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Sein oder Hologrammsein
Auf der diesjährigen Ars Electronica in Linz werden neue Tools für ein Theater der Zukunft vorgestellt
von Tom Mustroph
Technologie formt die Emotionen. Die Blings, die den Eingang neuer Nachrichten in den digitalen Kommunikationsmedien anzeigen, sorgen zuweilen für größere Hormonausschüttungen als ein Blickkontakt im geteilten physischen Raum. Theater als Emotionskunst kann sich dieser Entwicklung auf Dauer nicht entziehen, wenn es nicht zur Retrozone für radikale Technologieverweigerer degenerieren will. Performative Potenziale neuerer Tools wurden bei der diesjährigen Ars Electronica in Linz sichtbar.
Eine Strategie dabei ist, die Grenzen der Technologie auszuloten. Das niederländische Künstlerpaar Karen Lancel und Hermen Maat ließ in einer Versuchsarena für drei Teilnehmer, drei EEG-Sensoren – zur Messung elektrischer Hirnaktivität – sowie ein kreisförmig angeordnetes Publikum zwei Probanden einander küssen. Ihre Hirnströme sowie die eines Beobachters wurden gemessen und kreisförmig um sie herum auf den Boden projiziert. Signifikante Ausschläge bei den Kurven gab es im Moment des Lippenberührens allerdings nicht. „Wir konnten bislang auch keine solchen Muster bei den Hirnströmen erkennen“, resümiert Maat. Nicht jede Emotion ist messbar, selbst wenn technische Apparaturen dies suggerieren.
Eine geglückte Verlagerung des Zuschauerkörpers in den virtuellen Performanceraum bot „The Other in You“. Der japanische Medien- und Installationskünstler Richi Owaki übertrug über ein Trackingverfahren die Bewegungen eines Tänzers in die Virtual Reality und konfrontierte sie dort mit dem ebenfalls getrackten und beweglichen Schatten des Betrachters. Der verdoppelte Zuschauerkörper war als Repräsentation des eigenen Selbst stets sichtbar. Er bewegte sich frei durch den Raum und hätte gar – tänzerisches Können vorausgesetzt – Teil der Choreografie werden können.
Während der Ars Electronica fand auch ein von der European Theatre Convention organisiertes Netzwerktreffen für digitales Theater statt. Mikael Fock vom dänischen Veranstalter Culture Yard stellte hier sein visuell beeindruckendes Konzept der 4-D-Box vor. Durch mehrere Schichten von Videoprojektionen, verbunden mit dem Livetracking von Performern, werden Hologramme erzeugt, die auf der Bühne mit physisch präsenten Performern verschmelzen können.