Oberflächenreize Die Bilder skandierender Demonstranten in ihrem Zorn über die dänischen Mohammed-Karikaturen prägen das Bild, das der Westen derzeit vom Iran vermittelt bekommt. Die politische Führung des Landes sucht momentan offensichtlich den internationalen Konflikt, um von inneren Problemen abzulenken. Gleichzeitig verstellt die Fokussierung der Medienberichterstattung auf solche Oberflächenreize den Blick auf die inneren, kulturellen Verhältnisse des Landes. Im Internationalen Forum der Berlinale lief in diesem Jahr ein iranischer Film, der ganz beiläufig ein origineller Beitrag zum diesjährigen Beckett-Jubiläum war und als Sinnbild für menschliches Scheitern auch auf den anhaltenden Karikaturenstreit hin gelesen werden kann: Eine Lösung der Situation scheint nicht möglich. „Men at Work" von Mani Haghighi ist gleichzeitig über jede drastische Sozialkritik erhaben. Der Filmstoff ist ein Beckett'sches Endspiel, angesiedelt in dem an Teheran angrenzenden Gebirge. Vier Freunde, Männer aus der bürgerlichen iranischen Oberschicht, treffen auf der Rückfahrt vom gemeinsamen Skiurlaub auf einen markanten Felsen in der Landschaft, den sie sogleich zu „stürzen" versuchen. Der Fels wird sich im Zuge der kraftstrotzenden Bemühungen nicht einen Millimeter bewegen.
Im Schatten der globalisierten Karikaturendebatte ist in Deutschland ein kleiner Kulturkampf ausgebrochen. Und auch hier geht es um die Grenzen der Abbildbarkeit. So drastisch auf seine körperlichen Grundbedürfnisse heruntergebrochen wie in Jürgen Goschs Düsseldorfer Inszenierung des „Macbeth" darf der Mensch nicht nur nach Meinung der Bildzeitung nicht gezeigt werden. So eindimensional grausam wie in den Inszenierungen von Thomas Langhoff oder Luc Bondy der Botho Strauß'schen „Schändung" dürften Bühnenfiguren nicht walten. Wie der Karikaturenstreit ist auch der Kulturstreit mediengemacht. Die Heftigkeit allerdings, mit der über die angemessene Abbildung von Welt auf der Bühne gestritten wird, zeigt das Unbehagen an, das angesichts der Realität, in der wir nun mal leben, aufkommen kann. TdZ geht in diesem Heft mit mehreren Beiträgen auf die laufenden Diskussionen ein: Wir lassen den Karikaturenstreit von einem iranischen Standpunkt aus diskutieren. Auf den erneut entflammten Streit um das Regietheater geht Dirk Pilz in seinem Kommentar ein. Der Schauspieler und Schriftsteller Josef Bierbichler fragt sich schließlich, anknüpfend an die Reaktion des Kritikers Gerhard Stadelmaier auf eine Konfrontation mit Schauspieler Thomas Lawinky während der Premiere von „Das große Massakerspiel" am schauspielfrankfurt, welche Rolle die Theaterkritik für Künstler heute spielen kann. Auf die Rolle der FAZ bzw. der Bürgermeisterin von Frankfurt/M. in diesem Fall kommt Elisabeth Schweeger zu sprechen. TdZ hat mit der Intendantin des schauspielfrankfurt ein Interview geführt, über die Grenzen der Kunst und die Konsequenzen für das schauspielfrankfurt.
Der britische Dramatiker Edward Bond hat in seinem Stück „Wer da?" eine Welt entworfen, in der die Regierung ein allgemeines Bilderverbot verordnet hat. Die Bürger werden ihrer Erinnerungsfähigkeit, ihrer Vergangenheit, ihrer kulturellen Identität beraubt - TdZ druckt das Stück in dieser Ausgabe ab. Nicht zuletzt veröffentlichen wir einen exklusiven Beitrag von Jon Fosse zu Samuel Beckett, dessen 100. Geburtstag wir in diesem Monat feiern, und nehmen mit unserem Schwerpunkt ein Phänomen in Augenschein:
Der Chor feiert auf zeitgenössischen Bühnen eine Renaissance. TdZ entwirft in diesem Heft eine Typologie heutiger Chorformen und diskutiert unterschiedliche Begriffe von Chor mit den Regisseuren Nora Somaini und Theodoros Terzopoulos. Im Verlag Theater der Zeit wird in diesem Monat ein großangelegtes Buch, herausgegeben von Frank M. Raddatz, über die Arbeiten des griechischen Regisseurs erscheinen. Dessen Attis-Theater in Athen feiert in diesem Jahr seinen 20. Geburtstag.
Eine anregende Lektüre wünscht Ihre Redaktion
geboren 1971 in Freistadt/Oberösterreich. Theaterredakteurin, lebt in Wien. Nach dem Studium der Germanistik, Geschichte und Theaterwissenschaft arbeitet sie seit 1997 im Kulturressort der Tageszeitung derStandard, davon seit 2008 als Redakteurin.
freie Theater- und Tanzkritikerin in Basel und Zürich.
studierte Musikwissenschaft, Philosophie und Mathematik an der Freien Universität Berlin. 2001 - 2003 wissenschaftlicher Assistent am Staatlichen Institut für Musikforschung, 2003 - 2005 Vorstandsassistent des „Preises der deutschen Schallplattenkritik" und 2005 - 2007 Redakteur der Zeitschrift Theater…mehr
schreibt als freie Autorin, Tanz- und Theaterkritikerin
für Zeitungen und Magazine wie die taz, nachtkritik.de, corpusweb,
Theater heute und tanz. Gemeinsam mit Nadine Vollmer
und Friederike Thielmann kuratierte sie von 2009 bis 2011 die
Veranstaltungsreihe zwischen Theorie und künstlerischer…mehr
geboren 1934 als Sohn einer Arbeiterfamilie, schloss sich 1958 der Schriftstellergruppe am Royal Court Theatre an und arbeitete dort ab 1960 als Hausautor. In den folgenden Jahren wurden fast alle seine Stücke dort uraufgeführt. Bond arbeitete u.a. auch an den Drehbüchern für Volker Schlöndorff und…mehr
Literatur- und Musikwissenschaftler, lebt in Tübingen, arbeitet als Kulturredakteur, Buchautor und freier Journalist für Feuilletons und Fachzeitschriften in Berlin, München und Stuttgart.
Publikationen im Bereich Theater und Musik, u.a. "Theater! Arbeit! Heyme!", 2015; "Kunst ist nicht…mehr
ist promovierter Tanzwissenschaftler und Publizist. Er ist Fellow am COLLÈGE INTERNATIONAL DE PHILOSOPHIE in Paris und derzeit Gastprofessor am Hochschulübergreifenden Zentrum Tanz Berlin. Wissenschaftliche Projektmitarbeit am Tanzarchiv Leipzig und am CENTRE NATIONAL DE LA DANSE, Frankreich.
is a…mehr
geboren 1937, Schriftsteller und Publizist, lebt in Berlin-Treptow. 1972-1976 Dramaturg am Berliner Ensemble. 1989/90 Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin.
Dr. phil. h. c. der Humboldt-Universität zu Berlin. Mitglied der Akademie der Künste (Berlin), der Sächsischen Akademie der Künste und der…mehr
geboren 1959. Dramatiker, Lyriker, Essayist, lebt in Bergen (Norwegen). 1983 erschien sein erster Roman "Raudt, svart" (Rot, schwarz). Fosse gehört zu den meistgespielten Gegenwartsautoren der deutschen Bühnen (in TdZ abgedruckt "Die Nacht singt ihre Lieder" 09/00, "Der Sohn" 11/03, "Schönes" 02/04)…mehr
Professor am Institut für Theaterwissenschaft der Universität Leipzig, Vizepräsident der „International Brecht Society“ sowie Direktor des Centre of Competence for Theatre an der Universität Leipzig. Er ist Leiter des DFG-Forschungsprojekts „Das Theater der Wiederholung“ und deutscher Partner einer…mehr
geboren 1944 In Heinzendorf/Schlesien, freier Autor, Übersetzer, Regisseur (Regieassistent bei Benno Besson), lebt in Berlin. Studierte Philosophie und Logik in Leipzig und Berlin und arbeitete als Dramaturg, Schriftsteller und Dozent. Seit 1992 ist er Mitherausgeber der Wochenzeitung Freitag (später…mehr
1972 geboren, ist Journalist und Theaterkritiker und lebt und arbeitet in Weimar. Er studierte Literaturwissenschaften und Philosophie in Berlin. 2000 bis 2007 war er Redakteur und Moderator beim Lokalsender Radio Lotte Weimar und schrieb unter anderem für die Thüringer Allgemeine, Die Welt und die…mehr
Morten Kansteiner, freier Autor, Dortmund
Autor, Performer und Theaterwissenschaftler, beschäftigt sich mit postdramatischen Theaterformen. Mitbegründer von andcompany&Co., lebt und arbeitet zwischen Amsterdam und Berlin. andcompany&Co. ist ein internationales Performance-Kollektiv, das an der Schnittstelle von Theater und Theorie, Politik und…mehr
seit 1992 Professor für Theaterwissenschaft und Geschäftsführender Direktor des Instituts für für Theaterwissenschaft der Universität Bern. Studium der Theaterwissenschaft, Promotion und Habilitation an der Humboldt-Universität zu Berlin, ist seit 1992 Direktor des Instituts für Theaterwissenschaft der…mehr
Theaterredakteur und Theaterkritiker, Mannheim
geboren am 15. Juli 1928 in Groß Friedrich bei Krietscht im Warthebruch in der Neumark, Regisseur und Schauspieler.
Freier Journalist, geboren 1957, lebt in Autobahnnähe, schreibt für Tageszeitungen und Theater der Zeit.
geboren 1975, studierte Theaterwissenschaft und Neuere deutsche Literatur in Berlin und London. Veröffentlichungen in der Stuttgarter Zeitung und dem Berliner Tagesspiegel. Theaterkritikerin und 2003-2007 verantwortliche Redakteurin von Theater der Zeit.
(*1972 in Rodewisch, † 02. November 2018 in Berlin) Theaterkritiker und Kulturjournalist.Er studierte Literaturwissenschaft, Philosophie und Psychologie in Berlin, Kopenhagen und Potsdam. In den Jahren 2003 bis 2006 war er Redakteur bei Theater der Zeit. 2007 gründete er gemeinsam mit Nikolaus Merck,…mehr
Publizist, in Hannover geboren, promovierte über Heiner Müller. Arbeit als Dramaturg am Schauspiel Köln, Staatstheater Hannover, Staatstheater Stuttgart, Düsseldorfer Schauspielhaus u. a. mit Dimiter Gotscheff, Einar Schleef, Theodoros Terzopoulos, Valery Fokin und Tadashi Suzuki. Künstlerischer Leiter…mehr
geboren 1958 in Bergen auf Rügen, schreibt Lyrik, Prosa, Hörspiele und Theaterstücke. Von 1990-1999 Dramaturg und Autor am Berliner Ensemble. Seit 2000 unterrichtet er am Mt. Holyoke College in Massachusetts und inszeniert in Amerika, Asien und Australien. Kritikerpreis der Berliner Zeitung 1989,…mehr
Kritiker und Theaterredakteur, Hamburg
Dramatiker, Lyriker, Romancier, Erzähler, Drehbuchautor, Übersetzer und Zeichner, geboren am 29. Dezember 1961 in Döbeln/Sachsen, lebte in Frankreich. Am 23. Juli 2015 ist er in Montpellier gestorben.
Theaterstücke (Auswahl):
Immerwährende Hanglage. Drei Stücke: 1. Die Sonne ist blau. 41 Szenen aus…mehr
arbeitete mehrere Jahre als Dramaturg
an den Theatern in Mannheim, Gelsenkirchen und
Heidelberg sowie bei Verlagen und ist seit 2000 als Journalist
tätig. Für den WDR und den BR erstellt er Hörfunkbeiträge, vom
Kommentar bis zum Feature zu Themen aus den Bereichen Politik,
Gesellschaft und Musik.…mehr