Theaterrecht
Handbuch für Theatermacher
von Christoph Nix
Paperback mit 252 Seiten, Format: 135 x 205 mm
ISBN 978-3-95749-158-9
Die Kunstfreiheit gehört zu den am stärksten geschützten Rechten des deutschen Grundgesetzes, doch wie sieht es mit den Rechten der Bühnenkünstler aus? Suchen junge Theaterpraktikerinnen und -praktiker den Einstieg in den Beruf, sind sie mit einer Reihe von rechtlichen Anforderungen konfrontiert, die ihnen an den Kunsthochschulen häufig nicht vermittelt wurden.
„Theaterrecht“ von Christoph Nix ist ein praxisorientierter Ratgeber, der über die Rechtsgrundlagen von Bühnenkünstlern an staatlichen Theatern, als freie Künstler oder als Gruppe informiert. Aktuell und verständlich werden u. a. das Bühnenarbeitsrecht, das Vereins- und Gesellschaftsrecht, das Urheberrecht oder Fragen der Mitbestimmung erläutert. Darüber hinaus enthält der Band eine ausgewählte Textsammlung der wichtigsten bühnenrechtlichen Gesetzestexte, den NV Bühne sowie Musterverträge.
Was muss ich als Bühnenkünstler über rechtliche Vereinbarungen wissen?
Welche Formen und Funktionen hat das Recht?
Wer entscheidet worüber?
Ich möchte ein allgemein verständliches Buch über Recht und Theater schreiben. Gerade als Künstler und Jurist habe ich gelernt, wie viele Abwehrimpulse Künstler gegen die Beschäftigung mit rechtlichen Festlegungen haben und wie oft schlechte Formulierungen von Juristen andere Menschen abschrecken, sich mit der Suche nach dem Recht zu befassen. Ich beschäftige mich mit den rechtlichen Beziehungen zwischen Bühnenkünstlern und Theaterträgern, zwischen Intendanten und Schauspielern, zwischen Sängern und Tänzern, Veranstaltungstechnikern und Maskenbildnern, kurzum: mit Frauen und Männern in der Theaterkunst. Und ich bin davon überzeugt, dass man über das Recht als eine Möglichkeit, Konflikte zu regulieren, anders denken kann.
Einen Teil derer, die das betrifft, benennt der Tarifvertrag Normalvertrag Bühne (NV Bühne) in § 1. Dieser Tarifvertrag ist kein Gesetz, er ist (nur) ein Vertrag, ein kollektiver Vertrag, der zwischen zwei oder mehreren Kollektiven abgeschlossen wurde. In diesem Fall haben der Deutsche Bühnenverein und die Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger (GDBA) dieses Vertragswerk vereinbart und der kollektive Vertrag wirkt auf den Einzelarbeitsvertrag. So einfach ist das.
Im Theater als Institution arbeiten viele unterschiedliche Menschen zusammen, hin und wieder stehen sich diese Gruppen von Menschen auch gegenüber. Sie erschaffen Kunstwerke der darstellenden Kunst: Schauspiel, Puppentheater, Musiktheater oder Tanzwerke. Oft verschwimmen die Grenzen und manchmal stellt man sich in der Theaterwissenschaft die Frage, was Theater und was Alltag ist, was theatral und was performativ ist. Oder besser gesagt: Nicht jede Szene, jeder Vorgang ist theatral, selbst wenn er theatrale oder rituelle Züge in sich trägt. Theater zeichnet sich dadurch aus, dass es menschliche Aktionen hervorhebt – durch Sprache, Kunstsprache, lautes Sprechen, verfremdetes Sprechen, Gesang, Kostüme, Maske, Bewegungsabläufe, die dem Alltag zuwiderlaufen oder ihn konterkarieren. Und Theater ist in seinen Konsequenzen immer auch gemindert: Man stirbt nicht wirklich, man verliebt sich nicht wirklich, insoweit kann eine Exekution niemals Theater sein, auch wenn sie in der Barbarei theatrale Züge tragen mag.
Das Theater als Institution wird repräsentiert von seinen Leitern. Man nennt sie in Deutschland Intendanten oder Direktoren. Aber eigentlich sind es die Künstler auf der Bühne, die Theater repräsentieren, und oft werden diejenigen hinter der Bühne vergessen. Im Theater herrschen Hierarchien. Es sind keine Antagonismen, aber Gegensätze, die zu Konflikten führen können. Versagen Vermittlungsversuche, künstlerische Diskurse, moralische Ansprüche, gesellschaftliche Normen und Wertungen und gibt es keine Einigungen, dann können rechtliche Normen behilflich sein, den Konflikt zu lösen. Recht kann aber auch Gewalt manifestieren. Theater ist als Gesamtkunstwerk immer auch eine Form der Abmachung: Je komplizierter die Abläufe, je größer die Einrichtungen, desto eher bedarf es transparenter Organisationsformen. Diese zu gewährleisten, wäre Aufgabe der Verwaltungsleiter oder Geschäftsführer, aber oft verfolgen diese eigene Machtinteressen oder die der Theaterträger.
Kommt es zu Konflikten zwischen Menschen untereinander, so wird man erst einmal entscheiden müssen, um welche Art von Konflikt es sich handelt. Dabei kommt es nicht so sehr auf die Trennung von Vernunft und Emotionen an, auch nicht allein darauf, ob der Konflikt kurz oder lang angelegt ist, sondern darauf, welche Interessen und Interessenlagen angesprochen sind. Der Konflikt eines einzelnen Schauspielers z. B., der gerne Gastierurlaub möchte, kann zum Konflikt mit dem Theater, dem Theaterleiter, dem Spielleiter oder dem Leiter des Künstlerischen Betriebsbüros führen, wobei Letztere für sich in Anspruch nehmen werden, für das Gemeinsame – das Theater – zu sprechen. Das aber stellt eben auch nur eine besondere Organisationsform von Einzelpersonen dar. Sind Konflikte nicht durch Gespräche, die Auflösung von Missverständnissen, die Einschaltung von Dritten, die als Freunde oder auch als Mediatoren agieren, zu lösen (und meist sind sie zu lösen), so kann es zu einem Rechtsstreit kommen.
Wenn die Kommunikation versagt, wenn die Moral verschwindet, so kann die Anwendung von rechtlichen Regeln Konflikte lösen, Interessenlagen ausgleichen oder sie konstituieren. Das Recht in demokratisch verfassten Gesellschaften soll den Schwächeren schützen. Dennoch gibt es keinen Zweifel daran, dass Recht auch eine Form von Herrschaftsausübung darstellt.
Vier Funktionen des Rechts
Ordnungsfunktion Gerechtigkeitsfunktion
Herrschaftsfunktion Herrschaftskontrollfunktion
Es gibt bisher keine allgemeinverständliche Publikation, die sich mit den Rechten von Bühnenmitgliedern beschäftigt, ohne dass man meint, für die Lektüre müsse man sogleich einen Juristen zu Rate ziehen. Es ist sicherlich ungewöhnlich, wenn ein Intendant, der ja auf der anderen Seite der Barrikade zu stehen scheint, den Versuch unternimmt, für Studierende, für junge Schauspieler, Regisseure und auch für Bühnenbildner und Dramaturgen etc. einen Ratgeber zu schreiben. Das liegt darin begründet, dass ich vor meiner Tätigkeit als Intendant Rechtsanwalt war und überwiegend arme Leute vertreten habe und auch später, z. B. an der Universität der Künste in Berlin, Seminare darüber gab, wie man sich als junger Schauspieler vor Intendanten schützen kann. Wir wollen versuchen, uns der Rechtswissenschaft aus dem Blickwinkel der Theaterpraxis zu widmen.
Es gibt kein einheitliches Theaterrecht, wie es auch kein Medizinrecht gibt. Es gibt verschiedene rechtliche Fragen und Normen, die den sozialen Sachverhalt Theater regeln. Die Klammer ist also eher gesellschaftlich, in unserem Fall der Ort oder das Gemeinwesen, in dem Theaterkunst entsteht. Handelt es sich z. B. um einen Streit, in dem es um die Gage geht oder die Vertragsdauer, die Verpflichtung des Künstlers, auch zu werben, die Dauer der Proben, so sind wir im Arbeitsrecht. Verletzt sich ein Künstler bei einer Probe und es stellt sich die Frage der künftigen Rente oder des Schadensersatzes, so sind wir im Reich des Sozialrechts und des allgemeinen Privatrechts. Wird im Theater gestohlen, so wird die Tat nach allgemeinem Strafrecht verfolgt.
In der Kultur unserer Rechtsordnung wird das Recht in drei große Gruppen eingeteilt:
1. Öffentliches Recht – Verfassungsrecht (Grundgesetz)
Was ist Kunst, was ist Kunstfreiheit, wer bestimmt darüber und wer nicht? Was zeichnet einen Sozial- und Kulturstaat aus? Wann dürfen sich Menschen versammeln? Wie gestaltet sich das Asylrecht?
Verwaltungsrecht: Baurecht, Hochschulrecht, Polizeirecht oder Sozialrecht, Kommunalrecht
Es geht um das Verhältnis zwischen Staat und Bürger und im weiteren Sinne kann man dazu auch das Strafrecht zählen. Wir führen es aus Gründen der Übersicht gesondert auf.
2. Strafrecht Gemeint ist der Anspruch des Staates, Menschen zu strafen, die andere bestehlen, betrügen, sexuell nötigen oder Ähnliches tun. Sachverhalte, die natürlich auch im Theater geschehen können. Wie gesagt: So gehört das Strafrecht natürlich zum öffentlichen Recht im Gegensatz zum Privatrecht.
3. Privatrecht Die Rechtsbeziehungen zwischen Bürgern, Arbeitgebern und Arbeitnehmern, Käufern, Vermietern, Erben und Erblassern, Intendanten und Schauspielern, Bürgermeistern oder Kulturministern als Arbeitgeber.
Soweit erst einmal zu den großen Feldern, aus denen sich Theaterrecht speist. Oben steht in der Hierarchie die Verfassung, die aber meist sehr abstrakt ist. Es folgen einfache Gesetze, danach Rechtsverordnungen, Tarifverträge, Verwaltungsvorschriften und am Ende steht der Einzelvertrag.
Struktur des Rechts
Zivilrecht
Rechtsverhältnisse von Privaten untereinander
Internationales Privatrecht
z. B. Vertragsrecht
Familienrecht
Gesellschaftsrecht
Urheberrecht
Theaterrecht
Öffentliches Recht
(im weiteren Sinne)
Rechtsverhältnisse unter Beteiligung des Staates als Hoheitsträger
Öffentliches Recht
(im engeren Sinne)
Völkerrecht
Europarecht
Staatsrecht
z. B. Kunstfreiheit
Verwaltungsrecht
z. B. Baurecht
Arbeitsrecht
Strafrecht
Strafrecht (im engeren Sinne)
z. B.
Sexualdelikte
Oder noch einmal anders dargestellt und dabei schon die Hierarchie der Normen im Blick:
Verhältnis Bürger – Bürger:
– Grundgesetz/Verfassung (Idee des Sozialstaates, Drittwirkung von Grundrechten, z. B. Kunstfreiheit in Art. 5 Abs. 3 GG.)
– einfache Gesetze (z. B. Bürgerliches Gesetzbuch, Urheberrechtsgesetz, Mutterschutzgesetz)
– Tarifverträge (NV Bühne, Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes, Haustarifverträge)
– Einzelverträge (Bühnenvertrag, Gastvertrag, Regievertrag, Werkvertrag, Aufhebungsvertrag) – Einzelne Entscheidungen (Kündigung, Abmahnung, Ermahnung, Gastiererlaubnis)
Verhältnis Bürger – Verwaltung:
– Grundgesetz/Verfassung (Hausrecht des Theaters auch gegenüber staatlichen Eingriffen, ein schwer justiziabler Anspruch auf Gleichbehandlung, die Versammlungsfreiheit bei Künstlerdemonstrationen gegen Kommune oder Land)
– einfache Gesetze (Bürgerliches Gesetzbuch, Gemeindeordnung, Abgabenordnung) – Rechtsverordnungen (Versammlungsstättenrichtlinie) – Tarifverträge (NV Bühne z. B.)
– Werkverträge, Dienstverträge, Arbeitsverträge
Die Hierarchie von Rechtsnormen
Regelungsebene
EU
Bundesrecht
Landesrecht
Autonomes Recht
Normebene
– Primärrecht
– Sekundärrecht
– Tertiärrecht
– Grundgesetz
– formelle Bundesgesetze
– Rechtsverordnungen des Bundes
– Landesverfassung
– Landesgesetze (z. B. Hochschulgesetz)
– Rechtsverordnungen des Landes
Organisationsebene
Europäische Kommission
Bundestag
Landtag
Gewerkschaften/Arbeigeber
Staatliche Körperschaften
Es wird erzählt, dass in dem ersten Land, in dem Gulliver auf seinen Reisen war, eine Regel galt, dass es nicht mehr Gesetze geben dürfe, als das Alphabet Buchstaben habe, damit die betroffenen Einwohner den Überblick behielten und man sich bemühte, mit wenigen Worten eine rechtliche Regelung zu finden, die auch den Sachverhalt, also das zusammengefasste, wirkliche Leben erfassen könne. Das ist nicht immer leicht.
Auch das Recht oder die rechtliche Regel bewährt sich ja, ähnlich wie das Theater, zumeist im Konflikt. A will etwas von B und B weigert sich, worüber C nicht nur ärgerlich ist, sondern wofür C Schadenersatz verlangt. Die Theaterleitung will, dass am Abend der Lappen hochgeht, aber der Maskenbildner ist erkrankt, der Schauspieler hat den Spieltermin versäumt und der Veranstalter am Gastspielort will seine Einnahme, seine Unkosten und eine Entschädigung in Geld für den erlittenen Imageverlust.
Zunächst einmal ist es wichtig zu wissen, welche Texte überhaupt im Theaterrecht von Bedeutung sein könnten. Das Theaterrecht ist, wie erwähnt, kein eigenes Rechtsgebiet. Es setzt sich zusammen aus unterschiedlichen rechtlichen Regelungen, die alle gemeinsam den sozialen Kontext von Theater normativ oder rechtlich verbindlich bestimmen. Dabei decken sich die beiden Kreise von Recht und Moral noch lange nicht. Das ist aber nicht schlimm. Im Gegenteil: Dass Recht und Moral in einer Gesellschaft sich nicht decken, ist das Ergebnis bürgerlicher Revolutionen, die zwar in Deutschland nie ganz gelungen sind, aber eben doch zwei Sphären voneinander trennen, die Auffassungen, die Gefühle und Meinungen von dem, was Recht und Gut ist, zu dem, was nach einem langen und – hoffentlich gelungenen – demokratischen Prozess, nach Beratungen und Mehrheitsfindung in den Parlamenten verbindlich wurde. Die Quellen des Rechts sind aber eben nicht nur Gesetze. Es gibt eine Hierarchie der Rechtsquellen. Die verläuft, wenn man es von oben nach unten betrachtet, von der Verfassung (dem Grundgesetz) bis hinab zum einzelnen Verwaltungsakt bzw. einseitigen Willenserklärung, wie z. B. die Kündigung.
Kapitel | Seite |
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Kapitel | Seite |
Einleitungvon Christoph Nix | Seite 9 |
Theater als Unternehmen privater und öffentlicher Naturvon Christoph Nix | Seite 17 |
Theaterarbeitsrechtvon Christoph Nix | Seite 23 |
Gruppen gründen – Banden bildenvon Christoph Nix | Seite 51 |
Sondergruppen innerinstitutionellvon Christoph Nix | Seite 57 |
Das Urheberrecht für Werke der darstellenden Kunstvon Christoph Nix | Seite 63 |
Kurze Einführung in das Recht der Sozialversicherungvon Christoph Nix | Seite 69 |
Fragen der Mitbestimmung am Theatervon Christoph Nix | Seite 79 |
Über die Kunstfreiheitvon Christoph Nix | Seite 85 |
Kurze Geschichte des Theaterrechtsvon Christoph Nix | Seite 87 |
Textsammlung | |
Der NV Bühnevon Christoph Nix | Seite 101 |
Bühnenschiedsgerichtsordnungvon Christoph Nix | Seite 195 |
Sozialgesetzbuch III Arbeitslosenversicherungvon Christoph Nix | Seite 209 |
Betriebsverfassungsgesetz (Auszug)von Christoph Nix | Seite 211 |
Auszüge aus den Landespersonalvertretungsgesetzen von Bremen, Schleswig-Holstein und Niedersachsenvon Christoph Nix | Seite 215 |
Urheberrechtsgesetzvon Christoph Nix | Seite 223 |
Formulare von Musterverträgenvon Christoph Nix | Seite 229 |
Anhang | |
Abkürzungsverzeichnis | Seite 248 |
Literaturverzeichnis | Seite 250 |
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Zum Autor
Christoph Nix
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Gruppen gründen – Banden bilden
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Plädoyer für das Tanztheater
Über die Vorgeschichte des Theaters
Bibliographie
Beiträge von Christoph Nix finden Sie in folgenden Publikationen:
Recherchen 157
Theater in Afrika II - Theaterpraktiken in Begegnung
Kooperation zwischen Togo, Burundi, Tansania und Deutschland
Theater_Stadt_Politik
Von Konstanz in die Welt
Jeden Monat die wichtigsten Themen bei Theater der Zeit
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