Heft 06/2022
Frank Castorf
„Wallenstein“ in Dresden
Broschur mit 80 Seiten, Format: 215 x 285 mm
ISSN 0040-5418
Der kanadische Medientheoretiker Marshall McLuhan (1911–1980) verstand alle neuen Medien in der Geschichte des Menschen als eine technische Erweiterung seiner Fähigkeiten und vor allem Wahrnehmungsorgane. Kameras sind verlängerte Augen, Telefone transportieren Stimmen an ferne Ohren, Speichermedien wie das Buch und später elektronische Medien erweitern die Fähigkeiten des Gehirns als größtem Organ des menschlichen Körpers. McLuhans Thesen, zuerst entwickelt in seinem Buch „Understanding Media“ (1964), überzeugen noch immer. Aber sind sie auch auf die heute hochkomplexe Computerkultur und das Internet anwendbar, da diese ganz offensichtlich nicht nur die Kommunikationsverhältnisse, sondern beinahe alle sozialen Verhältnisse, also auch die der Arbeit neu bestimmen? Und was bedeutet das für die Theaterkultur? Jonas Zipf schlägt in seinem Essay zum Auftakt des Schwerpunkts „Theater und Digitalität“ (S. 11) vor, „die Möglichkeiten der Digitalität nicht nur für die Kunst, sondern auch für die Arbeit an dieser zu nutzen“. Mit McLuhan und Marx gesprochen: Neue Produktionsmittel bedingen veränderte Produktionsverhältnisse. Auch am Theater.
Am 1. März 2022 wurde die Gedenkstätte Babyn Jar von russischen Raketen getroffen, Ende September 1941 Ort der größten Massenerschießung von Juden im Zweiten Weltkrieg, durchgeführt von Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei im Zuge des deutschen Eroberungskriegs. Der Holocaust mit der Verfolgung und Ermordung ukrainischer Juden wurde nach dem Ende der Sowjetunion ein wesentlicher Teil der Erinnerungskultur der neuen Ukraine. Elisabeth Bauer hat Babyn Jar mehrfach besucht und dabei auch den Filmemacher Ilya Krzhanovsky zu seinen Plänen für diese Gedenkstätte gesprochen (S. 28). Das Kunstinsert dieser Ausgabe zeigt fünf Bilder vom 9. Mai in Berlin, die Nikolaus Stein zum Thema „Tag der Befreiung / Tag des Sieges“ gemacht hat, anzuschauen auch mit Bezug zum Beschuss der Kyjiwer Gedenkstätte und der russischen Rechtfertigung der Invasion als „Entnazifizierung“ der Ukraine.
Christian Weise ist wahrscheinlich der aktivste Shakespeare-Regisseur im deutschen Theater der letzten Jahre. TdZ-Thüringen-Redakteur Michael Helbing nimmt eine ganze Serie von Inszenierungen unter die Lupe (S. 20), darunter die ziemlich ausgefallene „Queen Lear“ am Berliner Maxim Gorki Theater. Hätte Shakespeare so etwas gefallen – oder als Regisseur, dessen Theater ja auch von verdrehten Aktualitäten lebte, mit seinen Stücken selbst so gemacht? Vielleicht. //
Thomas Irmer
Artikel | Seite |
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Artikel | Seite |
Kunstinsert | |
9. Mai in Berlin Treptower Parkvon Nikolaus Stein | Seite 4 |
Tag der Befreiung / Tag des SiegesZur Fotoserie von Nikolaus Steinvon Thomas Irmer | Seite 9 |
digitalität und theater I | |
Das digalitäre TheaterEin Essayvon Jonas Zipf | Seite 11 |
Ausschließlich digitalDas Landestheater Detmold zeigt drei neue Onlinestücke in Zusammenarbeit mit John von Düffel und dem Studiengang Szenisches Schreiben an der UdK Berlinvon Stefan Keim | Seite 13 |
Aktuelle Inszenierung | Seite 16 |
Castorf nach Schiller, Schiller nach Castorf?Ein bombastischer „Wallenstein“ am Staatsschauspiel Dresden malt gewaltige Bilder in der Masse der Regieeinfällevon Michael Bartsch | |
Protagonisten | Seite 20 |
Shakespeares SpielmacherBerlin, Mannheim, Weimar: Christian Weise inszeniert die Welt als Bühne und die Bühne als eigene Weltvon Michael Helbing | |
bayerische theatertage | Seite 25 |
Rollladen zu, Vorhang aufAus Bayerns alten Theatertagen ist in Bamberg ein neues Festival gewordenvon Michael Helbing | |
ukraine | Seite 28 |
Krieg in Europa – auf dem Spiegelfeld der GeschichteBabyn Jar und Ilya Khrzhanovskys Holocaust-Museumsprojektvon Elisabeth Bauer | |
Essay | Seite 32 |
Theater der Vereinnahmung. Publikumsinvolvierung im immersiven Theater (Auszug)Paperback mit 346 Seiten IISBN 978-3-95749-405-4 EUR 22,00 (print) / 17,99 (digital) Theater der Zeitvon Theresa Schütz | |
theaterbauten | Seite 34 |
Chance vertanDie Stadt Zürich entscheidet sich gegen den Neubau ihrer traditionsreichen Spielstätte Pfauen – ausgerechnet aus Traditionsgründenvon Martin Wigger | |
passionsspiele oberammergau | Seite 37 |
Blick zurück nach vorn (Auszug aus Passionsspiele Oberammergau 2022, herausgegeben von der Gemeinde Oberammergau)Christian Stückl, Markus Zwink und Stefan Hageneier im Gespräch mit Teresa Grenzmannvon Christian Stückl, Stefan Hageneier, Markus Zwink und Teresa Grenzmann | |
Stück | |
Ein Ort mitteleuropäischer GeschichteAutor Thomas Perle und Regisseur András Dömötör im Gespräch mit Nathalie Eckstein und Thomas Irmer über „karpatenflecken“von Thomas Irmer, András Dömötör, Thomas Perle und Nathalie Eckstein | Seite 42 |
karpatenfleckenEntstanden mit der Unterstützung der Kulturabteilung der Stadt Wienvon Thomas Perle | Seite 45 |
Auftritt | |
Halle: Dreifach UntergangNeues Theater Halle: „Trilogie der Unschuld“ („Medea“ nach Euripides, Christa Wolf, Heiner Müller; „Mauser“ und „Quartett“ von Heiner Müller). Regie Henriette Hörnigkvon Thomas Irmer | Seite 59 |
Hamburg: Grundsätzlich komischSchauspielhaus Hamburg: „Die Jagdgesellschaft“ von Thomas Bernhard. Regie und Bühne Herbert Fritschvon Peter Helling | Seite 60 |
Gießen: Persiflage auf die schöne neue Welt?Stadttheater Gießen: „BRAVE KIDS“ von Andreas Kowalewitz, Cathérine Miville und Lars Ruppel (UA) Inszenierung Cathérine Miville. Musikalische Leitung Andreas Kowalewitzvon Lina Wölfel | Seite 60 |
Ingolstadt: Narr in unserer ZeitStadttheater Ingolstadt: „Tyll“ von Daniel Kehlmann. Regie Alexander Nerlich, Bühne Stella Lennert, Wolfgang Menardivon Anne Fritsch | Seite 61 |
Jena: Völlig von der MutterrolleTheaterhaus: „Leaving Carthago“ von Pina Bergemann und Anna Gschnitzer (UA). Regie Pina Bergemann, Bühne und Kostüme Bettina Kirmairvon Michael Helbing | Seite 62 |
Köln: Nonbinäre SchauwerteSchauspiel Köln: „Richard Drei“ (Mitteilungen der Ministerin der Hölle) (UA). Nach Shakespeare in einer Überschreibung von Katja Brunner. Inszenierung: Pınar Karabulutvon Stefan Keim | Seite 64 |
Magazin | |
Sprungbrett für SelbsterfindungBilanz nach einem Jahr Neustart der Theaterakademie Hamburgvon Peter Helling | Seite 67 |
Sternenstaub und AtomisierungBAM! Berliner Festival für aktuelles Musiktheater 2022von Irene Lehmann | Seite 68 |
Starke Frauen trotzen dem RassismusEine neue Sicht auf die spanische Theaterszene beim 39. Heidelberger Stückemarktvon Elisabeth Maier | Seite 70 |
Aktivismus mit AussichtenAm Teatr Współczesny in Szczecin sorgt eine neue Truppe für Aufsehen in Polenvon Thomas Irmer | Seite 71 |
Hochkultur vs. HochöfenWie das Kollektiv Richtung22 Kultur in die Kulturhauptstadt von Luxembourg bringtvon Lisa Elsen | Seite 72 |
Das Tiefe so leichtNoam Brusilovsky erhält den Hörspielpreis der Kriegsblinden für „Die Arbeit an der Rolle“von Thomas Irmer | Seite 73 |
Der ErmöglicherDer Intendantenlegende Gerhard Wolfram zum 100.von Thomas Wieck | Seite 74 |
Heiliges Sprachproblem. Wolfram Lotz liefert in seinem neuen Buch eine zarte Poetik seines SchreibensWolfram Lotz: Heilige Schrift I S. Fischer Verlag, 912 Seiten, 34 Eurovon Nathalie Eckstein | Seite 75 |
Fibel für FührungskräfteGeorg Mittendrein: Der Theaterintendant Verlag Der Apfel, Wien 2021, 146 Seiten, 22,50 Eurovon Thomas Irmer | Seite 75 |
Aktuell | |
Meldungen | Seite 76 |
TdZ on Tour | Seite 77 |
Premieren und FestivalsJuni, Juli, August 2022 | Seite 78 |
Impressum/Vorschau | Seite 79 |
Autorinnen und Autoren Juni 2022 / Vorschau | |
Gespräch | Seite 80 |
Was macht das Theater, Yana Ross?von Yana Ross und Nathalie Eckstein |
Michael Bartsch
Elisabeth Bauer
András Dömötör
Nathalie Eckstein
Lisa Elsen
Anne Fritsch
Teresa Grenzmann
Stefan Hageneier
Michael Helbing
Peter Helling
Thomas Irmer
Stefan Keim
Irene Lehmann
Elisabeth Maier
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Yana Ross
Theresa Schütz
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