Maria Steinfeldt. Das Bild des Theaters
Szenenfotos und Portraits 1963 – 2003
Herausgegeben von Thomas Irmer
Broschur mit 175 Seiten, Format: 245 x 320 mm
ISBN 978-3-95749-022-3, Originalpreis: € 25,00
Maria Steinfeldt gehörte über Jahrzehnte zu den prägenden Theaterfotografinnen. Als Absolventin der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst machte sie die Ideen Brechts zur Maxime ihrer Arbeit: Inszenierungen nie nur von ihrem Ende, von der Aufführung auf der Bühne her zu betrachten, sondern sie in ihrem Entstehungsprozess zu begleiten.
An der Seite von Künstlern wie Ruth Berghaus, Peter Konwitschny, Heiner Müller und Einar Schleef sowie für Theaterdokumentationen im Auftrag der Akademie der Künste – etwa die legendäre Robert-Wilson-Lecture – hielt sie einzigartige Einblicke in die Arbeiten der großen Theatermacher der jüngeren Theatergeschichte fest. Anlässlich ihres 80. Geburtstages stellt der Band erstmals einen verdichteten Querschnitt von Steinfeldts Arbeit vor. Mit einem Vorwort von Friedrich Dieckmann und einem Gespräch mit Maria Steinfeldt. Herausgegeben von Thomas Irmer im Auftrag der Akademie der Künste, Berlin.
In den rund 150 Jahren ihrer Geschichte hat die Theaterfotografie bemerkenswerte Entwicklungssprünge aufzuweisen. Für ihre Anfänge, als Schauspieler in ihren Kostümen und manchmal mit Teilen der Dekoration zu den Fotografen ins Studio kamen, sind die heutigen Maßstäbe für dieses spezielle Feld der Fotografie kaum geltend zu machen. Auch die Funktion der Bilder war eine gänzlich andere, wenn die Theaterliebhaber gleichsam Sammelbilder ihrer Stars zusammentragen wollten. Erst mit der Entwicklung von technisch stark verbesserten Kameras, lichtempfindlicheren Objektiven und entsprechenden Filmmaterialien fand die Theaterfotografie ab den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts zum eigentlichen Bühnengeschehen. Gleichwohl war die Praxis noch weit entfernt von echter Dokumentation. In der Regel gab es für die Pressefotografen nur in den Pausen der Generalprobe effektvoll gestellte Arrangements, um werbewirksame Bilder machen zu können. Das war auch der Moment, in dem sich das zukünftige Feld der Theaterfotografie als schon gespalten erkennen lässt. Auf der einen Seite Bilder, die sich in den Dienst dessen stellen, was man heute die Öffentlichkeitsarbeit des Theaters nennt. Auf der anderen entwickelt sich mit den Möglichkeiten ein Interesse an der Dokumentation einer Inszenierung, die im besten Fall mit ihrem Gegenstand künstlerisch korrespondiert und einen wesentlichen optischen Eindruck von dem ja vergänglichen Theaterereignis auf Dauer bewahrt.
Wie das zu erreichen ist, darüber haben sich sowohl Theaterkünstler als auch Fotografen immer wieder Gedanken gemacht. Nicht zuletzt Bertolt Brecht und Ruth Berlau, denen die Theaterfotografin Maria Steinfeldt wichtige Anregungen in ihren frühen Jahren verdankt. Vor allem die Anwesenheit auf Proben, um die künstlerische Arbeit als Prozess des Werdens zu erfassen, wird der Erfahrungshintergrund der Fotografin, die dann die fertige Inszenierung in manchmal mehr als tausend Einzelbildern fotografiert und dabei die wichtigsten Momente gleichsam methodisch vorbereitet in ihrem Ablauf festzuhalten weiß. Mit ihrem Interesse am Prozess der Theaterarbeit, die sie mit ebenso großer Genauigkeit wie aufmerksamer Geduld begleitete, hat Steinfeldt die Anregungen von Brecht und Berlau auf ihre Weise so weiterentwickelt, dass ein ganz eigenständiger Rang ihrer Theaterfotografie zu würdigen ist. Mit ihrem nun im Archiv der Akademie der Künste bewahrten Bilderschatz hat sie ein gewichtiges Stück visueller Theatergeschichte seit den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts geschaffen.
Für die vorliegende Publikation wurden aus dem weit umfangreicheren Steinfeldt-Bestand ungefähr 6000 Bilder für eine engere Auswahl gesichtet. Diese war von Anfang an darauf ausgerichtet, die Arbeit der Regisseure vorzustellen, denen sich Maria Steinfeldt, wenn man so will, programmatisch verschrieben hat: Ruth Berghaus, Einar Schleef, Peter Konwitschny, außerdem der diesen vielfältig verbundene Heiner Müller. Wie aus heutiger theaterhistorischer Sicht zu erkennen, ist der künstlerische Kern das Berliner Ensemble und die Theaterarbeit nach Brecht, ein Kernpunkt, der sich dann – seit ihrer Diplomarbeit 1963 zu Die Tage der Commune – auffächert, an andere Orte gelangt, die Opernarbeit von Berghaus und Konwitschny aufnimmt, und mit Schleef und Müller wieder in das Berliner Ensemble der neunziger Jahre zurückführt. Die Lulu-Inszenierung von Peter Konwitschny, der bei der Uraufführung von Heiner Müllers Zement 1973 der Regieassistent von Ruth Berghaus war, beschließt diese Auswahl mit dem Jahr 2003. Man könnte meinen, das sei ein kleiner Kreis von untereinander verbundenen Theaterkünstlern – aber welche Dimension hat damit diese von der Fotografin Maria Steinfeldt festgehaltene visuelle Theatergeschichte!
Maria Steinfeldt hat 2014 ihr fotografisches Werk, insbesondere ihre theaterbezogenen Arbeiten, an die Akademie der Künste Berlin übergeben. Der mit rund 36 laufenden Metern umfangreiche Bestand bietet Einblicke in gut fünf Jahrzehnte Theatergeschichte. Das Archiv umfasst rund 213 000 Negative, größtenteils schwarz-weiß. Der Anteil an Farbfotos beträgt rund 14 Prozent, dazu kommen etwa 1500 Dias. Zu den Negativen gibt es über 8000 Kontaktbögen in schwarzweiß und ca. 1000 Kontaktbögen in Farbe sowie 30 000 Abzüge. Zu ausgewählten Inszenierungen liegen aus Kontakten zusammengestellte Dokumentationen vor. Das Maria-Steinfeldt- Archiv enthält darüber hinaus Fotos von rund siebzig Einzelpersonen, vorrangig im Zusammenhang mit der Deutschen Staatsoper, zur Arbeit verschiedener Bühnenbildner, u. a. von Eberhard Keienburg, sowie zur Prager Quadriennale 1971 und 1975. Ergänzt und vervollständigt wird der Bestand durch Fotodokumentationen zum Brecht-Haus, Brecht-Zentrum und zur Paul-Dessau-Oberschule in Zeuthen.
Am Anfang der Arbeit an dem vorliegenden Buch konnte ich diesen Bestand noch an einer beeindruckenden Korridorwand voller Fototaschen und Mappen bis unter die hohe Decke in Maria Steinfeldts Wohnung in Berlin-Prenzlauer Berg sehen. Bald darauf war er schon im Archiv der Akademie für die Auswahl aufbereitet. Dafür danke ich Renate Rätz mit ihrer Begeisterung für Steinfeldts Theaterwelten und Stephan Dörschel, dem ebenso begeisterten Leiter des Archivs Darstellende Kunst. Mein großer Dank an Maria Steinfeldt für die Zusammenarbeit an ihrem so außerordentlich schön bewahrenden und hoffentlich noch einiges bewegenden Theaterschatz.
Thomas Irmer
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Vorbemerkungvon Thomas Irmer | Seite 7 |
Festhaltende GenauigkeitDie Theaterphotographie der Maria Steinfeldtvon Friedrich Dieckmann | Seite 9 |
In der Tradition nach BrechtThomas Irmer im Gespräch mit Maria Steinfeldtvon Thomas Irmer und Maria Steinfeldt | Seite 13 |
Ruth BerghausLukullus 1965, Lanzelot 1969, Zement 1973, Lukullus 1983, Wozzeck 1984, Das Rheingold, 1985 Die Walküre 1986, Siegfried 1986, Götterdämmerung 1987von Maria Steinfeldt | Seite 18 |
Heiner MüllerPassbilder/Porträts 1975, Hamlet/Maschine 1990, Duell Traktor Fatzer 1993, Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui 1995von Maria Steinfeldt | Seite 76 |
Einar SchleefFrühlings Erwachen 1974, Fräulein Julie 1975, Wessis in Weimar 1993, Faust 1993, Herr Puntila und sein Knecht Matti 1996, Verratenes Volk 2000von Maria Steinfeldt | Seite 90 |
Ekkehard Schall, Benno Besson, Manfred Karge/Matthias Langhoff, Robert Wilsonvon Maria Steinfeldt | Seite 152 |
Anhang | Seite 162 |
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Bibliographie
Beiträge von Thomas Irmer finden Sie in folgenden Publikationen:
Heft 03/2023
Neue Dramatik
Heft 02/2023
Tarife & Theater
Warum wir das Theater brauchen
Heft 01/2023
Bühne & Film
Superstar aus Neustrelitz
Jeden Monat die wichtigsten Themen bei Theater der Zeit
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