Alle Beiträge von Hans-Dieter Schütt
Thema
Wie der Schauspieler Charly Hübner die Balance zwischen Bühne, Film und Fernsehen schafft
von Hans-Dieter Schütt
Was ist Wirklichkeit? Die Summe der Fluchten aus ihr. Eine Flucht heißt Kunst. Die splittet sich auf. In sehr Gegensätzliches. Theater zum Beispiel ist Adel – und also weit entfernt vom Bildschirm. Kürzlich aber resümierte Regisseur B. K. Tragelehn: „Viele gute Schauspieler, mit denen ich früher am Theater gearbeitet habe, sehe ich inzwischen im Fernsehen.“ Adel im Untergang?
Der Satz Tragelehns ist Verwunderung und Melancholie. Tatsächlich sieht man Schauspielerinnen und Schauspieler, deren…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 1/2023
Magazin
Zum Tod des Regisseurs und Schauspielers Carl-Hermann Risse
von Hans-Dieter Schütt
Utopien sind beliebt. Denn wenn sie nur genügend weit ausgreifen, kann kein Argument sie mehr widerlegen, und da also eine Realisierung der kühnen Vorstellungen nicht droht, werden sie nie banal. Schön. So was reizt. So was zieht an. Auf so was gründen Spiel und Kunst. Manchmal trifft man im Theater auf wahrhaft offene Gesichter, die scheinen, zwischen dem Unvereinbaren von Traum und Banalität eine Verbindung zu schaffen: eine Verbindung zwischen höchst freundlichem, heiterem Ausblick, also…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 12/2022
Nachruf
Zum Tod des Regisseurs und Intendanten Christoph Schroth
von Hans-Dieter Schütt
Bei Christoph Schroth denke ich an einen Brechtsatz: „In der Kunst genießen die Menschen das Leben.“ Dieser Satz war eine DDR-Weile lang das Motto des Staatstheaters Schwerin. Kunst stürzt, im Geiste, Verhältnisse um – aber es kostet nicht den Kopf. Doch, den sehr wohl: Ohne freies Denken ginge nichts. Ginge nichts an den Grund, der uns aufreißt. Das aber ist, solange es Spiel bleiben darf: Genuss. Ja, so genießen Menschen das Leben.
Von 1974 an hat Schroth in Schwerin als Intendant und…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 11/2022
70 jahre maxim gorki theater
70 Jahre Wandel am Maxim Gorki Theater Berlin
von Hans-Dieter Schütt
Das Fahrrad im Intendantenzimmer? Wie unheilig ist das denn? Am Maxim Gorki Theater, so Armin Petras, Intendant von 2006 bis 2013, sei er wegen dieser privaten Marotte auf keinerlei Naserümpfen gestoßen. Als er dann Schauspielchef in Stuttgart wurde, nahm er sein Rad erneut mit hinauf ins Direktorendomizil, plötzlich eine unausgesprochene, aber spürbare Entrüstung: Das gehört sich nicht – dort, wo auch Repräsentation zur Pflicht zählt.
Das Fahrrad im Intendantenzimmer. Lieber familiär als…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 10/2022
Magazin
Dem Regisseur und langjährigen Intendanten Christoph Schroth zum 85. Geburtstag
von Hans-Dieter Schütt
Am Schweriner Theater war Kunst eine Republikflucht: in die Welt. Fünfzehn Jahre lang, von 1974 an, hat Intendant und Regisseur Christoph Schroth im Norden des Ostens auf eine besondere Weise Theater gezaubert, gearbeitet, gewuchtet. Der „Faust“ etwa. Goethe als freches Gleichnis, als ein böser wie belebender Blick auf die brüchige, also bearbeitbare Gegenwart. Schroths Theater erteilte allen Zeitungsausrufezeichen ein Hausverbot. Das Publikum strömte und drängte. Die scheinbare Provinz als…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 5/2022
Protagonisten
Die Schauspielerin Maike Knirsch vom Thalia Theater Hamburg im Porträt
von Hans-Dieter Schütt
Spiel darf so ziemlich alles. Spiel ist eine Erlaubnis, von der Romantik ausgestellt: Mag das Leben entgeistert oder gebieterisch glotzen – wir schauen trotzdem so in die Runde, als gäbe es noch eine Welt woanders. Es gibt sie ja tatsächlich. Überall dort, wo der Mensch erfährt, was mit ihm – und unverwechselbar nur mit ihm! – gemeint sei. Dort, wo er erfährt, auf welche Weise er zu sich selbst kommen kann.
Maike Knirsch sitzt mir in einer der Proberäume des Thalia Theaters Hamburg gegenüber,…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 4/2022
lausitz
Lucie Luise Thiede und Susann Thiede im Porträt
von Hans-Dieter Schütt
Sie hätten derzeit gemeinsam auf der Bühne stehen sollen: Mutter und Tochter – als Mutter und Tochter. Susann Thiede in der Rolle der Waschfrau Wolff und Lucie Luise in der Rolle der schwangeren Leontine. In Gerhart Hauptmanns „Biberpelz“, Regie: Armin Petras. Aber Lucie Luise spielt nicht – sie ist schwanger. So lehrt das Leben die Kunst: Umbesetzung.
Wir sitzen im Probenhaus des Staatstheaters Cottbus, im „Biberpelz“ sieht man im Video den Madlower See, den Spreewald, die ruppigen Ufer.…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 3/2022
Magazin
Zum Tode des Schauspielers und Intendanten Dieter Mann
von Hans-Dieter Schütt
Er konnte ganze Stücke zwischen seinen Lippen zusammenpressen, bis sie ihren Wesensschrei ausstießen. Er malmte den Text nicht, ein kurzer Biss quasi, der genügte, und Sprache war gepackt in ihrem bittersten, kältesten Kern. Und dann sprangen die Sätze spitz, durchschlagend wie Funken von den Zähnen ab. Oder er spuckte das Wort grinsend aus wie einen Dartpfeil: bohrende Grüße aus einem Gletscherbezirk. Er verschwand – spielend – nicht gern in einem bewegungsflammenden Rausch. Er schnürte…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 3/2022
Protagonisten
Zu alt für jedes Spielzeug – aber noch immer zu jung, um eine solche Wahrheit wirklich ernst zu nehmen
von Hans-Dieter Schütt
Es ist grausam. Es ist eine Menschenrechtsverletzung. Denn er sitzt in der ersten Reihe, wird gepackt, auf die Bühne geschleudert. Wird geschlagen, zerbogen: ein bös Misshandelter. Jetzt noch ein Unterleibstritt – als Denkmalsturz. Und dort drüben liegt, ihm aus dem Leib gerissen: ein Bein. Das ist Henry Hübchen, in „Baumeister Solness“, in der letzten Ibsen-Inszenierung von Frank Castorfs Volksbühne.
Er wird an diesem Abend von Mitspielern behandelt wie eine Lumpenpuppe. Er ist tatsächlich…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 2/2022
von Armin Petras und Hans-Dieter Schütt
HANS-DIETER SCHÜTT:
Armin Petras, zwei Stichworte, zum Schluss hin. Das erste: Trost.
ARMIN PETRAS:
Es gibt einen schwedischen Autor, der sagt, Trost sei das Einzige, was wir Menschen wirklich brauchen. Trost hilft uns, mit dem Elend unserer Halbfertigkeit umzugehen. Wir schauen auf die Bühne und sehen im Drama den Menschen, der seinem Schicksal gegenübertritt. Wir bejubeln den tragischen Helden (wenn er gut spielt), weil er stellvertretend für uns den Kampf aufnimmt. Um einen Traum zu…mehr
aus dem Buch: PETRAS
von Armin Petras und Hans-Dieter Schütt
HANS-DIETER SCHÜTT:
Armin Petras, Sie schreiben fürs Theater, auch Fritz Kater schreibt. Worin liegt der Unterschied?
ARMIN PETRAS:
Die Bearbeitungen macht Petras, für die Originale ist Kater zuständig. Ich formatiere um, er schafft neu.
Umformatieren heißt?
Einen Stoff aus einer Kunstform in eine andere übertragen. Etwa von einer epischen in eine dramatische. Was ich finde, überschreibe ich mehrfach. Überschreiben, nachschreiben, fortschreiben.
Mancher sagt sich – und sagt es laut: Na…mehr
aus dem Buch: PETRAS
von Armin Petras und Hans-Dieter Schütt
HANS-DIETER SCHÜTT:
Haben Sie manchmal Angst, auf die Probe zu gehen?
ARMIN PETRAS:
Ein einziges Mal habe ich Jürgen Gosch getroffen, ich glaube, es war aus Anlass einer Gesprächsrunde mit Regisseuren, für ein Theater-Magazin. Ich fragte ihn, ob ihn auch manchmal vor den Endproben Angst überkomme. Er sah mich verwundert an. „Angst? Manchmal? Endproben? Junger Mann, ich habe vor jeder Probe Angst.“ Ich nicht. Respekt empfinde ich vor der Konzeptionsprobe, und Befürchtungen beschleichen mich…mehr
aus dem Buch: PETRAS
von Armin Petras und Hans-Dieter Schütt
HANS-DIETER SCHÜTT:
Armin Petras, es gibt einen Satz von Winston Churchill: „Verschwende keine Krise!“ Haben Sie die Corona-Krise bislang verschwendet?
ARMIN PETRAS:
Die Theater spielten plötzlich nicht mehr, also war es eine Zeit des Schreibens.
Aha. Bei aller angeordneten Pflicht zum Abstand – die gilt also nicht gegenüber Fritz Kater: Sie sind nicht zu trennen von ihm. Es heißt: Er sei es, der schreibt.
Ich auch, aber ...
Aber?
Wir schreiben unabhängig voneinander. Und Krise oder…mehr
aus dem Buch: PETRAS
von Hans-Dieter Schütt
Wir sitzen an einem Frühabend in einer Berliner Kneipe, Nähe Tiergarten, gewissermaßen rauchiges Schultheiss-Niveau, auf den Tischen Aschenbecher, über einem der Tische hängt ein uralter klebriger Fliegenfänger mit vielen toten Geschichten. Die Gesichter hinter den Gläsern fassen die Lage zusammen: Schwer fiel es auch heute, zu den Regeln zu stehen, die tagsüber Gesetz sind; aber leicht war es, ihnen zu folgen. Im Radio schießt der 1. FC Union gerade ein Bundesliga-Tor, wer weiß, gegen wen, im…mehr
aus dem Buch: PETRAS
Magazin
Harald Metzkes, Gero Troike: Maler und Modell. Bilder und Texte. Hg. von Dorit Litt, Kunstverein Soest. Pigmentar Verlag, Bad Sassendorf 2020. 68 S., 20 EUR.
von Hans-Dieter Schütt
Haben wir Augen, so haben wir das Geschenk der Welt gesehen: die Ankunft der Farben. Wer sich in Bilder versenkt, der weiß auftauchend: Das Wichtige hat stattgefunden – Wirkung, nicht Wissen. Die Maler Harald Metzkes und Gero Troike stellten Ende des vergangenen Jahres gemeinsam im nordrhein-westfälischen Soest aus; ein Buch hält die Exposition präsent. Es ist Bildkunst, in der das Dasein kein Splitterwerk aus Überstürzung ist. Beide Maler sind Mählichkeitsvirtuosen. Sie entdecken in dem, was…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 2/2021
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