Dem Einzelnen ein Ganzes / A Whole for the Parts
Jan Pappelbaum - Bühnen / Stages
Herausgegeben von Anja Dürrschmidt
Broschur mit 243 Seiten, Format: 235 x 220 mm
ISBN 978-3-934344-82-2
Dieses Buch ist leider vergriffen
Als Raumobjekte, als plötzlich im Theater gelandete Ufos oder auch als Skulpturen werden die Bühnenräume Jan Pappelbaums oft beschrieben. Und tatsächlich schafft der von der Architektur kommende Bühnenbildner einzigartige Räume, die zum einen die Arbeit des Schauspielers in den Mittelpunkt stellen, aber auch als komplexe Raumlösungen in offenen Grundsituationen immer wieder überraschen. Seit Jahren bestimmt er die Ästhetik der Schaubühne und der Inszenierungen von Thomas Ostermeier, arbeitet mit bekannten Regisseuren/innen wie Tom Kühnel, Robert Schuster, Falk Richter oder Andrea Moses zusammen.
Der vorliegende Band gibt mit seinem umfangreichen und einzigartigen Fotomaterial Einblick in die Werkstatt und Arbeiten Jan Pappelbaums; Regisseure, mit denen er gearbeitet hat, zeigen neue und verblüffende Aspekte seiner Arbeit auf; Schauspielerinnen, Autoren und Kulturwissenschaftler beschreiben Pappelbaums Bühnen aus eigenwilligen Perspektiven.
Ausstellungstournee der Bühnenbilder von Jan Pappelbaum
Organisiert von Theater der Zeit in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut
Fragt man Jan Pappelbaum, was er unter Bühnenbild versteht, so bekommt man erstaunt zu hören, dass dessen Zweck zunächst in der Schaffung einer Spielfläche besteht, auf der die Schauspieler gut zu hören und zu sehen sind. Und er dürfte mit dieser Aussage zu den Bescheidensten seiner Zunft zählen, denn nicht wenigen Kollegen scheint die eigene Idee wichtiger als die Schaffung optimaler Aufführungsbedingungen. Zuerst der Zweck also, und dann die Kunst? Da hatte man sich doch kernigere, selbstbewusstere Aussagen erhofft. Und wenn Pappelbaum sich auch trotz wiederholtem Nachfragen nicht zu mehr provozieren lässt, und beim Interviewer beinah schon die Enttäuschung angesichts von so viel Pragmatismus einsetzt, beginnt man im zweiten oder dritten Gespräch mit ihm langsam zu verstehen, was hinter dieser Haltung steckt und vor allem, was sie ermöglicht. So zumindest erging es mir bei meiner Annäherung an seine Arbeiten.
Pappelbaum studierte zunächst Architektur in Weimar und kam über die dortige Studentenbühne zum Theater. Kein Wunder, dass der Ensemblemensch Pappelbaum den einsamen Kreativposten des Architekten gegen den Kollektivprozess am Theater eingetauscht hat. Aber auch Weimar und das Bauhaus haben sich ihm stark eingeprägt - Wurzeln, auf die er sich auch heute noch bezieht; eine Ästhetik, die ihre Schönheit und Besonderheit aus eben dieser programmatischen Funktionalität bezieht, die Pappelbaum auch für das Theater immer wieder proklamiert. Aber genau hier liegt ja das Schwierige, das Schwierigste vielleicht überhaupt - in der Einfachheit das Besondere, in der Form die Schönheit aufgehen zu lassen. Immer wieder schaut sich das Theaterpublikum in den Vorstellungspausen Pappelbaums Bühnen an, versucht, um sie herum zu gehen, sie von allen Seiten, als Ganzes zu erfassen. Szenen, die wie aus einer Galerie anmuten, Bühnen, die wie Skulpturen wahrgenommen werden.
Und tatsächlich entwickeln die von ihm geschaffenen Räume ihre Kraft aus einer verblüffenden Einfachheit. Die stärksten Eindrücke hinterlassen so simple wie überraschende Konstellationen: das unbewohnbare Traumhaus in "Hedda Gabler" - ein Sofa, eine Verandatür, eine Betonmauer, darüber ein riesiger Spiegel, der dem Zuschauer neue und andere Perspektiven auf und in die Szenerie ermöglicht; die hohe, herausfordernd schräge Spielfläche in "Kopien" - wie auf einem Mikroskopierglas werden die Figuren hier vergrößert und beobachtbar; das Niemandsland urbaner und zivilisatorischer Ränder in "Woyzeck" - eine Schottergrube mit Abflussrohr, in der Ferne die Hochhaussiedlung erahnbar; das Durcheinander in einem Hochhaus mit kaputtem Fahrstuhl und daraus folgend auch in dessen Bewohnern in "Die Arabische Nacht" - ein quadratisches Spielpodest mit einer Tür für alle Wohnungen, Dusche etc., dazu eine Treppe nach oben, eine nach unten; die Bretterwand in "Mann ist Mann" - Eskalierwand, Kneipe und beim Weiterzug der Truppe, des Krieges einfach auseinander und mit zu nehmen; Fausts abstrakte Denkwelten - die leere Spielfläche -, gegen Gretchens zerbröckelnde Kleinbürgeridylle - ein enger Wohnkubus, der immer mehr auseinanderfällt ...
Der vorliegende Band ermöglicht einen ungewöhnlichen und intensiven Einblick in das Werk Jan Pappelbaums. Anhand der chronologisch dargestellten Arbeiten zeigt sich die Entwicklung einer Ästhetik, die Handschrift des ganz eigenen Pappelbaumschen Bühnenbildansatzes. Ablesbar in den gezeigten Bühnenbildern selbst, aber auch in Beiträgen der mit ihm verbundenen Regisseure, Schauspieler oder Autoren, im präsentierten Recherchematerial und den hier einsichtbaren zahlreichen Entwürfen, welche den endgültigen Bühnenlösungen vorangegangen sind.
Ich danke Jan Pappelbaum für das umfangreiche Material, welches er uns zur Verfügung gestellt hat, für die Mitarbeit bei der Auswahl und für die Offenheit, Arbeitsmaterialien, verworfene Modelle und anderes gewöhnlich unter Verschluss Gehaltenes öffentlich zu machen. Auf diese Weise ist ein Blick in die Werkstatt entstanden, der viel über das Phänomen Bühnenbild und über den Prozess Theater verrät.
Anja Dürrschmidt
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Bei Ibsen sollte man sitzen könnenJan Pappelbaum im Gespräch mit Anja Dürrschmidtvon Anja Dürrschmidt und Jan Pappelbaum | Seite 16 |
HOT. SOMMER 76. LENZ | 1994 | Seite 34 |
KÖNIG UBU | 1994 | Seite 35 |
TROMMELN IN DER NACHT | 1994 | Seite 36 |
DIE UNBEKANNTE / EINE GEWISSE ANZAHL GESPRÄCHE | 1995 | Seite 38 |
WEIHNACHTEN BEI IVANOWS | 1995 | Seite 40 |
STELLA ODER DER LETZTE TAG DER MISS SARA SAMPSON | 1996 | Seite 42 |
NIEDER MIT GOETHE! | 1996 | Seite 43 |
DER BARON AUF DEN BÄUMEN | 1996 | Seite 44 |
YVONNE, DIE BURGUNDERPRINZESSIN | 1996 | Seite 46 |
Der FundamentalistThe fundamentalistvon Tom Kühnel | Seite 48 |
ANTIGONE | 1996 | Seite 51 |
WARTEN AUF GODOT | 1996 | Seite 54 |
SCHMÜRZ ODER DIE REICHSGRÜNDER | 1997 | Seite 55 |
ALLES WIRD GUT | 1997 | Seite 56 |
DIE BARACKE AM DEUTSCHEN THEATER BERLIN | 1997 | Seite 58 |
MANN IST MANN | 1997 | Seite 62 |
PEER GYNT | 1997 | Seite 66 |
DER BLAUE VOGEL | 1999 | Seite 68 |
Auf der Suche nach dem "Wir"Searching for "We"von Robert Schuster | Seite 72 |
FAUST 1 | 1999 | Seite 74 |
FAUST 2 | 1999 | Seite 78 |
DEUTSCH FÜR AUSLÄNDER | 1999 | Seite 80 |
DAS WELTTHEATER | 1999-2000 | Seite 82 |
PERSONENKREIS 3.1 | 2000 | Seite 84 |
DAS KONTINGENT | 2000 | Seite 90 |
DIE MÖWE | 2000 | Seite 96 |
Ein guter Architekt macht auch aus einer Hundehütte einen PalastA good architect turns even a doghouse into a palacevon Andrea Moses | Seite 98 |
CLAVIGO | 2000 | Seite 102 |
EUROPA | 2000 | Seite 104 |
DANTONSTOD | 2001 | Seite 106 |
DER RING DES NIBELUNGEN | 2001 | Seite 108 |
Stau im HochhausTraffic jam in the high-risevon Anne Tismer | Seite 112 |
DIE ARABISCHE NACHT | 2001 | Seite 116 |
SUPERMARKET | 2001 | Seite 118 |
DIE HEILIGE JOHANNA DER SCHLACHTHÖFE | 2001 | Seite 120 |
GOLDENE ZEITEN | 2002 | Seite 128 |
DER SELBSTMÖRDER | 2002 | Seite 134 |
"Unmögliche Fenster""Impossible Windows"von Frank Eckart | Seite 138 |
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WUNSCHKONZERT | 2003 | Seite 152 |
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Doch eher näher an KroetzJan Pappelbaum im Gespräch mit Thomas Ostermeiervon Thomas Ostermeier und Jan Pappelbaum | Seite 156 |
WOYZECK | 2OO3 | Seite 166 |
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INSTALLATION IRRGARTEN | 2003 | Seite 178 |
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SOMMERNACHTSTRAUM | 2006 | Seite 234 |
Inszenierungen / Productions | Seite 240 |
Fotonachweis / Credits | Seite 242 |
Vita | Seite 243 |
Zum Herausgeber
Anja Dürrschmidt
Weitere Beiträge von Anja Dürrschmidt
Utopie IV
Gruppe Lubricat mit "Boombar" in der "Regie" von Dirk Cieslak
Berlin
In vier Tagen um die ganze Welt
Neue französische Dramatik III in der Baracke des Deutschen Theaters
Spezialisten für Kommunikation
Beruf Produktionsmanager
Vorwort
Preface
Bibliographie
Beiträge von Anja Dürrschmidt finden Sie in folgenden Publikationen:
Recherchen 22
Falk Richter
Das System
Materialien Gespräche Textfassungen zu "Unter Eis"
Heft 06/2011
Christoph Schlingensief
Hommage in Venedig
Heft 05/2010
Theatertreffen 2010
11 Einladungen - 11 Alternativen
Jeden Monat die wichtigsten Themen bei Theater der Zeit
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