Alle Beiträge von Renate Klett
Magazin
Das Figurentheater Wilde & Vogel im Westflügel Leipzig und ihre Emily Dickinson
von Renate Klett
Warum kann das Figurentheater oft stärker beeindrucken als das Menschentheater? Niemand weiß das so genau, aber viele haben es schon erlebt. Nikolaus Habjan, Robert Anton oder auch Wilde & Vogel, Basil Jones und Adrian Kohler sind einige von vielen Beispielen (siehe zuletzt auch Karl Huck in TdZ 10/22). Sie sind – müssen es sein – allesamt auch große Schauspieler.
Die verrückteste Geschichte ist wahrscheinlich die von Robert Anton, der in den achtziger Jahren in New York zum Mythos wurde.…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 11/2022
Magazin
Ermanna Montanaris ungewöhnliches Gesangsstudio in Ravenna
von Renate Klett
Als ich nach dem Palazzo Malagola frage, zeigt mir die Apothekerin an der Straßenecke ihr gut sortiertes Regal mit Halsschmerztabletten und Hustenbonbons. „Non chiedo la medicina“, sage ich schüchtern, „chiedo il palazzo.“ „Un palazzo non c’è“, sagt sie. Die Stammkundin hat inzwischen gegoogelt und zeigt ihr leicht hämisch die Ergebnisse. Die Apothekerin ist beleidigt, dass man sie nicht informiert hat, und ich bin froh, eine Adresse in der Hand zu haben.
Der Palast steht hier seit 300 Jahren,…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 9/2022
Nachruf
Ein Nachruf auf Peter Brook (1925–2022)
von Renate Klett
Peter Brook war der Theaterkönig seiner Zeit, ein sanfter Mensch, der die Schauspieler:innen animierte, statt sie zu bevormunden, vergrößerte, statt sie zu begrenzen. Er schaffte es, die Zuschauer mitzunehmen in eine verwandelte Welt, aus der sie beglückt in die Realität zurückkehrten. Jeder Besuch in seinem Theater ließ einen ahnen, dass diese Welt unermesslich und wandelbar ist.
Er war begeisterungsfähig, sehr weich und höflich, aber er konnte auch anders.
Sein wunderbares Stück „L’homme…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 9/2022
Magazin
Zu den Arbeiten von Walid Raad und einer Ausstellung in Mainz
von Renate Klett
Walid Raad ist ein vielseitiger Künstler, Performer, Filmemacher, Videogestalter, Zeichner, Fotograf, Moderator, Welterklärer. 1967 im Libanon geboren, lebt er heute in New York, wo er an der renommierten Cooper Union lehrt. Seine Arbeiten wurden zur documenta11 und dOCUMENTA (13) eingeladen. Er hatte zahlreiche Einzelausstellungen in aller Welt, die jüngste, „We Lived So Well Together“ in der Kunsthalle Mainz (noch bis 15. Mai).
Was seine Arbeiten so besonders macht, und ihn zum Magier, ist…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 5/2022
Ausland
Das Theater der Chilenin Manuela Infante ist politisch im Geist des Zweifels
von Renate Klett
Für Manuela Infante hat Theater mehr mit Philosophie zu tun als mit Geschichtenerzählen. In ihren Stücken sind die Protagonisten Steine oder Pflanzen, die sich ständig verwandeln, auch schon mal in Menschen, wie es scheint. Ihr Kosmos ist groß und nicht immer verständlich, aber stets faszinierend. Sie gehört zu jenen Auserwählten, die alles dürfen und ergo tun. Sie ersinnt ungewöhnliche Narrative, jenseits des Anthropozäns. Die Menschen sind eh verloren, also übernehmen Bäume, die sich…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 4/2022
She She Pop
Mit ihrer neuesten Produktion tanzen She She Pop ein großes Thema aus ihrem Gesamtwerk
von Renate Klett
Einerseits: Wenn sich eine Theatergruppe als Performance-Kollektiv beschreibt, dann kratze ich gleich die Kurve. Grund: zahlreiche läppisch-langweilige Aufführungen, die ich unter diesem Label gesehen habe, und immer brav bis zum Ende. Andererseits: Wenn She She Pop spielt, die sich auch so nennen, dann renne ich gleich hin. Was ist das? Vorurteil, Feigheit oder gar theatrale Dialektik?
Die She Shes sind auch ein Kollektiv, und sie performen, aber sie sind halt aus ganz anderem Holz…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 3/2022
Ausland
Ein Porträt der südafrikanischen Choreografin Dada Masilo
von Renate Klett
Nomen est omen: Sie heißt nicht nur Dada, sie ist es. Dada Masilo, Tänzerin und Choreografin aus Südafrika, hat eine Art burlesken Investigations-Dadaismus erfunden, der das klassische Ballett veralbert, verschmachtet, verklärt und verrückt. Sie nimmt sich auch Opern vor, und immer sind es kluge, auch liebevolle Fragen, die sie an die Objekte ihrer Begierde stellt. Die ätherischen Traumwelten der westlichen Klassik unterwandert sie gern mit den lebensprallen Tänzen der afrikanischen Tradition.…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 2/2022
Protagonisten
Mariano Pensottis Theater zwischen Raum und Zeit
von Renate Klett
Die erste Aufführung, die ich von Mariano Pensotti sah, war „La Marea“, 2006 in Brüssel beim Kunstenfestival des arts. Sie ist mir unvergesslich bis heute. Wir, das waren viele Menschen, Festivalbesucher, Passanten, Neugierige liefen nachts die Rue de Flandre entlang, eine kleine Straße mit vielen Geschäften, in denen Merkwürdiges geschah. Durch die Schaufenster beobachteten wir Paare beim Essen oder Streiten, beim sich Langweilen oder Küssen. Auf die Fenster projizierte Untertitel verrieten…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 11/2021
Magazin
Das Theaterfestival im italienischen Santarcangelo erfindet sich immer wieder neu
von Renate Klett
Das Festival von Santarcangelo ist eines der sympathischsten Italiens. Seit über fünfzig Jahren feiert die Kleinstadt in der Emilia-Romagna jeden Juli sich selbst, ihre Gäste und Neider auf so volkstümliche wie anspruchsvolle Weise. Alle drei bis fünf Jahre wird ein neues Direktorium gewählt, auf dass die Stadt und ihr Festival sich immer wieder neu erfinden mögen. Dies war die letzte Spielzeit von Daniela Nicolò und Enrico Casagrande (Teatro Motus, Rimini) – im nächsten Jahr wird Tomasz…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 9/2021
thema: intendant:innendämmerung
Die Kritikerin und ehemalige Festivalleiterin Renate Klett über den schmalen Grat zwischen Ausnahmezustand und Veränderungsdruck am Beispiel der Frauenbewegung im Theater
von Dorte Lena Eilers und Renate Klett
Renate Klett, Sie blicken auf eine lange Karriere als Dramaturgin, Festivalleiterin und Theaterkritikerin zurück und kennen somit den Theaterbetrieb in- und auswendig. Berühmt wurden Sie 1980, als Sie im Kölner Stollwerk, einer Nebenspielstätte des dortigen Schauspiels, das 1. Internationale Frauentheaterfestival veranstalteten – welches sogleich einen veritablen Skandal auslöste. Sie wurden vor den Stadtrat zitiert, weil Sie an drei von neun Tagen nur Frauen im Publikum zulassen wollten.…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 6/2021
Magazin
Die Tanz-Biennale in Venedig trotzt Corona
von Renate Klett
Venedig hat sich mit seinen Kulturaktionen recht schlau durch den Corona-Sumpf ge- schlängelt. Das Filmfestival fand statt, die Architektur- und die nächste Kunstbiennale wurden verschoben, aber einige der Festivals und Veranstaltungen drum herum trösteten darüber hinweg. So auch die Biennale Danza, für die zum letzten Mal die kanadische Choreografin Marie Chouinard verantwortlich zeichnete. Die Programmdirektoren für Theater, Tanz, Musik, Architektur etc. werden jeweils für vier Jahre…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 1/2021
Abschied
In Erinnerung an die Kuratorin und Festivaldirektorin Frie Leysen
von Renate Klett
Als Frie Leysen 1994 in Brüssel das Kunstenfestivaldesarts gründete, das die Zweisprachigkeit Belgiens schon im Titel trägt, hatte sie die so simple wie geniale Idee, die Inszenierungen in den Theatern der Brüsseler Sprachgemeinschaften auszutauschen. In den flämischsprachigen Häusern präsentierte sie französischsprachige Aufführungen und umgekehrt. Das war ein Risiko und funktionierte anfangs schlecht, aber sie ließ nicht locker, und allmählich gewöhnte sich das Publikum daran. Heute finden es…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 11/2020
Künstlerinsert
Wild, fordernd, voller Poesie – Über die Mutter des modernen afrikanischen Tanzes Germaine Acogny
von Renate Klett
Sie ist eine Ikone, a living legend, verehrt, bewundert und gefürchtet. Germaine Acogny, Mutter des modernen afrikanischen Tanzes, hat mit ihrer École des Sables, in Senegals Hauptstadt Dakar gelegen, Tanzgeschichte geschrieben – und tut es noch heute. Wenn man über sie erzählen will, weiß man nicht, wo beginnen bei diesem verrückten Leben zwischen Kontinenten, Stilen und Befindlichkeiten.
Vielleicht am besten mit ihrer geliebten Großmutter Alofa, einer animistischen Priesterin aus Benin.…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 11/2020
Ausland
Das Palästinensische Nationaltheater El Hakawati in Ost-Jerusalem feiert mit einem Festival sein 35-jähriges Bestehen und gedenkt seines Gründers François Abu Salem
von Renate Klett
El Hakawati heißt „der Geschichtenerzähler“ und ist der Name eines sehr erfolgreichen Theaters in Ost-Jerusalem, das im November 2019 sein 35-jähriges Bestehen feierte. François Gaspar, Gründer und Motor des El Hakawati, von Haus aus Franzose, beschloss frühzeitig, Palästinenser zu werden, und nannte sich fortan François Abu Salem.
Der Schauspieler, Regisseur und Autor spielte bei Ariane Mnouchkine in Paris, inszenierte später in ganz Europa (u. a. an der Berliner Schaubühne), kehrte aber…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 2/2020
Protagonisten
Die polnische Regisseurin Marta Górnicka gibt mit ihren energetischen, radikalen, teils monströsen Chören dem Aufbegehren eine aufwühlende Form
von Renate Klett
Was fällt einem ein, wenn man an Sprechchöre auf der Bühne denkt? Altgriechische Tragödien, expressionistische Dramen, Agitprop-Theater à la Blaue Blusen und natürlich die Inszenierungen von Einar Schleef. Marta Górnickas Arbeiten haben etwas von alledem: das Volk als Chor, die Lösung des Problems, der Kommentar des Autors, aber sie sind ganz anders.
Schon dass eine Frau einen großen Theaterchor leitet, ist ungewöhnlich – und sie tut es denn auch anders als die Männer, mit weichen, fließenden…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 1/2020
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