Recherchen 86
Der affektive Schauspieler
Die Energetik des postdramatischen Theaters
Paperback mit 256 Seiten, Format: 140 x 240 mm
ISBN 978-3-942449-18-2
Dieses Buch ist leider vergriffen
"Dieses Buch ist die überfällige Untersuchung des Schauspielens in Zeiten postdramatischen Theaters." Detlev Baur, Die deutsche Bühne
Ein Wechsel zu einem Theater der Affekte zeichnet sich ab, welches das Theater der Rollen ablöst. Die Schauspieler mutieren zu affektiven Schauspielern. Sie sind nicht heiß oder kalt, selbst oder Rolle, sondern bewegen sich in diesem Kontinuum. Mühelos übernehmen affektive Schauspieler Techniken der Performancekunst und mediales Sprechen in ihre Rollen, lassen sich sowohl durch literarische Fiktion wie auch durch Handlungsskripte inspirieren.
Aber was motiviert den Schauspieler zu diesen Bewegungen, wenn die kohärente Rollenfigur nicht mehr zu haben ist? Wolf-Dieter Ernst untersucht vor diesem Hintergrund die Arbeit mit inneren Bildern und fragt nach den Produktionsbedingungen der Affekte. In diesem Sinne kommen die medialen und gesellschaftlichen Diskurse von Aufführungen in den Blick. Schauspieler wie Katja Bürkle, Grace Ellen Barkey, Hans Petter Dahl, Thomas Thieme, Bernd Moss oder Martin Wuttke zeigen in Inszenierungen von Heiner Müller, der Needcompany, Luk Perceval und René Pollesch die Spuren, die Training, Ausbildung und Probenbedingungen in ihren Körpern hinterlassen haben.
Wolf-Dieter Ernst ist Professor für Theaterwissenschaft an der Universität Bayreuth. Er studierte Angewandte Theaterwissenschaft in Gießen und war als wissenschaftlicher Assistent in Basel, Hildesheim und München tätig. Zahlreiche Veröffentlichung zur Theorie, Geschichte und Ästhetik von Theater, Performance und neuen Medien.
Das postdramatische Theater hat ohne Zweifel in den letzten drei Dekaden die Theaterlandschaft bereichert und dabei eine Fülle neuer Darstellungsformate und ästhetischer Strategien hervorgebracht. Neue Theaterformen verlangen auch die Änderung gewohnter Spielweisen. Schauspieler treten in weit höherem Maße als solche hervor. Indem sie sich in ihrer Körperlichkeit zeigen und mit ihrer Energie und ihren Entscheidungen auf sich aufmerksam machen, mutieren sie - so scheint es - in gewissen Szenen gar zu einer Art Ko-Autor der Inszenierung. Nachdem also Schauspieler und Schauspielerinnen lange nur als Werkzeug einer bestimmten Handschrift des Regisseurs wahrgenommen wurden, erlangen sie unter den veränderten Produktionsbedingungen im postdramatischen Theater ein Stück ihrer Autonomie zurück. So verwundert es wenig, dass das postdramatische Theater ganz andere Anforderungen an den Schauspieler stellt, als das literarische Sprechtheater, welches vom Schauspieler vor allem die Versinnlichung einer Rollenfigur fordert. Augenscheinlich reagieren Schauspieler also auf die Veränderungen, die neuere Theaterformen ermöglichen, jedoch werden in Forschung und Kritik häufiger die Regisseure und Theoreme des postdramatischen Theaters reflektiert, als dass man sich mit der Frage beschäftigt, welche Stellung der Schauspieler innerhalb dieses Wandlungsprozesses einnimmt und welche Spielweisen dabei entwickelt werden. Man kennt die Namen René Pollesch, Luk Perceval, Heiner Müller, Jan Lauwers und Grace Ellen Barkey. Mehr und mehr wird jedoch deutlich, dass man sich auch mit den Schauspielern wie etwa Martin Wuttke, Katja Bürkle, Thomas Thieme und Bernd Moss beschäftigen muss. Der vorliegende Band widmet sich diesem Phänomen autonomer Spielweisen im postdramatischen Theater. Mit der Denkfigur des affektiven Schauspielers wird dabei eine eigene Perspektive entwickelt, die es erlaubt, den Schauspieler eher vor dem Hintergrund seiner Produktionsweisen zu verstehen, als dies bislang innerhalb eines Diskurses möglich war, der den Schauspieler primär in Bezug auf die Leiblichkeit und Vergegenwärtigungsleistung im Vollzug der Aufführung betrachtet hat.
Kapitel | Seite |
---|---|
Kapitel | Seite |
Danksagungvon Wolf-Dieter Ernst | Seite 7 |
1. Der affektive Schauspieler als ‚Theatertier‘ | Seite 9 |
2. Probe und Training zwischen Aufführung und Norm | Seite 28 |
3. Probe und Training aus bildrhetorischer Perspektive | |
3.1 Kritik des Erfahrungsbegriffs. Minettis ‚Element‘von Wolf-Dieter Ernst | Seite 42 |
3.2 Die Rhetorik der Trainingsaufgabenvon Wolf-Dieter Ernst | Seite 50 |
3.3 Diderots ‚Paradox‘ revisitedvon Wolf-Dieter Ernst | Seite 58 |
3.4 Identifikation und Autonomievon Wolf-Dieter Ernst | Seite 66 |
4. Hitler spielen! | |
4.1 Zum Problem der Darstellung nach Auschwitzvon Wolf-Dieter Ernst | Seite 69 |
4.2 Skizze zu Inhalt und Aufführungvon Wolf-Dieter Ernst | Seite 71 |
4.3 Diskurse der Aufführungvon Wolf-Dieter Ernst | Seite 81 |
4.4 Die Imagination der Figur als rhetorischer Vorgangvon Wolf-Dieter Ernst | Seite 94 |
5. Ökonomie und Zeiterfahrung in Luk Percevals Schlachten! | |
5.1 Intensität = Organisation und Erfahrung der Zeitvon Wolf-Dieter Ernst | Seite 113 |
5.2 Zeitorganisation in der Theaterarbeitvon Wolf-Dieter Ernst | Seite 120 |
5.3 Energetik und Zeitvon Wolf-Dieter Ernst | Seite 125 |
5.4 Epilogvon Wolf-Dieter Ernst | Seite 137 |
6. Bilder, Gedächtnisarbeit und affektives Schauspiel | |
6.1 Der Bilddiskurs der Pop-Art in Images of Affectionvon Wolf-Dieter Ernst | Seite 143 |
6.2 Bilder der Zuneigung zu Bildernvon Wolf-Dieter Ernst | Seite 145 |
6.3 Die Needcompanyvon Wolf-Dieter Ernst | Seite 152 |
6.4 Jan Lauwersvon Wolf-Dieter Ernst | Seite 155 |
6.5 Durch-Lässigkeit und Plastizität der Figurvon Wolf-Dieter Ernst | Seite 158 |
7. Die Selbstreflexion der Affekte | |
7.1 Politisch Theater machen!von Wolf-Dieter Ernst | Seite 172 |
7.2 Theater durch Theorievon Wolf-Dieter Ernst | Seite 175 |
7.3 Beruf und Bild der Schauspielerinvon Wolf-Dieter Ernst | Seite 179 |
7.4 Die Arbeitsweise im Pollesch-Ensemblevon Wolf-Dieter Ernst | Seite 183 |
7.5 Liebe ist kälter als das Kapitalvon Wolf-Dieter Ernst | Seite 186 |
7.6 Der Prozess der Identifizierungvon Wolf-Dieter Ernst | Seite 188 |
8. Nachwort und Ausblick | |
8.1 Sprech- und Stimmreflexion im postdramatischen Theater. René Polleschs Ping Pong d’Amour (2009)von Wolf-Dieter Ernst | Seite 203 |
Anmerkungen | Seite 215 |
Literaturverzeichnis | Seite 239 |
Abbildungsverzeichnis | Seite 250 |
Autor | Seite 253 |
„Dieses Buch ist die überfällige Untersuchung des Schauspielens in Zeiten postdramatischen Theaters.“Die Deutsche Bühne
Zum Autor
Wolf-Dieter Ernst
Weitere Beiträge von Wolf-Dieter Ernst
3.3 Diderots ‚Paradox‘ revisited
4.1 Zum Problem der Darstellung nach Auschwitz
7.2 Theater durch Theorie
5.2 Zeitorganisation in der Theaterarbeit
Die Lecture-Performance als dichte Beschreibung
Bibliographie
Beiträge von Wolf-Dieter Ernst finden Sie in folgenden Publikationen:
double 32
Theaterprobe als Möglichkeitsraum
Recherchen 117
Momentaufnahme Theaterwissenschaft
Leipziger Vorlesungen
Recherchen 86
Wolf-Dieter Ernst
Der affektive Schauspieler
Die Energetik des postdramatischen Theaters
Jeden Monat die wichtigsten Themen bei Theater der Zeit
Newsletter abonnieren