Unüberwindliche Nähe
Texte über Botho Strauß
Herausgegeben von Thomas Oberender
Broschur mit 232 Seiten, Format: 140 x 240 mm
ISBN 978-3-934344-43-3
"Diese gewagte Lesart ließ sich zu meinem Leidwesen damals an der Volksbühne nicht auf der Bühne umsetzen. Das Konzept wurde aber in einem Buch zum 60. Geburtstag von Botho Strauß veröffentlicht." DIE ZEIT, Carl Hegemann
Die Theaterstücke, Romane, Erzählungen und Reflexionsbände von Botho Strauß wurden seit den 70er Jahren zum Spiegel der bundesdeutschen Gesellschaft. Das Werk des Dichters ist dabei äußerst vielgestaltig, neben seinen Dramen und Prosawerken schrieb er auch Gedichte und Essays, deren kulturkritische Diagnosen immer wieder Anlass zu heftigen Debatten und Auseinandersetzungen mit seinem Werk und seiner Person gaben. Insofern steht das Schaffen von Botho Strauß auch für die inneren Verwerfungen und Krisen bundesdeutschen Mentalitätsgeschichte seit 1968 und der künstlerischen Aufbrüche, die ihr entsprungen sind. Ende diesen Jahres wird Botho Strauß sechzig Jahre alt. Die Anthologie versammelt aus diesem Anlass neue Texte über den Dichter und sein Werk, geschrieben von künstlerischen Weggefährten, Schriftstellerkollegen und Geisteswissenschaftlern. Das Buch wird darüber hinaus auch Gedichte von Botho Strauß vorstellen, die in heute zum Teil entlegenen Publikationen veröffentlicht wurden und nun erstmals wieder neu zugänglich werden. Einem dieser Gedichtzyklen aus dem Jahr 1976 verdankt die Anthologie ihren leitmotivischen Titel: Unüberwindliche Nähe. Als Künstler blieb Botho eine Ausnahmeerscheinung. Obgleich er die öffentliche Diskussion wie kein zweiter polarisierte, lebt er selbst zurückgezogen und gibt keine Interviews. Sein umfangreiches Werk ist von formalen Innovationen gekennzeichnet, im gleichen Maße aber auch von der einzigartigen Auseinandersetzung mit den Erkenntnissen und Theorien der modernen Naturwissenschaft, die Botho Strauß in seinen Werken als einen wissensfrohen Dichter erscheinen lassen. Das Buch Unüberwindliche Nähe versucht sich dem disparaten Werk und der dahinter verborgenen Person des Dichtes aus unterschiedlichsten Perspektiven anzunähern.
"Das Buch 'Unüberwindliche Nähe' kann man als Geschenk verstehen (...) Schön ist, dass die Texte in ihrer geistreichen, stillen Zwiesprache mit dem Autor sich weder den Laien verschließen, noch die Spezialisten langweilen, und der Spagat zwischen Wissenschaft und Kunst tatsächlich gelingt." Das Sachbuch
Ein nicht ausübender Gesellschaftsmensch. Porträt aus Versatzstücken
THOMAS OBERENDER
Die in diesem Buch versammelten Texte über Botho Strauß nähern sich diesem prominenten Unbekannten auf unterschiedlichste Weise - sie beschreiben persönliche Begegnungen mit dem Dichter und spüren den Einflüssen seines Denkens und Schreibens auf die eigene Arbeit nach. Sie bezeugen auf diese Weise die Wirkungsgeschichte eines Künstlers, der seit mehr als dreißig Jahren unablässig im Gespräch ist, über dessen Person jedoch kaum etwas bekannt ist.
Wenn nachfolgend die wenigen Auskünfte des Autors über sich selbst zu einem kurzen Porträt zusammengestellt werden, so ergeben sie lediglich eine höchst unvollständige Rekonstruktion seines verschwiegenen Lebens: In all den Jahren kaum ein Interview, keine Talkshow, kein öffentliches Erscheinen. In einem Brief an die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung vom 19. Mai 1989 schrieb Botho Strauß: »Meine Arbeit ist seit jeher und ursprünglich mit der Entscheidung verknüpft, als Schriftsteller niemand zu sein als der, der schrieb. Dieses für viele sicher ärgerliche Tabu dient mir zum Schutz der Schrift, und ich würde es um keinen Preis der Welt verletzen.« Die höchste Anerkennung für einen deutschen Dichter, den Büchnerpreis, nahm sein Verleger Michael Krüger für ihn in Empfang. (Strauß stiftete das Preisgeld der Wiederentdeckung des Werkes von Hans Henny Jahnn.)
Seine Scheu vor öffentlichen Auftritten beschrieb der Autor am ausführlichsten vielleicht in einem Gespräch mit Volker Hage im Februar 1980. Darin erwähnt Strauß »ganz markante Momente« des Ausgeschlossenwerdens in seiner Jugend, aber auch seine Schwierigkeit mit einer anderen Form von sozialer Intelligenz, die das Kollektiv erfordert: »Bei der Schaubühne «, so Strauß, »habe ich regelrecht eine gruppendynamische Eindämpfung meines Verstands erlebt.« (S 1, 190f.) 1 Zwanzig Jahre später, ineinem Interview mit Ulrich Greiner, fragt sich Botho Strauß, ob er »dafür disponiert ist, ein solistisches Dasein zu führen. Entweder findet man sich mit dem selbst gewählten Eremitentum ab, oder man spürt, und das ist bei mir der Fall, ständig den Mangel. Man lebt die Geselligkeitsaskese und wünscht, dass es anders wäre. Daraus entsteht eine Überempfindlichkeit bei der Berührung mit anderen Menschen. Wobei diese Überempfindlichkeit zu gewissen Übertreibungen führt, die aber manchmal besser dazu taugen, die Wahrheit aufzuspüren.«
Botho Strauß wurde am 2. Dezember 1944 in Thüringen, in Naumburg an der Saale geboren. 1950 übersiedelte die Familie über Westberlin nach Remscheid, wo Strauß' Vater einen beruflichen Neuanfang wagte. 1954 zog die Familie weiter nach Bad Ems, hier wechselte Botho Strauß von der Volksschule ins Gymnasium. Vom Vater, der 54 Jahre älter war, sagt der Autor: »Er war freiberuflicher Berater der pharmazeutischen Industrie, gab nebenbei eine kleine Zeitschrift heraus und schrieb ein Buch über gesunde Lebensführung. Er hat seine Tage am Schreibtisch verbracht, so lange ich denken kann.« (S 2, 208f.)
Studium, Regieassistenz, Theater heute
Die Weltliteratur entdeckte Botho Strauß als Kind über Comics: » ›Ich war ein Baby der amerikanischen Kultur‹. Der Vater, Autor eines Sachbuches, war ein Leser Thomas Manns (den er auch gern zitierte). ›Es gab ein sehr bedachtes Sprechen. Ich habe keine schlampige Sprache zu Hause gehört. Ich habe mich dem allerdings widersetzt und lange den Mist hochgehalten, der mir gefiel. Es gab ja auch die Klassiker als Comics, ich habe ROMEO UND JULIA nicht bei Shakespeare kennengelernt, sondern zunächst mit Sprechblasen.‹ « (S 1, 199)
1964 begann Botho Strauß zu studieren - Theatergeschichte, Germanistik, Soziologie, Politologie und Zeitungswissenschaft in Köln, später in München, insgesamt sechs Semester. Nach dem Studienabschluss begann er eine Doktorarbeit - ihr Thema lautete: »Thomas Mann und das Theater« (R,218). Bevor er die Promotion über den Lieblingsschriftsteller seines Vaters abbrach, hatte Strauß in der Studentenzeit als Statist (ebenfalls als Komparse unter der Mönchskutte: Rainer Werner Fassbinder) an den Münchner Kammerspielen gearbeitet - so nach eigener Aussage 1965 in der Inszenierung von G. B. Shaws HEILIGER JOHANNA. 3 Ebenfalls auf die Studienzeit bezieht sich auch die folgende, vielleicht überraschende Aussage, die Volker Hage festhielt: »Eigentlich wollte er Schauspieler werden. Er hat auch als Student auf Laienbühnen gespielt. Dann las er Adorno - und alles wurde ihm suspekt. Die Lektüre lähmte ihm die Glieder: plötzlich hatte er Angst vor dem öffentlichen Auftritt.« (R, 218) Im Sommer 1967 assistierte Botho Strauß dem Musiker Peter Fischer während der Inszenierung von Grabbes NAPOLEON ODER DIE 100 TAGE - nach seinen Worten »als ›fünfter Assistent bei August Everding in Recklinghausen‹« (S 1, 199).
Dieser Wechsel in die Berufswelt des Theaters war auch in einer anderen Hinsicht folgenreich: »Damals lernte er Henning Ritschbieter kennen, den Herausgeber von Theater heute. Strauß hatte schon Kritiken ›für die Schublade‹ geschrieben. Als er sie vorzeigte, habe Rischbieter ›nur schallend gelacht‹. Doch nachdem ein Aufsatz (über Horváth) gedruckt worden war, schrieb er regelmäßig Kritiken, jedoch nicht eben leicht verständliche. ›In meiner intellektuellen Erziehung hat halt die dialektische Schule eine große Rolle gespielt. Man las alles von Benjamin und verschaffte sich mit einem Zitat das entsprechende Fluidum. Aus dieser Schulung bin ich nie herausgetreten und werde da wahrscheinlich auch nie herauskommen. Damals wollte ich immer schicke Essays schreiben. Und entsprechend fielen die Kritiken auch aus.‹ Er schrieb nur über das, was ihn interessierte. Der Weg in die Praxis sei da wohl schon vorgezeichnet gewesen. Ihm habe einfach die Vermittlergabe gefehlt, ›die ein Kritiker doch haben muß‹.« (ebd.) Seine Kritiken fanden in Theaterkreisen große Beachtung - noch heute erweist sich die im Verlag der Autoren erschienene Sammlung seiner zwischen 1967 und 1971 geschriebenen Beiträge als inspirierende Lektüre.
Auch dem sich gerade konstituierenden Schaubühnenensemble fiel der junge Kritiker auf und es lud ihn zur Mitarbeit ein. Botho Strauß verließ 1970 die Redaktion von Theater heute, um an das Theater zu wechseln, doch die politisierte Streitkultur der Ensembleversammlungen der jungen Schaubühne veranlasste ihn, das Angebot, im Direktorium des Theaters mitzuarbeiten, abzulehnen. Seine beruflichen Pläne schienen sich somit zu zerschlagen, eine Rückkehr zu Theater heute war unmöglich. Botho Strauß ging nach Bad Ems, um als freier Autor zu arbeiten. Es war Peter Stein, der ihn einige Zeit später einlud, als freier Produktionsdramaturg für seine PEER GYNT-Inszenierung an der Schaubühne zu arbeiten.
Schaubühne und Schreibanfänge
Der Aufführung von Ibsens PEER GYNT 1971 folgten drei weitere Arbeiten mit Peter Stein: 1972 die Bearbeitung von Kleists PRINZ FRIEDRICH VON HOMBURG, 1973 die Aufführung von Eugene Labiches DAS SPARSCHWEIN und 1974 die Bearbeitung von Maxim Gorkis SOMMERGÄSTE. Strauß schrieb im Probenzusammenhang Texte für Figuren, die durch ihre simultane Präsenz in den Stein'schen Inszenierungen auf der Szene anwesend wurden, obgleich dies im Stück nicht vorgesehen war, und die somit am Dialog und Simultangeschehen beteiligt werden mussten. Diese Erfindung einer »Kollektivdramaturgie « und die mit ihr verbundenen Schnittverfahren fanden ihre radikalste Ausprägung sicher in der Bearbeitung von Gorkis SOMMERGÄSTE und setzten sich in der Arbeit an Strauß' eigenem Stück TRILOGIE DES WIEDERSEHENS von 1976 fort. Noch 1977 sicherte (trotz der Aufführungen seiner Stücke DIE HYPOCHONDER, BEKANNTE GESICHTER, GEMISCHTE GEFÜHLE, der Übersetzung von Eugen Labiches DAS SPARSCHWEIN und der SOMMERGÄSTE- Bearbeitung mit Peter Stein) die tägliche Arbeit als Dramaturg den Lebensunterhalt von Botho Strauß.
Dass das Schaubühnenkollektiv, zu dessen Ensemble er ungeachtet der engen Zusammenarbeit nicht zählen wollte, dabei nicht nur Schule und Verwirklichungsraum der schriftstellerischen Arbeit war, sondern auch sein hauptsächliches Studienobjekt, gibt ein Gespräch mit Henriette Herwig von 1984 zu erkennen: »Das Theatermilieu zeigt mir viel von Menschen. Ich verfolge sie nicht in ihrer Entwicklungsgeschichte, sondern erlebe sie in ihren gegenwärtigen Vernetzungen in unzähligen Arbeits-, Wohn- und Freundesgruppen, beziehungsreich, doch bindungsarm. Und diese Vernetzungen sind am Theater eben besonders ausgeprägt: jeder muß sich mit jedem in immer wieder anderen Rollen auseinandersetzen. Nichts ist von Dauer.«
»Das Leben von Botho Strauß«, fährt Herwig erzählend fort, »ist voll von Verzicht. Das merkt man ihm an, und das prägt seine Wahrnehmung von Menschen. Freunde hat er nur wenige. Es sind vor allem Schauspieler, Dramaturgen und Regisseure der Berliner Schaubühne. Der Dramatiker arbeitet bis zu zwölf Stunden am Tag. Er teilt seinen Berufsalltag - wie er sagte - in Produktions- und Rezeptionsphasen ein: tagsüber, wenn er frisch sei, schreibe er; nach dem Nachtessen ziehe er es vor zu lesen.«4 Botho Strauß, der trotz seiner intensiven Arbeit an der Schaubühne erst 1976 von Frankfurt am Main nach Berlin zog, blieb insgesamt 17 Jahre in seiner Altbauwohnung Keithstraße 8 wohnen. »Er, der Übriggebliebene einer Wohngemeinschaft aus den siebziger Jahren, hatte gar keinen Mietvertrag. Nun wohnt er in der Nähe vom Kurfürstendamm. Und er hat neuerdings ein Haus auf dem Land, anderthalb Autostunden von Berlin entfernt.« (D, 179)
Bocksgesang und Uckermark
Sein Buch BEGINNLOSIGKEIT aus dem Jahr 1992 verriet dem Leser, dass Botho Strauß inzwischen Vater eines Sohnes geworden war. Zwischen Vater und Sohn liegt ein beinahe ähnlich hoher Abstand der Jahre wie einst zwischen Botho Strauß und seinem Vater. Zu seinen geistigen Vätern - »neben den Eltern« - zählt Strauß »einen Lehrer, dem er sich anvertrauen konnte und von dem er mehr erfuhr, ›als mein Horizont damals in der Kleinstadt ausmachen konnte‹. Danach gab es Rischbieter, zwanzig Jahre älter als Strauß: ›Er hat mich auch geschurigelt, aber ich habe viel gelernt‹. Und dann gab es eben Stein. Seither fühlt er sich führerlos, was er in letzter Zeit ›besonders stark als Mangel‹ empfindet.« (S 1, 201)
1986, inzwischen selbst ein Dichter mit großer Autorität, weist Strauß die Frage, ob er mit seinen Büchern inzwischen nicht selbst zu einer Art ›Verkünder‹ oder ›Guru‹ geworden sei, befremdet zurück: »Sei er nicht eher im Gegenteil - immer noch ›der ewige Sohn‹?« (S 2, 216) Als er mit seinem Essay ANSCHWELLENDER BOCKSGESANG einige Jahre später eine heftige, politische Kontroverse auslöst, hatte Strauß sich vom Selbstbild als »ewigem Sohn« inzwischen weit entfernt. »Wenn man in die ›reifen Jahre‹ komme«, gibt er 1993 zu Protokoll, »möchte man doch gern sagen können, man arbeite an einem ›Projekt‹ - so spricht er mit einer Prise Selbstironie, doch auch sehr ernst.« (D, 185) Auch in einem privaten Brief an den Theaterkritiker Franz Wille vom 25. Oktober 1994 spricht Strauß von der Sehnsucht nach einem »Projekt« und dessen Verbindung zu »einem biografischen Stadium, das man früher reifes Mannesalter nannte«5. In seinem Essay ANSCHWELLENDER BOCKSGESANG besitzt das Bild des reifen Mannes und seines Projekts 6 nun unverkennbar traditionelle Konturen - weit entrückt erscheint die Geschichte jenes jungen Mannes aus der 1975 erschienenen Erzählung THEORIE DER DROHUNG, der sich durch die Beschreibung einer Frau am Ende selbst in sie verwandelt 7 - das Männerbild der reifen Jahre ist bei Botho Strauß ein Rollenbild aus alten Tagen. Zu seinem Essay ANSCHWELLENDER BOCKSGESANG befragt, sagt Strauß gegenüber Volker Weidermann, elf Jahre nach dessen Veröffentlichung, er habe nichts zurückzunehmen: »Aber heute ist die Zeit der Kämpfe vorbei. ›Die Zügel locker lassen‹, sagt er wohl dreimal während des Gesprächs. Und dass er früher eben dachte, er müsse schrill und laut reden und schreiben, um überhaupt gehört zu werden. Heute sei das anders. Heute reiche ihm der leise Ton. Und die wenigen Zuhörer und Leser.«8
1993, im Erscheinungsjahr seines Essays ANSCHWELLENDER BOCKSGESANG, zog Botho Strauß aus Berlin in die Uckermark. Der Umzug in die Stille des Landlebens stand im deutlichen Kontrast zu dem heftigen Skandal, den sein Essay auslöste. Obgleich Strauß für einige Monate im Mittelpunkt der Feuilletondebatten Deutschlands stand, isolierte ihn die Veröffentlichung des Essays in unerwarteter Weise und machte ihn, wie die Absagen bereits geplanter Aufführungen seiner Stücke und ein Nachruf ehemaliger Kollegen in Theater heute zeigte, zumindest zeitweilig zu einer »unmöglichen Person«. Über sein Haus, das er sich in der Abgeschiedenheit eines idyllisch gelegenen Vorwerks an die Stelle des früheren Gutshauses gebaut hat, sinniert er in DIE FEHLER DES KOPISTEN: »Der Gang in die Dunkelheit führt in die tiefste Mulde der Weide. Dort seh ich zurück auf das weiße Haus am Hang, das selber Ausschau hält, ungerührt wie die Steinfiguren auf den Osterinseln. Das schale Licht hält sich lange in den Fenstern. Ich habe es nur für mich erbaut und meine Montaignade. Kaum jemand, der es sieht, versteht seine ungemütliche Helle, seine hölzerne Bauchladen-Terrasse, seine viel zu breiten Giebelfenster und seine gestutzten Dachflügel zu einem angenehmen Eindruck zu verbinden.«9 Doch so ungetrübt, wie sich dieses Leben im abgeschiedenen Garten der Befreundeten, im hortus conclusus zunächst anließ, scheint es auf Dauer nicht zu bleiben. Es gibt Momente, in denen der Dichter mit der Entscheidung für ein Leben in der Uckermark hadert: »Nicht nur die Naturverschandelung schreckt ihn. Auch der Neid und die Wessifeindschaft der Nachbarn. Und der allgegenwärtige Fremdenhass schon bei den Jüngsten.«
Revolte des Abschieds
Der Autor eines Buches wie BEGINNLOSIGKEIT und von literarischen Texten, die die Begriffe von »Ende« und »Anfang« leugnen, wurde seltsamerweise als ein Dichter bekannt, dessen Bücher und Figuren vom Abschiednehmen berichten. Er definiert sich selbst als einen, der in der »Revolte des Abschieds«11 seinen Stand sucht: »Ja, Abschiede sind wesentliche Fixpunkte in meinem Leben, dazu kommen noch genaue Beobachtungen, emotionale Gründe, Erfahrungen aus der Gruppenarbeit, Bedrohungen des Bewußtseins ...«12 Dass der Blick aufs Leben unter den Vorzeichen des Abschieds auch ein Sprach-Bewusstsein hervorbringt, das von dieser Perspektive durchdrungen ist, offenbart eine Bemerkung in dem Buch DIE FEHLER DES KOPISTEN: »Unsere Welt ist lautlos untergegangen. Die Welt, von der man noch nicht einmal Abschied nahm. Die Ablösung des Hamlet, das Entschwinden des Intellektuellen aus jeder aussagekräftigen Rede. Die ungeheure Verbreitung von zweitklassiger Intelligenz hat zur Folge, daß die Sprache bei dunkleren Bereichen des Geistes Asyl sucht, ja, sich geradezu in den irrationalen Ausdruck rettet ... offenbar, weil sich ›die abgenutzte Sprache im Dunkel zu verjüngen‹ vermag. (Gerhard Nebel)«13
Aber auch in einer anderen Hinsicht ist diese »Revolte des Abschieds« für das Bewusstsein dieses Autors von Bedeutung: »Unser Älterwerden«, so in PAARE, PASSANTEN, »kreist in immer erweiterten Gedächtnis-Ringen um unsere einzigartige Geburtsstätte, den deutschen Nationalsozialismus. Der Abstand vergrößert sich, doch können wir aus der konzentrischen Bestimmung niemals ausbrechen. Für diejenigen, die aus dem Exzess des Jahrhunderts hervorgingen, wird es keine Lebensphase geben, in der sie nicht erneut zu diesem Ursprung sich innerlich verhielten, so daß er eigentlich das geheime Zentrum, ja Gefängnis all ihrer geistigen (und seelischen) Anstrengungen bildet.«14 Dieser Ursprung sei ihm wie ein »Mal« aufgezeichnet: »Er sei - wie andere aus seiner Generation - aufgewachsen unter einem riesigen Schatten. ›Ich habe meine Augen aufgeschlagen als zum Bewußtsein kommender Mensch - und habe ein Blutbad vor mir gesehen. Es ließ sich im Grunde nicht begreifen. Also rettete man sich nach links.‹ Er spricht von einem ›Mal‹, das man so tief in sich habe, daß alles Denken damit verbunden sei. ›Dieses Mal ist auf uns gekommen, nicht auf diejenigen, die es fabriziert haben.‹ Keine Anklage, daß die verantwortliche Generation sich in den Wiederaufbau gerettet habe, sei eine quasi biologische Überlebensform gewesen. Den Hohn gegen die ›Verdrängungsgesellschaft‹ habe er nie verstanden. Eine Gnade der späten Geburt kann es für ihn nicht geben. ›Das gerade nicht! Dieses Mal ist eingebrannt. Aber es wird mich nicht zur Erstarrung bringen.‹« (S 2, 215)
Ich möchte anderen Schrecken begegnen
Am Anfang stand der Aufbruch des Dichters aus der Kleinstadt, und dreißig Jahre später die Flucht aus der Metropole und der Rückzug aufs Land. Der selbstbewusst ›hohe Ton‹ steht in seinen Büchern neben dem lebensklugen Humor eines distanzierten Zeitgenossen. Seine Bücher und Gespräche zeigen den Autor als disziplinierten Klausner, zugleich aber auch als einen Mann mit sinnlichen Leidenschaften, dessen Liebesgeschichten zu den abgründigsten, empfindsamsten und bisweilen gewalttätigsten der zeitgenössischen Dramatik zählen - er ist zweifellos einer, den es im Leben umgetrieben hat, der nach einem seiner größten Theatererfolge Anfang der achtziger Jahre ein paar Monate als Gärtnergehilfe in München jobbte: »Er wollte etwas ganz anderes machen, sich nicht ewig nur schreibend und lesend betätigen. Halbtags fuhr er Geranien aus, bepflanzte Balkons in einem Altersheim.« (ebd., 208) Inzwischen hat Botho Strauß eine große Scheune in der unmittelbaren Nachbarschaft seines Vorwerks gekauft, um in ihr eine Bibliothek einzurichten. »Bislang stünden nur Botho-Strauß-Bände, seine Belegexemplare also, darin. Die anderen kommen erst, wenn es warm genug ist. Ob er manchmal in seinen alten Büchern lese, frage ich. Er sagt nein, denn er schreibe ja im Grunde immer am selben Buch. Die neuen seien nur Verbesserungsversuche der schon geschriebenen. Der hinter ihm liegenden.«15
Dass es nie allein die eigene Lebensgeschichte und ihre unmittelbaren Umstände sind, die ihn zum Schreiben bewegen, erläuterte er seinem Gesprächspartner 1986: »Das Persönliche an seinem Schreiben hält er für ganz sekundär. Er habe im Grunde noch nie eine autobiographische Zeile verfaßt. Er selbst sei ›kein Erinnerer‹, sagt Botho Strauß, er fühle sich ohne Ort der Herkunft. ›Je älter man wird, desto mehr sieht man doch, wie groß die Heimat Schrift ist.‹ Das hat er ähnlich schon in PAARE, PASSANTEN formuliert: ›Man schreibt aber doch auch, um sich nach und nach eine geistige Heimat zu schaffen, wo man eine natürliche nicht mehr besitzt.‹« (S 2, 208) Dennoch könne er ein Buch wie PAARE, PASSANTEN nicht noch einmal schreiben. Nach diesem Buch »hat bei ihm ein Bruch stattgefunden. Ein solches, gesellschaftskritisch aufzufassendes Buch ›mit seinen Déja-vus für den Leser‹ will er nicht mehr schreiben. Was er beobachtet, verblüfft ihn nicht mehr genug: ›Überall Glätte und Kälte, es lohnt die Beschäftigung nicht. Meine Registriermaschine ist nicht mehr einsetzbar. Ich möchte anderen Schrecken begegnen. Ich muß!‹« (ebd., 212)
Diese »Schrecken«, die sein Schreiben als Stimulans braucht, beschrieb Botho Strauß in seinen kulturkritischen Beobachtungen als Diagnose des Verlusts. Ihnen zur Seite stehen die Schrecken der unvermittelten Einsicht und ihrer unabschätzbaren Konsequenzen - das Buch BEGINNLOSIGKEIT beschreibt solch einen erkenntnistheoretischen Schauder. Aber auch Bücher wie SIGÉ über Robinson Jeffers oder Strauß' Aufsätze über Rudolf Borchardt, Ernst Jünger oder Konrad Weiß zeugen von einem Erschrecken, dem er als Lesender und in diesem Sinne Empfangender nachspürt.
Seinen Texten ist eine Grundhaltung der Dissidenz eigen, die sich in seinem Protest gegen die »Diktatur der totalen Gegenwart«16, die »Diktatur des technokratischen Denkens«17, die »Diktatur der Sekundären Diskurse«18 oder »den Terror der technisch-ökonomischen Intelligenz«19 ausdrückt. Doch dieser dissidenten Haltung ist implizit auch der Gegenentwurf einer verteidigten Positivität eigen: Das intellektuelle Ringen um eine Form von spiritueller Positivität, auch in Reaktion auf das dem Dichter eingeprägte ›Mal‹ der Geschichte, ist für das Werk von Botho Strauß außerordentlich kennzeichnend.
Sein Ringen um eine intellektuelle und ästhetische ›Konstruktion des Positiven‹ oder ein konstruktives Jenseits, das die Gesellschaft überhaupt erst wieder transzendierbar macht, ließe sich in seinem Werk, sehr vergröbert, als innere Überwindungsgeschichte folgender Stationen interpretieren: Vom Denken in Widersprüchen (Dialektik) gelangt es zu einem Denken in Differenzen (Strukturalismus) und von diesem zu einem Denken in Revelationen (»romantischer Erbgang« und »sakrale Poetik«). Auf eine ebenso simplifizierende Weise, die Vielzahl der von Botho Strauß mitgelesenen und weitergegebenen Autoren außer Acht lassend, ließe sich dieser Entwicklungsweg auch mit seiner Beziehung zu den Autoren Theodor W. Adorno und Walter Benjamin, zu Michel Foucault und Claude Lévi-Strauss bis hin zu George Steiner und Nikolás Gómez Dávila verbinden. Für sein Schreiben bedeutet dies, wiederum verkürzt, einen Übergang, der von der Kritischen Schule zur strukturalistischen Analyse von Bewusstseinsprozessen weiter zur romantischen Mythenumschrift der Gegenwartsverhältnisse, die zu Strauß' Kunst- bzw. Wortreligion führt. Diese Entwicklungsgeschichte ist allerdings zugleich vollkommen »entwicklungslos«, wenn man berücksichtigt, wie unverändert die Motive und Grundhaltungen seines ästhetischen Denkens bleiben. Im Hinblick auf Themen wie Schrift und das Schreiben, die Flüchtigkeit, das Andere, das Mythische und Strauß' spezifisches Verständnis von »Gegenwart« scheint die Grundhaltung des Autors eher unverwandelt und lediglich die Argumentationszusammenhänge zu wechseln. Vielleicht hat Botho Strauß bereits 1968 in seinem Text über Witold Gombrowicz alles formuliert, was ihn als Künstler und Intellektuellen fortan interessieren und prägen sollte.
Nur noch Phänomene
Die Kunst-, Kultur- und Wissenschaftsreflexionen eines Dichters wie Botho Strauß stellen kein Extra zum übrigen OEuvre dar, keine Zugabe, vielmehr sind sie dessen sehr spezielle Voraussetzung.1971beschrieb Strauß die eigentliche Herausforderung seiner Kritikertätigkeit als den Versuch, sich »zu theoriebildenden Gedanken über das Theater und seine Ästhetik anregen«20 zu lassen. Diesen Versuch hat er nie abgeschlossen - sein Werk ist geprägt vom Transfer zwischen künstlerischem und theoretischem Wissen. Die Wahrnehmung des Kunst- und Naturschönen verbindet sich in seinen Texten mit der ästhetischen Erfahrung des Gedankenschönen. Noch 1987 nennt er sich einen »poetologischen Theoretiker«, der einfach »kein reiner Künstler«21 sein kann. Auch darin ist er offensichtlich ein Erbe der deutschen Romantik: »Die deutsche Literatur ist ideell. Sie lebt von Gedankenschönheit«, heißt es in BEGINNLOSIGKEIT und dies Kriterium der Gedankenschönheit trifft auf seine Bücher in hohem Maße zu - sie leisten eine sinnliche Wahrnehmung des Wissbaren und versuchen, dem Ungeheueren der technologischen und wissenschaftlichen Neuerungen ein ästhetisches Geleit zu geben.
Dennoch reagierte Botho Strauß konsterniert auf die Frage, ob es ihm nicht darum ginge, noch einmal das »Ganze« (einer Gesellschaft und ihrer Zeit) fassen und zum Ausdruck bringen zu wollen. »Nein«, so gegenüber Greiner im bereits eingangs zitierten Gespräch, »es läuft alles seinen autonomen Innovationsgang. Da ist eine riesige Oberflächenstruktur, die sich mit größter Eigendynamik weiterentwickelt.« Als Schriftsteller müsse er jedoch »an der Altmodischkeit des Begriffsmenschen, der man ist, festhalten und nach alter Sitte durch den ästhetischen Anschein überzeugen. Aber doch nicht mehr durch das, was ich sage. Mein Beweggrund kann doch nicht sein: Jetzt rüttle ich die Meinungen alle mal durch. Da lacht man doch drüber.« Ihn beschäftige vielmehr die Frage, »was ist noch von der Regsamkeit des Menschen, wie ich ihn kenne und mit dem ich immer verbunden bleiben werde, was auch immer auf dem genetischen Feld geschehen mag, zu erwischen, welche Geheimnisse, Fluchtungen ins Unheimliche sehe ich - das ist für mich mein Lebensprogramm, wie es für Proust und andere gegolten haben mag. Aber ich kann daraus keinen Schluß ziehen für das Problem der Eliten in dieser Gesellschaft. Ich empfinde, daß die Abstraktionen immer fader werden. Mich interessieren fast nur noch die Phänomene. Man kann sie aber nicht immer entschlüsseln.«
Botho Strauß bezeichnet dieses Lebensprogramm des Jahres 2000 inzwischen als Reaktion auf die »Furcht vor dem Theorem, vor der ungeheuren Wur zellosigkeit, davor, dass es zu luftig wird, wie alles luftig wird.« Bedeutet dies den späten Abschied des Dichters vom »poetologischen Theoretiker«? Wird er keine neuen Aufsätze schreiben über die Genetik und unsere Entfernung von Gott? Auf die Frage, wie er sich erklärt, dass seine Bücher immer wieder auch heftigen Zorn erregen, antwortet er im gleichen Gespräch: »Alles, was heute ans Transzendente und Theologische rührt, verabscheut unsere kritische Spaßintelligenz. Nun bin ich ja kein Theologe. Ich präzisiere lediglich das Detail aus einer transzendenten Gestimmtheit. Diese ist gegenwärtig kaum noch mitteilbar. Jedenfalls bin ich vielen ein missliebiger Autor. Den einen, weil hier ein Demokratiekritiker den Anschein erweckt, mit der Sache selbst nichts mehr zu tun zu haben. Den anderen, weil ich versuche, die kulturelle Erinnerung aufzuwecken, bis hinein in die Mythen und das Irrationale, das ja ungesagt überall zu seinem Recht kommt, in jedem Rockkonzert, in jedem Filmbesuch, überall. Wenn man es indessen beim Namen nennt und bekennerisch bejaht, wie ich das tue, wirkt das herausfordernd und unverschämt. In meinen Texten sind seit je zahlreiche zeitgenössische Unmutsäußerungen eingewoben. Die kleine Zeile im vorletzten Buch, dass in seinem Herzen niemand Demokrat sei, hat sofort Alarm ausgelöst, obgleich ich nur sage, es gibt auch in einem jetzt lebenden Menschen Dinge, die nicht unbedingt verfassungskonform sind. Ist es die nebensächlichste Aufgabe von Literatur, dergleichen ins Gedächtnis zu rufen? Dass wir etwas älter sind als nur von heute, habe ich immer für selbstverständlich gehalten. Anbindungsstrategien sind für mich wichtiger als Bruch- und Aufbruchparolen. In der ästhetischen Entwicklung spielen Neuerungen keine bedeutende Rolle mehr. Ich selbst bin ein Transporteur, kein Neuerer. Vielleicht ist heute der Transporteur der Neuerer, das kann schon sein. Ich teile nur auf den verschlungenen Pfaden, auf denen ich selber am liebsten unterwegs bin, etwas mit. Es ist für mich unabänderlich, und das könnte man religiös nennen, eine Buchstabenfrömmigkeit, dass alles, was von mir existiert, nur durch das Buch existiert. Ich akzeptiere nichts außerhalb der Schrift. Ich meine sogar, die Literatur besteht nur für Literaten, für literarisch tingierte Menschen. Mein Leser ist mir zum Verwechseln ähnlich. Er ist nicht die Frau des Vorstandsvorsitzenden. Er gehört nicht zur Elite. Es wird jemand sein, der völlig spiegelbildlich dem Autor entspricht. Einsamkeit plus Einsamkeit.«
1 Die Gespräche von Volker Hage mit Botho Strauß werden im Text mit Siglen und Seitenzahlen wie folgt angegeben: (S 1) - »Schreiben ist eine Séance. Begegnungen mit Botho Strauß. Erster Teil: 1980«, in: Radix, Michael (Hg.): Strauß lesen, München 1987; (S 2) - »Schreiben ist eine Séance. Begegnungen mit Botho Strauß. Zweiter Teil: 1986«, in: ebd.; (R) - »Reden gegen das innere Chaos«, in: ders.: Die Wiederkehr des Erzählers, Frankfurt am Main 1982; (D) - »Der Dichter nach der Schlacht. Eine Begegnung mit Botho Strauß im Sommer 1993«, in: Weimarer Beiträge, H. 2 (1994); (V) - Wenn der Vater mit dem Sohne, in: Der Spiegel, 14. April 1997.
2 Greiner, Ulrich: Am Rand. Wo sonst, in: Die Zeit, 31. Mai 2000, S. 55f.
3 Strauß, Botho: Der Tod des Schauspielers, in: Theater heute, Jahrbuch 1988, S. 7. Der Hinweis auf den Statistenkollegen Rainer Werner Fassbinder findet sich in dem Sammelband Versuch, politische und ästhetische Ereignisse zusammenzudenken (Frankfurt am Main 1987), als bibliografische Notiz auf S. 264: »Als ich Fassbinder das erste Mal sah, steckte er in einer Mönchskutte wie ich. Wir waren Komparsen in einer Everding-Inszenierung in den Münchner Kammerspielen. Heute sagt er, das habe ihm den Rest gegeben. Dann machte er das ›antitheater‹, das damals noch ›action-Theater‹ hieß und nur in die Presse kam, weil einer mal auf eine Kollegin mit dem Messer losging ...«.
4 Herwig, Henriette: Der Einzelne ist heute ungeheuer gefährdet. Eine Begegnung mit Botho Strauß, in: Berner Tageszeitung, 1. Dezember 1984, S. 1.
5 Vgl. Theater heute, H. 12, 1994, S. 1.
6 Der Zusammenhang seines »Projekts« mit seiner Vorstellung von Männlichkeit zeigt sich auch in Strauß' Essay Die Distanz ertragen über Rudolf Borchardt oder seiner Laudatio auf Bruno Ganz. Ähnlich argumentiert auch das von Strauß mit einem Vorwort kommentierte Buch George Steiners Von realer Gegenwart: »Mimesis ist Wieder-Inbesitznahme. Indem ich diese Hypothese aufstelle, bin ich mir ihrer möglichen Ausrichtung auf Männlichkeit hin ganz und gar bewußt. Ich empfinde durchaus, daß sich daraus in mehr als metaphorischem Sinne sowohl auf ein männliches Primat in der Schaffung großer fiktiver Formen schließen läßt - ein Primat, das auf gesellschaftlicher, historischer oder ökonomischer Ebene nicht umfassend erklärbar ist - wie auf ein patriarchalisches, militantes Bild von (oder eine Metapher für) Gott.« (Steiner: Von realer Gegenwart, München, Wien 1990, hier S. 270).
7 Zu dieser Überschreitung einer Grenze bemerkte Strauß im Gespräch mit Carna Zacharias: »Die Auflösung dieser Grenzen ist zugleich Gefahr und Chance. In der Widmung scheitert die Vereinigung des Männlichen mit dem Weiblichen, in der Theorie der Drohung verschluckt die weibliche die männliche Seite.«, in: ders.: Jeder Mann ist auch eine Frau, München 1977, S. 15.
8 Weidermann, Volker: Der abwesende Herr Strauß. Ein Treffen mit dem unbekanntesten Schriftsteller der deutschen Literatur, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 14. März 2004, S. 23.
9 Strauß: Die Fehler des Kopisten, München/Wien 1997, S. 66.
10 Weidermann: Der abwesende Herr Strauß. Ein Treffen mit dem unbekanntesten Schriftsteller der deutschen Literatur, a.a.O., S. 23.
11 Strauß: Die Fehler des Kopisten, a.a.O., S. 56.
12 Bock, Hans Bertram: Der lange Abschied. Gespräch mit Botho Strauß, Nürnberger Nachrichten 14./15. Mai 1977, S. 19.
13 Strauß: Die Fehler des Kopisten, a.a.O., S. 88.
14 Ders.: Paare, Passanten, München/ Wien 1984, S. 171.
15 Weidermann: Der abwesende Herr Strauß. Ein Treffen mit dem unbekanntesten Schriftsteller der deutschen Literatur, a.a.O., S. 23.
16 Strauß: Paare, Passanten, a.a.O., S. 111.
17 Ders.: »Anschauung oder Erster Versuch, neue Spielweisen und Darstellungsformen zu rezipieren «, in: Versuch, politische und ästhetische Ereignisse zusammenzudenken, a. a. O., S. 29.
18 Ders.: »Aufstand gegen die Sekundäre Welt«, in: Steiner: Von realer Gegenwart, a.a.O., S. 307.
19 Ders.: Wollt ihr das totale Engeneering? Ein Essay über den Terror der technisch-ökonomischen Intelligenz, über den Verlust von Kultur und Gedächtnis, über unsere Entfernung von Gott, in: Die Zeit, 20. Dezember 2000, S. 59.
20 Ders.: »Über Rührung und Emphase« (1971), in: ders.: Versuch, ästhetische und politische Ereignisse zusammenzudenken, a.a.O., S. 239.
21 Krause, Tilman: Ein guter Hasser, der lieben will. Gespräch mit Botho Strauß, in: Der Tagesspiegel, 20. Juli 1997, S. Beilage W 1.
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Ein nicht ausübender GesellschaftsmenschPorträt aus Versatzstückenvon Thomas Oberender | Seite 13 |
Unüberwindliche NäheSieben Gedichtevon Botho Strauß | Seite 33 |
Alle Jahreszeiten an einem Tagvon Luc Bondy | Seite 41 |
Anfänge oder Über einige Versuche, ästhetische und politische Ereignisse zusammenzudenkenvon Karlheinz Braun | Seite 48 |
Zu Botho Straußvon Bruno Ganz | Seite 56 |
Suchbild Hamlet: »Shakespeare inszeniert uns«von Bernhard Greiner | Seite 58 |
Daher die BühneÜber Botho Strauß, für Botho Straußvon Volker Hage | Seite 65 |
Wer ist da?von Matthias Hartmann | Seite 67 |
Wer hat diesen Mann gesehen?von Jens Harzer | Seite 70 |
Ein Dichter unter den 36 GerechtenVorarbeiten für einen künftigen Antrag auf Seligsprechungvon Carl Hegemann | Seite 74 |
Überantwortung der Geschichte an die Ökonomievon Jochen Hörisch | Seite 80 |
Der Dichter meiner Generationvon Thomas Hürlimann | Seite 84 |
Bei den Krähen im Nebelschnee»Überall lauert das Zwiefache«– zum Motiv des Gleichgewichts bei Botho Straußvon Peter Iden | Seite 87 |
Dem Entziffern verschriebenvon Helga Kaussen | Seite 92 |
Über das Wiedererscheinen von Göttern im jüngeren Dramavon Helmuth Kiesel | Seite 97 |
Gefundener Ort, gemiedene ZeitBotho Strauß’ Gedankenbuch DER UNTENSTEHENDE AUF ZEHENSPITZENvon Sebastian Kleinschmidt | Seite 106 |
Der Einzelne und die Vielenvon Michael Krüger | Seite 109 |
Hoheiten, wenn sie sprechen. Stümper, wenn sie handelnDie redesüchtigen Figuren des Dramatikers Botho Straußvon Peter Kümmel | Seite 116 |
Dort wollte ich bleibenvon Jutta Lampe | Seite 121 |
Über Botho Straußvon Hartmut E. Lange | Seite 122 |
Elf Uhr vormittags, in einem Waldvon Cesare Lievi | Seite 123 |
Heimsuchung eines KleptomanenBotho Strauß’ Debütstück DIE HYPOCHONDERvon David Lindemann | Seite 125 |
Du, Ich, Du(Lassen wir das Wir mal beiseite)von Dörte Lyssewski | Seite 161 |
Die vier namentragenden Dämonen und der namenlose Dämon der Töpferwerkstatt, ihre Beschwörung und ihre Abwehrvon Martin Mosebach | Seite 164 |
Das Sehen sehenÜber Botho Strauß und Gerhard Richtervon Thomas Oberender | Seite 166 |
Liebesbrief an Botho Straußvon Christina Paulhofer | Seite 178 |
Botho Strauß bei Theater heutevon Henning Rischbieter | Seite 182 |
Das Geschenkvon Libgart Schwarz | Seite 186 |
Groteske Passagenvon Reto Sorg | Seite 189 |
Der laute SchreckenBotho Strauß und der anschwellende Mysterienlärm der Gegenwartvon Uwe C. Steiner | Seite 196 |
Mythos und Erlösungvon Lars Svendsen | Seite 204 |
Anhang | |
Werkgeschichte | Seite 213 |
Bibliografie | Seite 216 |
Autorinnen und Autoren | Seite 224 |
Werkregister | Seite 230 |
„"Diese gewagte Lesart ließ sich zu meinem Leidwesen damals an der Volksbühne nicht auf der Bühne umsetzen. Das Konzept wurde aber in einem Buch zum 60. Geburtstag von Botho Strauß veröffentlicht."“DIE ZEIT
„"Das Buch 'Unüberwindliche Nähe' kann man als Geschenk verstehen (...) Schön ist, dass die Texte in ihrer geistreichen, stillen Zwiesprache mit dem Autor sich weder den Laien verschließen, noch die Spezialisten langweilen, und der Spagat zwischen Wissenschaft und Kunst tatsächlich gelingt."“Das Sachbuch
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Zum Herausgeber
Thomas Oberender
Weitere Beiträge von Thomas Oberender
Theater der Vergleichgültigung
Die Systemfrage
Der Berliner Schaubühnen-Chef Thomas Ostermeier und Thomas Oberender, Intendant der Berliner Festspiele, im Gespräch
Das Sehen sehen
Über Botho Strauß und Gerhard Richter
Gerade jetzt – eben nicht
Ein Telefonat
Gegenstimmen. Fünf Felder der Identitätspolitik in zehn Jahren Festspielprogramm
Im Rückblick auf das Festspielprogramm zwischen 2012 und 2021 fallen „Langzeitthemen“…
Bibliographie
Beiträge von Thomas Oberender finden Sie in folgenden Publikationen:
Heft 12/2022
Barbara Mundel
Stürzende Gegenwart
Heft 09/2022
BRACK IMPERieT
„Hedda Gabler“ von Vegard Vinge und Ida Müller in Oslo
Jeden Monat die wichtigsten Themen bei Theater der Zeit
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