Ich habe nach zwanzig Jahren beruflicher Tätigkeit als Intendant noch ein zweites Mal promoviert. Der Kulturbürgermeister von Konstanz Claus Boldt erteilte mir dafür eine Nebentätigkeitserlaubnis. Der Text wurde von der philosophisch-historischen Fakultät der Universität Bern am 14. September 2015 als Dissertation angenommen. Solch eine Arbeit ist zwar auch eine Systematisierung der eigenen Geschichte, macht Vergangenheit erträglicher – dort wo sie mühsam war –, aber keine Fehler ungeschehen.
Ich war in Nordhausen Intendant geworden, ohne dieses Handwerk jemals gelernt zu haben. Vielmehr wurde ich vom Hospitanten und Schauspieler am Berliner Ensemble ohne Zwischenstation zum Theaterleiter ernannt. Heute empfinde ich große Dankbarkeit gegenüber den sogenannten kleinen Leuten, die in Assistenzen oder technischen Abteilungen meine Arbeit gestützt haben. Manchmal bin ich erschrocken, wer an diesem kleinen Stadttheater mit mir seine Karriere begonnen hat. Armin Petras war Oberspielleiter und die Liste der Schauspieler ließ sich sehen: Sebastian Hartmann und Guido Lambrecht, Peter Moltzen und Andrej Kaminisky, Fritz Roth und Markus Schoenen, Tom Ryser und Frank Voigtmann, selbst Theresia Walser hatte bei uns vorgesprochen. Andere Spieler und Regisseure sind von den Theaterbühnen verschwunden, so auch der großartige Musiktheaterregisseur Olaf Brühl, dessen Praktikantin Vera Nemirova einst gewesen ist. Diana Neumann hatte in Nordhausen brillant die Maria Stuart gespielt, später die Lola von Fassbinder. Eine der großen Denkerinnen der Dramaturgie ist Antje Kaiser geblieben, sie hat später mit Wolfram Mehring in Kassel, meiner nächsten Station als Intendant, neue Stoffe entdeckt und auf die Bühne gebracht. Hier danke ich stellvertretend den Schauspielerinnen und Schauspielern: Nicola Gründel und Kristin Muthwill, Hilke Altefrohne und Sabine Waibel, Stephanie Stremler und Sandra Bayrhammer, Andreas Haase und Wolfram Mucha, Odo Jergitsch und Nico Delpy, Peter Kurth und auch Peter Kastenmüller. Katja Paryla hat das Schauspiel in Kassel eröffnet, Peter Palitzsch dort eine letzte Inszenierung gezeigt; und der wunderbare Wolfram Mehring, István Szabó oder Werner Schroeter haben die Oper gestaltet. Die Bühnen dafür bauten unter anderem Olaf Altmann oder Wolf Münzner, Annette Riedel, Hartmut Meyer und der sehr verrückte Peter Schubert. Schade ist rückblickend, dass die groß gewordenen Regisseure wie Armin Petras oder Sebastian Baumgarten nicht mehr an kleinen Bühnen wirken wollten.
Mein besonderer Dank gilt meinen Doktorvätern. Ohne Andreas Kotte wäre diese Arbeit nicht zustande gekommen, seine Zuwendung und seine Genauigkeit haben mich vor vielen Fehlern bewahrt, ohne dieses wunderbare Institut für Theaterwissenschaft an der Universität Bern hätte ich mich verkrochen hinter den Büchern und ich hätte meine Klausuren nicht bestanden. Die kluge Beate Schappach, die Kolleginnen Ursula Fürst, Elisabeth Heinze, Corinna Hirrle und die strengen Blicke der Professorinnen Beate Hochholdinger-Reiterer und Christina Thurner haben meine Arbeit ermöglicht. Ungewöhnlich aber ist es auch, dass Johannes Feest, mein juristischer Doktorvater (1990) die Arbeit las, bevor ich sie endgültig aus den Händen gab. Wir sind Freunde geblieben.
Kritisch gelesen haben meine Texte vor allem Thomas Spieckermann und Nadja Keller, Georgia Eilert und Adelheid Effe, immer geduldig Merle Mingo.
Die empirischen Untersuchungen wurden der strengen Qualitätskontrolle von Eberhard Baier unterzogen, der Herr der Statistiken in der Stadt Konstanz. Wenn der Rechner hing, kam Martin Walbrecht vorbei. Danke vor allem auch meiner Lektorin Anja Nioduschewski und meinem Verleger Harald Müller, der mich seit 1993 freundlich begleitet.
Wissenschaft ist manchmal einsam am Schreibtisch, aber kollektiv in der Reflektion. Wenn man das Glück hat, eine Familie zu haben und Freunde, ist alles im Leben erträglicher, in meinem Herzen: Tinas Blick durch die Tür ins Arbeitszimmer, das Rufen meiner Kinder Jana, Marie, Johannes und des Enkels Milan, die Erinnerung an meine Schwester Cornelia und meinen besten Freund Sammy, der mich zu jeder Bewerbung, zu jedem Examen und zum ersten Doktorat begleitet hat.
Kulturfunktionäre dürfen sich freuen, auf die Ergebnisse meiner empirischen Forschungen, denn der Blick der Basis ist kritisch, hämisch, aber oft auch resigniert.
Das Theater aber bleibt wunderbarer Ort, ein Mittel gegen Vereinsamung und Verblödung; es ist nicht besser als die übrige Welt, nur schlechter verwaltet und beschützt. Das Theater aber hat ein großes Herz, es hat einen wie mich aufgenommen. Das Theater ist was es ist: A rose is a rose …
Konstanz im Sommer 2016