Volker Pfüller
Bilderlust
von Volker Pfüller
Herausgegeben von Stephan Dörschel
Broschur mit 208 Seiten, Format: 210 x 280 mm
ISBN 978-3-95749-234-0
Die Bildsprache Volker Pfüllers ist die Sprache des Theaters: in seiner Vielfalt und in seiner Expressivität. Er ist anerkannt als Grafiker, Plakatkünstler, Buchgestalter, Schriftsteller – und nicht zuletzt als Bühnen- und Kostümbildner. Seit über fünfzig Jahren gestaltet er unverwechselbare Ausstattungen, meist sowohl Bühnen- als auch Kostümbild.
Legendär war seine Zusammenarbeit mit dem Regisseur und Schauspieler Alexander Lang am Deutschen Theater im Berlin der achtziger Jahre. „Volker Pfüller. Bilderlust“ erscheint anlässlich des 80. Geburtstags des Künstlers und dokumentiert in großformatigen Fotografien die Vielseitigkeit seiner Bilderfindungen anhand seiner Entwürfe für Bühne und Kostüme, für Theaterplakate und Programmhefte. Mit Beiträgen u. a. von Friedrich Dieckmann und Stephan Dörschel.
Das Theater der 1970er und -80er Jahre war auf der Suche nach neuen Ausdrucksformen. Diese war vor allem von einem starken bildnerischen Ansatz geprägt. Die Zusammenarbeit des Bühnen- und Kostümbildners Volker Pfüller mit dem Regisseur Alexander Lang lässt sich hier neben die Theater - arbeiten von Peter Zadek mit Wilfried Minks, Peter Stein mit Karl-Ernst Herrmann, von Ariane Mnouchkine oder Robert Wilson einordnen. Bildende Künstler arbeiten schon sehr lange für das professionelle Theater. Man denke nur an die Entwürfe Schinkels. Ihr stilprägender Einfluss auf die theatralische Kunst konnte aber erst nach der Emanzipation des Bühnenbildes – und damit verbunden des Kostümbildes – zum Ausgang des 19. Jahrhunderts entstehen. Max Reinhardt war auch hier mit Max Slevogt oder Edvard Munch ein Vorreiter. Seitdem arbeiten bildende Künstler immer wieder für die Bühne. Dennoch scheint Volker Pfüller ein Sonderfall zu sein: Seine Theaterarbeiten entstehen schon sehr früh parallel zu seinem grafischen Werk, den Zeitschriften- und Buchillustrationen und Plakat entwürfen. Es ist also nicht der arrivierte Grafiker und Buchillustrator, der sich nebenbei auch im Theater betätigt, sondern Pfüller arbeitet und entwickelt sich von Anfang an genreübergreifend – und er tut das, ohne allzu sehr auf diese Grenzen zu achten. Er ist zu gleicher Zeit Illustrator, grafischer Künstler sowie Bühnen- und Kostümbildner.
Betrachtet man die Fülle der zeichnerischen Theaterentwürfe in ihrer schier über bordenden Farbenpracht und spürt die damit verbundene Bilderlust, die dem hier vorliegenden Buch den Titel gab, wird es ganz deutlich: Er ist in seinen theatralischen Entwürfen der formbewusste, aussagekräftige, witzige grafische Erzähler geblieben. Das Theater konnte diesem Künstler nichts an haben. Allen voran seine Figurinen bleiben grafische Kunstwerke in sich selbst, sind keine Werkstattzeichnungen, obwohl sie den Werkstätten als Vorlagen dienen sollen und gedient haben. Seine Bühnenbildentwürfe erinnern in mancher Hinsicht an seine freie Malerei – auch sie sind unbewohnt, scheinen auf die Menschen, von denen sie geprägt sind, erst noch zu warten, bergen ein Geheimnis für das kommende Drama, das sich auf ihnen, in ihnen ereignen wird. Denkt man über die Wichtigkeit der Besetzung im Theater nach, die oft schon die halbe Inszenierung ist (oder mehr), dann erkennt man in Pfüllers Figurinen, dass die jeweilige Charakterisierung durch die Kostümzeichnung in der Übertragung der Kunst der Darstellung in ein anderes künstlerisches Genre diese ebenfalls „aufhebt“ – sie dauerhaft bewahrt und gleichzeitig bildkünstlerisch überhöht. Sie scheinen ihren Zweck nicht erst auf der Bühne zu verwirklichen, auf der sie dreidimensional umgesetzt und im wahrsten Sinne verstofflicht werden, sondern können für sich stehen. Seine grafischen Blätter, die nicht dem Theater gewidmet sind, bestätigen das. Um so überraschender ist es, wie viel Zeit (und Mühe, die Pfüller vornehm unterschlägt) der Künstler auf dem Theater verbracht hat – und immer noch verbringt. Volker Pfüller betont immer wieder, wie sehr ihm an der Beobachtung des Probenprozesses, an der Entstehung theatralischer Handlung und damit auch an der Entstehung der Personen, die er ausstattet, gelegen ist. Und wie viel Freude und künstlerische Befriedigung ihm das bringt. Seine Arbeit am Theater ist die Arbeit an und mit den Schauspielerinnen und Schauspielern, den Sängerinnen und Sängern. Das Ideal des Zusammenwirkens, des Zusammenspiels von Figu ren- und Handlungsführung sowie vom Raum und von den Kostümen ist hier gefordert und wird durch die jeweilige Insze nierung eingelöst. Ein Auseinander klaffen von anspruchsvollen Bildideen und überforderten Arrangements wird dadurch vermieden. Er hätte auf grafischem Gebiet mehr leisten, das heißt mehr „abliefern“ können, wenn er nicht so viele Proben besucht hätte. Aber Pfüllers Kunst, auch seine grafischen, gebrauchsgrafischen und freien Arbeiten – so die These, die sich natürlich nicht verifizieren lässt – sähe dann anders aus. Die Lust am Bild, die Lust an der Zuspitzung, die Lust an den skurrilen Eigenheiten, aber auch die Lust am Elegischen, an harmonischen Landschaftsbildern ergeben sich aus dem Zusammenspiel.
Pfüllers Arbeiten außerhalb des Theaters sind geprägt von dem Leben, das der Künstler konzentriert und zugespitzt auf der Bühne mitgestalten konnte. Und seine Arbeiten verraten besonders eines: Neugier, warmherzige, empathische Neugier im Wortsinn – Gier nach dem Neuen, das man selbst vielleicht gar nicht entdecken konnte, wofür man Anreger, Aufreger, Initiatoren braucht (Schauspielerinnen und Schauspieler beispielsweise), die etwas sehen, das man selber womöglich übersehen hatte, weil man damit gar nicht rechnete. Das erklärt Pfüllers Leidenschaft für die Literatur, der er, belesen und mit großem Sachverstand, gerne frönt. Das wird deutlich an seinen eigenen literarischen Arbeiten, in denen das Element der Verunsicherung, dass nichts so ist, wie man es sich ausmalt, eine große Rolle spielt. Und dies ist vielleicht das Geheimnis seiner Liebe für das Schachspiel, das man berechnend auch nur bis zu einem gewissen Grad meistert. Ähnlich zeitfressend wie das Theater war auch die Lehrtätigkeit des Professors Volker Pfüller. Seine Schülerinnen und Schüler erwarben sich, wie es bei guten Pädagogen sein muss, unter seiner – neugierigen – Obhut ihren jeweils eigenen „Strich“, blieben nicht im Formenkanon des Lehrers, so wenig, wie Volker Pfüller selbst darin blieb.
Vergleicht man Pfüllers Theaterarbeiten mit den aufgezeichneten Theaterinszenierungen, sieht man, wie gut Darstellung und Ausstattung, Raum und Bewegung einander ergänzen, einander bedingen. Betrachtet man seine Kostümfigurinen und Bühnenbildentwürfe, ist man von deren grafischer Qualität entzückt. In den Aufführungen ergeben sich wiederum ganz andere Qualitäten und ästhetische Reize. Liest man die Bücher, die Pfüller illustriert hat, genießt man die die Fantasie beflügelnden Illustra tionen, und studiert man diese Illustrationen für sich, so spinnt sich ein vielleicht ähnlicher, aber doch ganz anderer Roman. Lebt man mit den Plakaten Volker Pfüllers, so ergibt sich mit der Zeit ein Dialog, der jeden Tag aufs Neue und doch immer wieder anders verläuft. Auch seine Gemälde, so lässt sich vermuten, schaffen entspannte leuchtende Ruhepole in der Umgebung, die man ihnen gibt. Volker Pfüller, so lässt sich vielleicht sagen, ist ein zutiefst dialogischer Künstler. Seine Werke halten Zwiesprache mit dem Publikum, den Leserinnen und Lesern, zu denen, die sie betrachten.
„Bilderlust“ stellt daher das gesamte bildnerische OEuvre Volker Pfüllers in den Vordergrund. Die Autoren geben jeweils erhellend Auskunft über die Qualitäten, die der Künstler auf den verschiedenen Gebieten aufweist. Allen Autoren eigen ist aber – und das ohne vorherige Absprache –, dass sie den genreübergreifenden, also auch den ihr Fachgebiet übersteigenden Künstler Volker Pfüller würdigen: Friedrich Dieckmann, der Homme de lettres nicht nur des deutschen Theaters, markiert das theatralische Werk und weist auf den fundamentalen Unterschied hin zwischen dem grafischen Werk und der Arbeit eines Bühnen- und Kostümbildners. Thomas Glöß, als Typograf und Grafiker Volker Pfüller von der Profession vielleicht am nächsten, weist auf das Grenzüberschreitende im Werk von Pfüller hin und auf seine technische, handwerkliche Professionalität. René Grohnert, der Leiter des Essener Plakatmuseums, macht auf die historischen Wurzeln aufmerksam, die Volker Pfüller auch in seiner Plakatkunst reflektiert und gestalterisch neu ausdeutet. Dem bildenden Künstler und Kunstverleger Christoph Ruckhäberle, einer jüngeren Generation zugehörig, gelingt es, die freie Kunst Volker Pfüllers in der Gesamtschau seines OEuvres zu deuten und in einem größeren kunsthistorischen Zusammenhang zu verorten. Christoph Stölzl, Kunsthistoriker und Publizist, gratuliert dem Künstler herzhaft, knapp und aussagestark zu seinem 80. Geburtstag. Dieser ist auch der Anlass, sich dem Gesamtwerk Volker Pfüllers genießend, schmunzelnd, erstaunt zu nähern.
Volker Pfüller – 80 Jahrer Bilderlust
Stephan Dörschel
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Volker Pfüller – 80 Jahre Bilderkunstvon Stephan Dörschel | Seite 5 |
Exkursion 1: Bühnen an der Säule – Volker Pfüllers Plakatevon René Grohnert | Seite 9 |
Lust an der Farbe, Triumph des CharakteristischenVolker Pfüller im Theatervon Friedrich Dieckmann | Seite 15 |
Der Schauspieler ist das ZentrumVolker Pfüller im Gespräch mit Stephan Dörschelvon Volker Pfüller und Stephan Dörschel | Seite 37 |
Exkursion 2: Musenküsse – Buchkunst von Volker Pfüllervon Thomas Glöß | Seite 97 |
Exkursion 3: Die Bilder des V. P.von Christoph Ruckhäberle | Seite 181 |
Autoren | Seite 202 |
Bibliografie | Seite 203 |
Werkverzeichnis Bühnenbilder | Seite 204 |
„Der toll ausgestattete Bildband zeichnet einen Querschnitt durch Pfüllers Arbeit inklusive Karikaturen, Graphiken un der berühmten Theaterplakate.“Die Deutsche Bühne
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Stephan Dörschel
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Volker Pfüller – 80 Jahre Bilderkunst
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Der Schauspieler ist das Zentrum
Volker Pfüller im Gespräch mit Stephan Dörschel
Bibliographie
Beiträge von Stephan Dörschel finden Sie in folgenden Publikationen:
Heft 05/2021
75 Jahre Theater der Zeit
Ein Jubiläumsheft
Volker Pfüller
Volker Pfüller
Bilderlust
Martin Rupprecht
Martin Rupprecht
Bühnen Bilder
Jeden Monat die wichtigsten Themen bei Theater der Zeit
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