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Raum für neue Stimmen
Das Schlachthaus Theater Bern feiert sein 20-jähriges Bestehen
von Simone von Büren
Das Schlachthaus Theater Bern hat sein 20-jähriges Bestehen als Koproduktions- und Gastspielhaus für die freie Theaterszene gefeiert – mit einem dreitägigen Festival, das in seiner Bescheidenheit und Vielfalt stimmig war für dieses Haus, das aus der Stadt Bern und der Schweizer Kulturszene nicht mehr wegzudenken ist.
![Foto David Baltzer](http://assets.theaterderzeit.de/img/Content/36129/dancingAbout315_by_David-Baltzer_pub_thumb.jpg)
Das ehemalige Schlachthaus aus dem 18. Jahrhundert wurde schon lange vor der Gründung des heutigen Theaters für Theaterzwecke genutzt: als Requisitenlager, Mietbühne für die freie Szene und Ausweichspielstätte des Stadttheaters. Als Letzteres den in massiven Sandsteinquadern gefassten Raum, in dem rund 120 Zuschauer Platz haben, als Zweitspielstätte beanspruchte, verteidigte die freie Szene ihn aufs Heftigste, was dazu führte, dass aus dem Vermietbetrieb 1998 ein öffentlich subventioniertes Gastspiel- und Koproduktionshaus mit eigener künstlerischadministrativer Leitung wurde.
Unter wechselnden Ko-Leitern und seit 2014 unter Maike Lex wurde am Schlachthaus kontinuierlich und konsequent ein starkes Profil entwickelt und gepflegt – und das ohne eigenes Ensemble. Dieses Profil ist gekennzeichnet durch den Fokus auf entschieden zeitgenössische Theaterformen, die Einbindung in ein dichtes Netzwerk assoziierter Künstler und die Kombination von lokaler Verortung und internationaler Offenheit. Letztere geht zurück auf die ehemaligen Leiter Myriam Prongué und Sandro Lunin, die diese Vernetzungsarbeit je in der Leitung der Abteilung Theater bei Pro Helvetia und des Zürcher Theater Spektakels weitergeführt haben.
Maike Lex hat das Netzwerk ihrerseits ausgebaut und geprägt. So wurde das Festival eröffnet mit „Still in Paradise“ des ägyptischen Performers Omar Ghayatt, eines ehemaligen Artist in Residence im Schlachthaus. In einem partizipativen Format, in dem das Publikum jeweils entscheidet, welche Szenen gespielt werden, erforscht Ghayatt mit dem Holländer Yan Duyvendak das komplexe Verhältnis zwischen der arabischen und der christlich-westlichen Welt.
Dass auch Gob Squads „Dancing About“ als zweite Festivalproduktion das Erkennen des Eigenen in der Begegnung mit dem Fremden verhandelte, passt. Steht doch das Schlachthaus Theater seit 1998 für die Zusammenführung des Lokalen und des Internationalen, des Vertrauten und des Fremden, wobei das Fremde gleich um die Ecke liegen kann – zum Beispiel in der multikulturellen Hochhaussiedlung im Westen von Bern. Dorthin reist das Theater neuerdings einmal im Monat für einen „Familiensonntag“. Umgekehrt waren unlängst rund 80 Prozent der Zuschauer für ein Gastspiel des bosnischen Nationaltheaters überwiegend zum ersten Mal im Stammhaus zu Besuch und hätten die Live-Übersetzung auf Deutsch gar nicht gebraucht. Lex ist es ein großes Anliegen, etwa über Produktionen mit Bezug zu Ex-Jugoslawien und zum arabischen Raum, gesellschaftliche Minderheiten und Bevölkerungsgruppen zu erreichen, die (noch) keinen Anteil haben am Theater und deren Erfahrungen auf der Bühne selten Thema sind. Um den Austausch auch unter Künstlern zu fördern, führen internationale Gäste – jüngst der junge palästinensische Autor und Regisseur Bashar Murkus – Workshops mit Berner Theaterschaffenden durch.