon Gunnar Decker | Seite 24 |
Kolumne | Seite 27 |
Der kubanische KomödiantLass dich, Fremder, übers Ohr hauenvon Ralph Hammerthaler | |
Protagonisten | Seite 28 |
Aus dem MaschinenraumVor 100 Jahren war Wilhelmshaven revolutionär – heute sorgt der neue Oberspielleiter Sascha Bunge für einen frischen Windvon Jens Fischer | |
Look Out | |
Ästhetik des GedrängtenDas Musiktheaterkollektiv Hauen und Stechen inszeniert als freie Gruppe außergewöhnliche Opernabendevon Jakob Hayner | Seite 30 |
Figur als FragmentDie Schauspielerin Johanna Link lotet das Potenzial zwischenmenschlicher Begegnungen ausvon Bodo Blitz | Seite 31 |
Auftritt | |
Aarau: Gespielt und vor allem erlittenTheater Tuchlaube: „Kings of Interest“ (UA) von Aron Yeshitila. Regie Aron Yeshitila, Ausstattung Katharina Meiervon Elisabeth Feller | Seite 35 |
Berlin: Nachrichten von einer untergegangenen Non-profit-ÖkonomieAcker Stadt Palast: „Die Aufgabe“ (UA) von B. K. Tragelehn. Regie Benjamin Zock, Ausstattung Johannes Weilandtvon Friedrich Dieckmann | Seite 36 |
Berlin: Infinite RestSophiensaele: „Unendlicher Spaß“ nach dem Roman von David Foster Wallace. Regie Thorsten Lensing, Bühne Gordian Blumenthal und Ramun Capaul, Kostüme Anette Guthervon Thomas Irmer | Seite 36 |
Dessau: Mehr Farben als FigurenAnhaltinisches Theater: „Die Dreigroschenoper“ von Bertolt Brecht und Kurt Weill. Regie und Ausstattung Ezio Toffoluttivon Gunnar Decker | Seite 37 |
Dortmund: Haus des HorrorsTheater Dortmund: „Das Internat“ (UA) von Ersan Mondtag. Regie und Ausstattung Ersan Mondtagvon Lisa Kerlin | Seite 39 |
Lübeck: Zauberland ist abgebranntTheater Lübeck: „Die Brüder Karamasow“ von Pit Holzwarth nach Fjodor M. Dostojewski. Regie Pit Holzwarth, Ausstattung Werner Brennervon Matthias Schumann | Seite 40 |
München: Im äußersten Norden der MenschlichkeitMünchner Residenztheater: „Am Kältepol – Erzählungen aus dem Gulag“ (UA) von Warlam Schalamow. Regie Timofej Kuljabin, Bühne Oleg Golovko, Kostüme Galya Solodovnikovavon Sabine Leucht | Seite 41 |
Münster: Rechte reden lassenTheater Münster: „Der Reichsbürger“ (UA) von Annalena und Konstantin Küspert. Regie Julia Prechsl, Ausstattung Sophia Debusvon Sascha Westphal | Seite 42 |
Stuttgart: Narrenlieder und immer noch SturmSchauspiel Stuttgart: „König Lear“ von William Shakespeare. Regie Claus Peymann, Bühne Karl-Ernst Herrmann, Kostüme Margit Koppendorfervon Otto Paul Burkhardt | Seite 43 |
Würzburg: Blüten im AscheregenMainfranken Theater Würzburg: „Magnolienzeit“ (UA) von Tjark Bernau und Ensemble. Regie Tjark Bernau, Ausstattung Karlotta Matthiesvon Christoph Leibold | Seite 44 |
Stück | |
Im KulturgettoDer ungarische Dramatiker und Regisseur András Dömötör über sein Stück „Mephistoland“ im Gespräch mit Thomas Irmervon Thomas Irmer und András Dömötör | Seite 46 |
MephistolandÜbersetzung und Bearbeitung von Inez Matis und Holger Kuhlavon András Dömötör, Kornél Laboda und Albert Benedek | Seite 48 |
Magazin | |
Raum für neue StimmenDas Schlachthaus Theater Bern feiert sein 20-jähriges Bestehenvon Simone von Büren | Seite 65 |
Reich beschenktDas Festival Panoptikum zeigt begeisterndes Theater für Kinder und Jugendliche – und festigt so den Ruf Nürnbergs als Zentrum für Kinderkulturvon Rainer Hertwig | Seite 66 |
Reisebüro Rinck: Woyzeck!von Monika Rinck | Seite 67 |
Wider das mechanische DenkenDas Brecht-Festival in Augsburg erkundet im zweiten Jahr unter der Leitung von Patrick Wengenroth das komplizierte Verhältnis von Ich und Wirvon Chris Weinhold | Seite 68 |
Ausstattung als WeltentwürfeZum Tode des Bühnen- und Kostümbildners Martin Rupprechtvon Peter W. Marx | Seite 69 |
Ein Spieler unter SpielernTrauerrede zum Tod von Wilfried Minksvon Ulrich Waller | Seite 70 |
Vor dem HeuhaufenEine Erinnerung an die Schauspielerin Marie Grubervon B. K. Tragelehn | Seite 71 |
Gebiet mit wenigen LeerstellenKruschwitz (Hg.): Ich bin meiner Zeit voraus. Neofelis Verlag, Bln. 2017; S. Pabst/J. Bohley (Hg.): Material Müller. Verbrecher Verlag 2018von Jakob Hayner | Seite 72 |
Theater und MigrationStephen Wilmer: Performing Statelessness in Europe. Palgrave Macmillan, London 2018, 254 S., ca. 90 EUR.von Thomas Irmer | Seite 73 |
Aktuell | |
Meldungen | Seite 74 |
PremierenApril 2018 | Seite 76 |
TdZ on Tour | |
Impressum/Vorschau | Seite 79 |
Autoren April 2018 / Vorschau | |
Gespräch | Seite 80 |
Was macht das Theater, Jo Fabian?von Jo Fabian und Jakob Hayner |
Albert Benedek
Josef Bierbichler
Bodo Blitz
Otto Paul Burkhardt
Gunnar Decker
Friedrich Dieckmann
András Dömötör
Jo Fabian
Elisabeth Feller
Samuel Finzi
Jens Fischer
Ralph Hammerthaler
Jakob Hayner
Rainer Hertwig
Adrienn Hód
Thomas Irmer
Tamás Jászay
Lisa Kerlin
Csaba Králl
Kornél Laboda
Christoph Leibold
Sabine Leucht
Peter W. Marx
Ersan Mondtag
Monika Rinck
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Simone von Büren
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Chris Weinhold
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Neue Zeiten, neue StimmenÜber die Chancen eines Generationswechsels im ungarischen Theatervon Tamás Jászayzum Online-Extra: Neue Zeiten, neue Stimmen Über die Chancen eines Generationswechsels im ungarischen Theater von Tamás Jászay | Seite 16 |
Schöne neue Welt?Gedanken über die neue Generation des zeitgenössischen Tanzes in Ungarnvon Csaba Krállzum Online-Extra: Schöne neue Welt? Gedanken über die neue Generation des zeitgenössischen Tanzes in Ungarn von Csaba Králl | Seite 18 |
Den Körper befreienAdrienn Hód, Gründerin der Tanzkompanie Hodworks, im Gespräch mit Csaba Krállvon Csaba Králl und Adrienn Hódzum Online-Extra: Im Mittelalter hätte man mich als Hexe verbrannt | Seite 20 |
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