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Die Welt der kommunizierenden Objekte
An der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ in Berlin gibt es einen neuen Masterstudiengang für digitales Puppenspiel
von Tom Mustroph
Im Puppentheater tut sich etwas. In der heraufziehenden Ära sprechender Kühlschränke, den physischen Raum überschreibender Datenbrillen und Allwissenheit suggerierender digitaler Assistenten erweitert sich der Möglichkeitsraum für Puppenspieler und Objektanimierer enorm. Eine Reaktion darauf war bereits 2012 die Einrichtung des Lehrstuhls für Digitale Medien im Puppenspiel an der Berliner Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“. Ab Herbst gibt es sogar einen Masterstudiengang für digitales Puppenspiel mit dem Titel Spiel und Objekt. Exzellente Voraussetzungen für die künstlerische Eroberung und die ästhetisch-philosophische Befragung der Welt der kommunizierenden Objekte.
Die zuständigen Postboten dürften sich bereits wundern. Immer häufiger müssen die Lieferdienste Sendungen von Technikfirmen aus aller Welt in der Abteilung Puppenspiel abliefern. Bausätze von Drohnen sowie von sechsbeinigen Robotern werden aus Übersee geordert. Die Roboter sind eigentlich für Forschungsabteilungen der technischen Universitäten gedacht. „Da geht es um Entwicklungen für das autonome Laufen, wie am besten Pakete von A nach B gebracht werden können“, erklärt Friedrich Kirschner. Der gelernte Filmemacher und Programmierer wurde 2012 zum Professor für Digitale Medien im Puppenspiel an die Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ berufen. Er ist der Mann, auf den Bestellungen dieser Art zurückgehen.
Die Studenten, die er betreut, lernen in den zweiwöchigen Blockseminaren zu Theorie und Praxis des Digitalen, dem über ein Semester andauernden Szenenstudium Hybride Formen sowie einem Gestaltungsprojekt nicht nur, diese Roboter zusammenzubauen.
Sie programmieren sie auch und setzen sie immer häufiger als halbautonome oder sogar völlig selbständige Mitspieler ein. Aus einem Projekt der Hochschule ist etwa die Produktion „Pinocchio 2.0“ der Gruppe Manufaktor entstanden. Etwa ein halbes Dutzend künstliche Intelligenzen und Halbintelligenzen bevölkerte da die Bühne, angeführt von Pinocchio, einem humanoiden Roboter, dessen Kopf und Mund sich über Motoren steuern ließen – und der, so der Plot, von den Menschen als ihresgleichen akzeptiert werden wollte. In einem anderen Projekt experimentierten Studenten mit Drohnen. Sie ließen die Videoaufnahmen der Drohnen durch Gesichtserkennungsprogramme laufen und entwickelten so ein Spiel zum Thema Überwachung und Kontrolle.
Die szenische Grundlagenforschung kann aber auch ganz simpel aussehen, etwa dann, wenn Schnittstellen in performatives Handeln übersetzt werden. Der Kopf eines Performers wird dann zum Joystick und bestimmt Richtung und Geschwindigkeit von Bewegungen. Oder es werden Sensoren in den Puppen verarbeitet, deren Stromdurchfluss sich je nach Krümmungsgrad verändert. „Komplett gebogen führt dann zur Zahl 1, ungebogen ist 0 und halb gebogen 0,5. Das sind dann Werte, mit denen man arbeiten kann, um zum Beispiel den Mund einer Puppe zu bewegen. Dann kann man per Maussteuerung die ganze Puppe bewegen. Baut man eine zweite, tritt man sofort in einen Dialog ein. Und es können immer mehr werden“, erklärt Kirschner die Verfahrensweise.