Heft 10/2006
Brecht im Central Park
Meryl Streep als New Yorker Mutter Courage
Broschur mit 78 Seiten, Format: 215 x 285 mm
ISSN 0040-5418
Unordnungsgewinn Wir hätten es gern ordentlich. Mit einem aufgeräumten Leben in einer aufgeräumten Welt ließe sich besser sein. Ruhe wäre, und Aufregung nicht nötig. Hier gehört das eine hin, da das andere und Schluss. Aber Ordnung ist nicht. In keinem Leben und schon gar nicht in dieser Welt. Stattdessen: ständig Konflikte. Es fängt schon im Alltag an und hört in der Kunst nicht auf. Da richtet man sich auf einen vielleicht unterhaltsamen, vielleicht anregenden, vielleicht klugen Theaterabend ein - und plötzlich wird man aus der behaglichen Distanz gerissen. Plötzlich Fragen, Zweifel, Ungewissheiten. Ästhetischer Genuss sollte sein und gänzlich außerästhetische Dinge stehen auf dem Plan. Moralische Probleme zum Beispiel. Was ist da auf der Bühne los? Wieso geht mich das an, und warum lässt sich auch noch mein moralisches Befinden davon berühren? Und überhaupt: Was hat die Moral in der Ästhetik zu suchen?
Es ist das eigentümliche Vermögen der Kunst, auch des Theaters, etwas hervorrufen zu können, was über das Ästhetische hinausweist. Kunst ist Kunst und kein Leben, aber das Leben lässt sich vor den Wirkungen der Kunst nicht schützen. Nur dass damit auch die Illusion der Ordnung dahin ist. Ordnung war im Paradies, danach ist ewige Aufräumarbeit. Konflikte ohne Ende. Nicht zufällig tauchen bestimmte zu bestimmten Zeiten immer wieder auf. Der Konflikt zwischen Ästhetik und Moral etwa. Dass in letzter Zeit immer wieder auch das Theater moralisch angegangen wurde und das Theater moralische Fragen ins Bewusstsein gehoben hat, sagt vor allem etwas über diese Zeit: Wenn der allgemeine Wertekanon kein allgemeiner mehr ist, wenn die gesellschaftlichen Verabredungen brüchig werden und die Gewissheiten ungewiss, sind solche Konflikte vorprogrammiert. Moral und Ästhetik - wie geht das zusammen, oder besser: Wie gehen sie auseinander? In unserem Schwerpunkt fragen wir nach diesem Zusammenhang in einem Essay, der gleichzeitig der Auftakt zu einer Reihe von Gesprächen und Texten in den kommenden Heften der Saison ist; sie machen allesamt das Verhältnis von Ästhetik und Moral zum Thema. Außerdem haben wir mit Stefan Kaegi, einem der Gründer der Gruppe Rimini Protokoll, gesprochen und drucken einen Text von dem polnischen Regisseur Jan Klata, der sich mit einer sehr konkreten moralisch prekären Frage beschäftigt - mit der Vertreibung Deutscher nach dem Zweiten Weltkrieg, dem Stoff seiner nächsten Inszenierung.
Es gibt noch mehr in diesem Heft zu lesen. Über die Wiedereröffnung des Festspielhauses Hellerau, Tankred Dorsts "Ring"-Inszenierung in Bayreuth und den Schauspieler Ernst Stötzner zum Beispiel. Verändert hat sich unser Magazin-Teil. Dort finden Sie ab sofort in jedem Heft drei Kolumnen: In einer werden neue Bücher vorgestellt, eine weitere nimmt unter die Lupe, was Theater außer Theater noch so veranstalten, und in einer dritten haben wir uns Raum für Entdeckungen geschaffen. Sei es eine Schauspielerin, ein Schauspieler, eine Inszenierung, ein Bühnenbild, eine Bühnenmusik, was auch immer uns aufgefallen ist, diese Kolumne hält es fest.
Eine anregende Lektüre wünscht Die Redaktion
Artikel | Seite |
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Artikel | Seite |
Editorial | Seite 1 |
Unordnungsgewinn | |
Aktuelle Inszenierung | Seite 4 |
Brecht im Central ParkMeryl Streeps fulminante" "Mutter Courage"-Darstellung in Tony Kushners Neuübersetzungvon Gitta Honegger | |
Festival | Seite 8 |
Kriege ohne HeldenDie Vermessung des Bösen beim Edinburgh Fringe Festivalvon Lena Schneider | |
Hellerau | |
Und der Zukunft zugewandtDas Festspielhaus Hellerau öffnet mit Forsythe seine Pforten neuvon Wolfgang Behrens | Seite 12 |
Nicht nur ein Vorort von DresdenEin Gespräch mit Udo Zimmermann, dem Intendanten des Europäischen Zentrums der Künste Hellerauvon Wolfgang Behrens | Seite 14 |
Ästhetik und Moral | |
Schwierige VerhältnisseÜber die Beziehung von Ästhetik und Moralvon Dirk Pilz | Seite 17 |
Keine Heilanstalt, sondern MuseumStefan Kaegi über das Theater als Kommunikationsraum, seine Arbeit mit Spezialisten und das Gefühl der Schamvon Nina Peters | Seite 22 |
Wollt Ihr den totalen Kriegoder Im Kreuzfeuer der Geschichte - eine Stückentwicklungvon Jan Klata | Seite 26 |
Aktuelle Debatte | Seite 28 |
Neuköllner KönnerEine benefizvorführung von Constanza Macras´"Scratch Neukölln" protestiert gegen deutsche Abschiebepraxisvon Anne Peter | |
Rollenbild | Seite 31 |
Wer ist Serge Othon Weil?Der schauspieler Ernst Stötzner verwandelt das Vertraute ins Unvertrautevon Rudolf Mast | |
Festival | Seite 34 |
Weder Götterburg noch NornengarnTankred Dorsts Versuch, in Bayreuth Wagners "Ring" zu entgehenvon Friedrich Dieckmann | |
Theaterporträt | Seite 38 |
Theater ohne SinnkriseDas Berliner Theater RambaZamba: ein Ensemble aus sogenannten Behinderten mit besonderer Begabungvon Christine Wahl | |
Kolumne | Seite 43 |
Nichts Besser´s weiß ich mir an Sonn- und Feiertagenvon Hans-Werner Kroesinger | |
Auftritt | |
Im Theater des Volkes - Thüringer Landestheater: "Hafen der Sehnsucht" von Armin PetrasRudolstadtvon Michael Helbing | Seite 44 |
Quo vadis? - Festspiele Nordiske Impulser: "Schatten" von Jon FosseBergenvon Anja Dürrschmidt | Seite 45 |
Utopie im Hier und Jetzt - RuhrTriennale: "Das Leben ein Traum" von Calderón de la BarcaGladbeckvon Hans-Christoph Zimmermann | Seite 46 |
Was bleibt, ist die Stimme - IN SITU: "Die Liebeskunst-Die unzusammenhängende Kunst - Die Folterkunst"Churvon Magdalena Nadolska | Seite 47 |
Vom Pfeifen aus dem letzten Loch - dramagraz: "Beckett.Silence ein einziger Schrei" von Ernst M. BinderGrazvon Hermann Götz | Seite 49 |
Die Entenhausener Dramaturgie - Thalia Theater Halle: Festival COMIC MEETS THEATERHalle | Seite 51 |
Hamlet, ein Brasilianer - Hebbel am Ufer: Festival Brasil em CenaBerlinvon Uta Atzpodien | Seite 52 |
Jenseits der Anden - Fesival de dramaturgia eureopea contemporáneaSantiago de Chilevon Dagmar Walser | Seite 53 |
Wie hältst du´s mit der Klassik? Festival Tanz Theater InternationalBraunschweig/Hannovervon Franz Anton Cramer | Seite 55 |
Stück | |
Das Harte, das Weiche, das SerielleDer Regisseur Armin Petras über Fritz Katers industrielle Seifenopervon Christine Wahl | Seite 57 |
TANZEN!von Fritz Kater | Seite 59 |
Magazin | |
Tage vor dem BildersturmDas Symposion "Reality strikes back" im Forum Freies Theater Düsseldorfvon Hans-Christoph Zimmermann | Seite 70 |
FilmSzenen aus dem Familienalbum - Ein Film und ein Buch basteln an der Legende Robert Wilsonsvon Constanze Klementz | Seite 71 |
aufgelesenvon Dirk Pilz | Seite 71 |
BücherDitte von Arnim: Brechts letzte Liebe. Das Leben der Isot Kilianvon Holger Teschke | Seite 72 |
BücherSiegfried Jacobsohn: Gesammelte Schriften.von Nina Peters | Seite 72 |
Lob und TadelZum Schwerpunkt "Neue Produktionsformen" in TdZ 06/06von Tristan Berger | Seite 73 |
Lob und TadelZum 60. Geburtstag von TdZvon Johannes Thorbecke | Seite 73 |
CDsBrecht hörenvon Wolfgang Behrens | Seite 74 |
aufgefallen!von Martin Linzer | Seite 75 |
etc.von Dirk Pilz | Seite 76 |
Meldungen | Seite 76 |
Premierenkalender | Seite 77 |
Oktober 2006 | |
Impressum | Seite 79 |
Impressum | |
Kommentar | Seite 80 |
Breker, Junghans. Ein Stück Kulturpolitikvon Nina Peters | |
Vorschau | Seite 80 |
November 2006 |
Uta Atzpodien
Wolfgang Behrens
Tristan Berger
Franz Anton Cramer
Friedrich Dieckmann
Anja Dürrschmidt
Hermann Götz
Michael Helbing
Gitta Honegger
Fritz Kater
Jan Klata
Constanze Klementz
Hans-Werner Kroesinger
Martin Linzer
Rudolf Mast
Magdalena Nadolska
Anne Peter
Nina Peters
Dirk Pilz
Lena Schneider
Holger Teschke
Johannes Thorbecke
Christine Wahl
Dagmar Walser
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