Magazin
„Pirsch“ von Ivana Sokola (UA) – Regie Christina Gegenbauer, Bühne, Kostüme und Video Frank Albert, Musik Nikolaj Efendi
von Lina Wölfel
Man stelle sich vor, das Patriarchat wäre vogelfrei. Aus Jägern würden Gejagte. Aus Gejagten Jäger:innnen. Das Geschlecht reicht aus, um Täterschaft zu unterstellen. Und Täterschaft wird mit Selbstjustiz bestraft.
Marinka kehrt in ihr Heimatdorf zurück. Fünfzehn Jahre, nachdem sie auf einem Dorffest sexuell belästigt wurde. Ihr Bruder glaubt ihr nicht. Nein, er glaubt ihr, aber er will ihr nicht glauben. Redet ihre Erfahrung klein, sagt, „überlass das Richten denen, die etwas davon verstehen,…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 3/2023
Report
In ihrer neuen Inszenierung „The Burnt City“ beschwören Punchdrunk in London die antike Mythologie als ekstatischen Rave im Neonlicht
von Lina Wölfel
Ich gehe nach rechts, öffne eine stählerne Tür und stehe plötzlich allein auf einem großen Platz, der nur vom flackernden Licht bunter Neonröhren der umliegenden Geschäfte beleuchtet wird. Getrieben von den pulsierenden, dunklen Bässen des Sounddesigns von Stephen Dobbie will ich gerade in die Bar gehen, als zwei maskenlose Gestalten Hand in Hand aus dem Café kommen. Ich folge ihnen durch schmale Gassen, an der Bar, einem japanischen Lebensmittelgeschäft und einer Wäscherei vorbei, durch den…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 1/2023
Magazin
Das studentisch organisierte Theater- und Performancefestival transeuropa in Hildesheim
von Lina Wölfel
„Dass wir heute hier sind, ist was ganz Besonderes“ – mit diesen Worten eröffnet Annemarie Matzke, Studiendekanin des Fachbereichs 2 der Universität Hildesheim, die zehnte Ausgabe des transeuropa-Festivals. Es regnet an jenem Dienstagnachmittag 2021, sporadisch wurde deshalb ein pinker Pavillon über das Rednerpult gestellt und die Rednerinnen und Redner mit ausreichend Abstand an weiß behusste Stehtische verwiesen, an denen sie wacker ihre Regenschirme halten. Und dennoch ist das transeuropa…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 9/2022
Thema
Ein Gespräch zwischen den Generationen über die Theaterkritik der Zukunft
von Stefan Keim und Lina Wölfel
Der Kritiker kommt aus dem Theater und spricht seine Eindrücke direkt in die Handykamera. Eine Minute lang, höchstens, dann wird gepostet. So funktioniert Theaterkritik online. Hat die klassische Rezension zwischen den schnellen, coolen Formen überhaupt noch einen Platz? Oder gehört sie zur Vielfalt der Stimmen unbedingt weiterhin dazu? Theater der Zeit startet im September eine Podcast-Reihe, in der Lina Wölfel (23) und Stefan Keim (54) miteinander diskutieren. Sie vertreten zwei Generationen…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 9/2022
Auftritt
Stadttheater Gießen: „BRAVE KIDS“ von Andreas Kowalewitz, Cathérine Miville und Lars Ruppel (UA) Inszenierung Cathérine Miville. Musikalische Leitung Andreas Kowalewitz
von Lina Wölfel
„Backstage Exklusive for Winners“ steht auf dem goldgelben Armband, das jede:r Besucher:in vom Einlasspersonal im Stadttheater Gießen angelegt bekommt. Auf Nachfrage, wofür das Band sei, erklärt mir eine Mitarbeiterin, dass ich es mir mit meiner guten Arbeit für den Konzern in den letzten zwölf Monaten verdient hätte. Selbe trägt eine marineblaue Seidenkrawatte um den Hals, auf der in Knallpink ein „W“ aufgedruckt ist – das Firmenlogo des imaginativen Wohl-Konzerns, dessen 100-jähriges…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 6/2022
Thema
Stimmen ukrainischer Theatermacher:innen und Protokolle
von Alexandr Krywoshejew, Olha Krywoshejewa, Solomia Kushnir, Sofia Leshyshak, Lina Wölfel und Anna Wrobel
Wenn dieses Heft erscheint, ist es fünf Wochen her, dass Wladimir Putin den Krieg gegen die Ukraine angefangen hat. Seitdem sind Millionen Ukrainer:innen auf der Flucht. Andere bleiben und versuchen, vor Ort das zu bewahren, was noch zu bewahren ist, und diejenigen zu schützen, die ebenfalls bleiben (müssen). Darunter auch Künstler:innen und Theaterschaffende. Wir haben mit fünf von ihnen darüber gesprochen, wie sie den russischen Krieg in der Ukraine erleben.
Protokolle von Lina Wölfel
Am…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 4/2022
Magazin
Julia Buchberger / Patrick Kohn / Max Reiniger (Hg.) Radikale Wirklichkeiten – Festivalarbeit als performatives Handeln. Transcript Verlag, Bielefeld 2021, 216 Seiten, 38 Euro
von Lina Wölfel
„Ich habe zehn Tage lang gearbeitet, jeden Tag von 11 Uhr bis nachts spät, meistens bis 4 Uhr morgens, aber manchmal auch nur bis 2 Uhr, weil ich keine Kraft mehr hatte. Und am Ende habe ich 0 Euro bekommen.“
Festivals und damit auch die Arbeit an, auf und mit ihnen, haben seit den 1940er Jahren einen festen Platz in der Kultur- und Theaterlandschaft. Allein im deutschsprachigen Raum gibt es über einhundert Festivals, in deren Rahmen Theateraufführungen produziert und/ oder gezeigt werden –…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 3/2022
Auftritt
Schauspiel Hannover: „Aufzeichnungen aus dem Kellerloch. Bei nassem Schnee“ nach der Erzählung von Fjodor M. Dostojewski. Inszenierung Lukas Holzhausen, Bühne und Kostüm Katja Haß
von Lina Wölfel
Fjodor Dostojewskis „Aufzeichnungen aus dem Kellerloch“ wurden erstmals 1864 in der Zeitschrift Epocha veröffentlicht. Die Erzählung ist in zwei stilistisch sehr unterschiedliche Teile geteilt: Die „Aufzeichnungen aus dem Kellerloch“ im ersten Abschnitt sind essayistisch angelegt. Der zweite Teil, „Bei nassem Schnee“, ist erzählerischer und wird wesentlich seltener für die Bühne adaptiert. Hauptfigur und Ich-Erzähler ist ein ehemaliger Beamter mittleren Alters, der sich selbst als bösartig,…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 2/2022
Auftritt
Schauspiel: „Ein Mann seiner Klasse“ (UA) von Christian Baron. Regie Lukas Holzhausen, Ausstattung Katja Haß
von Lina Wölfel
Es dauert nicht lange, bis einem das Kernthema der Hannover’schen Uraufführung von Christian Barons Erfolgsautobiografie „Ein Mann seiner Klasse“ geradezu schreiend vor Augen geführt wird. Noch bevor das Saallicht ausgeht, sehen wir, wie der Arbeiterkörper im Kontrast zu jenem des Bildungsbürgertums steht; zu denen, die mal eben 22 Euro für eine Theaterkarte ausgeben können. Michael „Minna“ Sebastian wird im Verlauf des Abends nicht sprechen. Er wird auch kaum mit den anderen Darstellenden…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 12/2021
Look Out
Jchj V. Dussel entwirft ein Theater des Spaßes, in dem Lachen zum politischen Moment der Befreiung wird
von Lina Wölfel
Liederabend, Schlafworkshop oder Schauspielinszenierung? Ein Abend von oder mit Jchj V. Dussel ist wie eine Wundertüte. Sparten, so scheint es, sind für j1 lediglich Mittel, um durch variable Nutzung möglichst vielfältige Zugangswege zu einem Thema zu schaffen und damit so viele Menschen wie möglich zu erreichen. Und die sollen vor allem eines erleben: den befreienden Moment der Freude. Egal, wie dystopisch das Thema, wie komplex das Diskursfeld oder wie sperrig der Zugang zunächst sein…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 12/2021
Magazin
Das Hildesheimer Transeuropa-Festival zeigt sich wegweisend für die performativen Künste
von Lina Wölfel
„Enter the Collective Vision“ – das Motto des diesjährigen Transeuropa-Festivals in Hildesheim wirkt in pandemischen Zeiten fast grotesk. Und doch legt es den Finger genau auf die Schnittstelle zwischen dem eigenen Ursprungsgedanken – der transeuropäischen Idee des Austausches – und einer Prospektion auf die europaweite Theater- und Performanceszene, die sich in Folge der globalen SARS-CoV-2-Krise methodisch und inhaltlich neu aufstellen muss. Gegründet 1994, um nach dem Fall des Eisernen…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 9/2021
Auftritt
Deutsches Theater Göttingen: „geteilt“ (UA) von Maria Milisavljevic. Regie Moritz Beichl, Ausstattung Lukas Kötz
von Lina Wölfel
Rebecca Klingenberg steht an der vorderen Kante eines betonierten Laufstegs. Oder ist es ein Sprungbrett? Aber nein, um sie herum ist der rote Teppich ausgelegt, bereit für ihren Auftritt. Das Scheinwerferlicht verschwindet hinter ihr in einem langen, verzerrten Schatten. SIE erzählt von einem Dinner mit ihrem Chef, einem modernen Unternehmer, der seine Angestellten duzt und buntgemusterte Happy Socks trägt. Ein hipper Typ. Die Vorstellung, ob ER sich fragt, wie es wäre, den Reißverschluss am…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 2/2020
Magazin
Das Spieltriebe-Festival am Theater Osnabrück erforscht die Grenzgebiete zwischen Organismus und Maschine
von Lina Wölfel
Wenn der Mensch, mit dem Symbol ® ausgestattet, zur Marke wird, dann muss man entscheiden: Welche Eigenschaften gilt es zu schützen, und welche lassen sich ökonomisch gewinnbringend vermarkten? Wie weit wollen wir die Entkopplung von Intelligenz und Bewusstsein vorantreiben, und welche Rolle spielt dabei unsere Gesellschaft mit ihren durchaus veränderungswürdigen Arbeits- und Sozialstrukturen? Das Spieltriebe-Festival bietet auf diese Fragen mit seiner achten Ausgabe „Mensch®“ elf Antworten,…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 10/2019