Alle Beiträge von Sascha Westphal
Festivals
Die erste Ruhrtriennale unter der Intendanz von Barbara Frey
von Sascha Westphal
Abendliches Licht fällt durch die hohen Fenster in die imposante Maschinenhalle der Zeche Zweckel in Gladbeck. Es taucht die stillgelegte Fördermaschine samt ihren unterschiedlich großen Antriebsrädern in ein abgründiges Zwielicht. Die riesigen Artefakte einer längst vergangenen Zeit der Industrialisierung, die aus dem Boden der Halle herauszuwachsen scheinen, sind das zentrale Bühnenbild-Element in Barbara Freys Adaption von Edgar Allan Poes „Der Untergang des Hauses Usher“. Martin Zehetgruber…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 11/2021
Festivals
Das africologne Festival in Köln stößt seit zehn Jahren Diskussionen über neokoloniale Verhältnisse an, um Vorurteile auf beiden Seiten abzubauen
von Sascha Westphal
Schließlich ist es so weit. Vater und Sohn ziehen ihre Revolver und schießen aufeinander. Ein Ende, das sich von Anfang an abgezeichnet hat und doch nicht unvermeidbar war. Nicht das Schicksal hat den Bauunternehmer und selbsternannten „König des Betons“ Franck und Niko, seinen Erstgeborenen, zu Todfeinden gemacht. Sie sind den Mechanismen des Kapitalismus erlegen, die alles auf Konkurrenz und Kampf reduzieren und kein friedliches Nebeneinander gegensätzlicher Ideen und Überzeugungen…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 9/2021
Künstlerinsert
Die Künstlerin Mariechen Danz hinterfragt bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen akademische und gesellschaftliche Gewissheiten
von Sascha Westphal
How to know?“ Wieder und wieder intoniert die Künstlerin und Performerin Mariechen Danz diese drei Worte, während sie den Raum um sich herum abschreitet. In ihrem weiten, mit ebenso vielfältigen wie vielfarbigen Bildern und Symbolen übersäten Gewand schreitet sie durch einen seltsam zeit-losen Raum. Sie hat dabei zweifellos etwas von einer archaischen Priesterin oder Schamanin. Vor allem ihr gleichförmiger und doch ungeheuer ausdrucksstarker Sprechgesang verleiht der Situation einen rituellen,…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 9/2021
Auftritt
Volksbühne Berlin: „Anthropos, Tyrann (Ödipus)“ von Alexander Eisenach nach Sophokles. Regie Alexander Eisenach. Konzeptionelle Mitarbeit Frank M. Raddatz (Theater des Anthropozän)
von Sascha Westphal
„Der Mensch“, das war für Ödipus des Rätsels Lösung. Mit dieser Antwort konnte er die Sphinx bezwingen und Theben von ihrer Schreckensherrschaft befreien. Sie hat ihn zum König der Stadt und zum Gatten seiner eigenen Mutter gemacht. Damit war sie es aber auch, die neues Unglück und den Fluch der Götter über ihn und ganz Theben gebracht hat.
So hat Sophokles in einer Ära, in der noch der Glaube an die Götter wie an das Schicksal mächtig war, das Doppelgesicht des Menschen beschworen. Auf der…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 4/2021
Look Out
Das Bochumer Kollektiv Anna Kpok befragt die Welt mittels digitaler Verfremdung
von Sascha Westphal
Der Lockdown macht gezwungenermaßen erfinderisch. Wenn wir schon nicht in einem Saal zusammenkommen können, dann müssen andere Wege beschritten werden, um ein Gefühl von Gemeinschaft zu erzeugen. Einen faszinierenden Weg, das zu erreichen, hat das freie Theaterkollektiv Anna Kpok mit der Online-Gaming-Performance „Anna Kpok und die Dinge aus einer anderen Zeit“ gefunden. Entstanden im ersten Lockdown im Frühjahr 2020, ermöglicht dieses zuletzt über die Schaubude Berlin präsentierte…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 3/2021
Look Out
Die Bochumer Schauspielerin Jing Xiang übersetzt Emotionen in Bewegung
von Sascha Westphal
Sie ist eine Magierin“, sagt Johan Simons im Nachgespräch zum Live-Stream seiner Inszenierung von Elias Canettis „Die Befristeten“ – und meint damit Jing Xiang. Wer die 1993 in Berlin geborene Schauspielerin auch nur ein einziges Mal in Bochum im Schauspielhaus oder auch auf der kleinen Freilichtbühne im Innenhof der Privatbrauerei Moritz Fiege erlebt hat, weiß sofort, was Simons meint.
Jing Xiangs Auftritte haben tatsächlich etwas Zauberisches. Unabhängig vom Geschehen um sie herum zieht…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 2/2021
Auftritt
Theater Gütersloh: „Oinkonomy“ (UA) von Nora Gomringer. Regie und Bühne Christian Schäfer, Kostüme Anna Sun Barthold-Torpai
von Sascha Westphal
Als die junge Frau schlurfenden Schrittes auf die leere schwarze Bühne kommt, führt sie erst einmal ein paar Handlangerarbeiten aus. So muss etwa ein riesiges Rolltor im Hintergrund geöffnet werden. Danach kommt sie an die Rampe und sucht sich eine Person in der ersten Reihe aus. Der Blick, mit dem sie die erwählte Zuschauerin oder den Zuschauer fixiert, ist durchdringend und taxierend. Schließlich macht sie wortlos einige kurze Bewegungen, die als Anweisungen gedacht sind. Wer von ihr…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 1/2021
Festivals
Das Favoriten-Festival 2020 in Dortmund zeigt die Licht und Schattenseiten von bezahlter und unbezahlter Arbeit
von Sascha Westphal
Der Besen ist riesig, mit dem Demian Wohler den Boden in der Werkhalle im Union Gewerbehof fegt. Aber das muss er wohl auch sein. Schließlich sind die Ausmaße des Raums enorm. Nach und nach zieht er seine Bahnen zwischen den in der Halle aufgestellten Tischen. Indessen staubt Lucie Ortmann die grünen Zimmerpflanzen ab, die in einem anderen Areal des Raums stehen. Es sind ganz alltägliche Arbeiten, denen Wohler und Ortmann im Zuge des Installationsprojekts „Aufstand aus der Küche: II_VerSammlung…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 11/2020
Magazin
Das Theater Oberhausen feiert mit einem Festival den großen Filme- und Theatermacher Christoph Schlingensief – gemäß der Methode, keiner Methode zu trauen
von Sascha Westphal
Alles ist eine Frage der Perspektive. Das ist natürlich erst einmal ein Gemeinplatz, praktisch eine Selbstverständlichkeit. Aber wie so vieles, was wir für selbstverständlich nehmen, verlieren wir auch diese Erkenntnis leicht aus den Augen. Gerade bei Film- und Fernsehbildern ist der Blickwinkel entscheidend. Sie suggerieren Wirklichkeit und sind doch nur ein meist mit Bedacht gewählter Ausschnitt, der die Wahrnehmung des Betrachters und damit auch seine Vorstellungen von Wahrheit und…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 12/2020
Auftritt
Schauspiel Köln: „Nora“ von Henrik Ibsen. Regie, Bühne und Musik Robert Borgmann, Kostüme Bettina Werner; „Die Walküre“ frei nach Richard Wagner. Regie u. Bühne T. B. Nilsson u. J. Wolf Eicke
von Sascha Westphal
Am Ende geht Nora einfach. Das von Sophia Burtscher gespielte Model nimmt sich die Freiheit, ihren Mann Helmer, einen weltberühmten Fotografen und Creative Director, ebenso wie ihre beiden Modepüppchen-Kinder zu verlassen. Was 1879 bei der Uraufführung von Henrik Ibsens Schauspiel noch eine Provokation war, scheint mittlerweile vollkommen selbstverständlich. Das weiß auch Robert Borgmann. Also verlagert er in den letzten Momenten seiner dezidiert heutigen Bearbeitung des Stücks plötzlich den…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 12/2020
Auftritt
Theater Oberhausen: „Herkunft“ (UA) von Saša Stanišić. Regie und Stückfassung Sascha Hawemann, Bühne Wolf Gutjahr, Kostüme Ines Burisch
von Sascha Westphal
„Großvater Muhamed war der freundlichste Mann“, heißt es einmal in „Herkunft“, Saša Stanišićs poetischer und vielschichtiger Befragung seiner Biografie und damit der Geschichte seiner Familie. Und so wie Torsten Bauer in diesem Moment in der blauen Uniform eines jugoslawischen Eisenbahners vor einem steht, glaubt man das sofort. Während er von Muhameds Zeit als Bremser auf der Bahnstrecke zwischen Sarajevo und Višegrad erzählt und berichtet, wie er nach seiner Pensionierung im Jahr 1978 seine…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 11/2020
Auftritt
Theater Bielefeld: „Deinen Platz in der Welt“ (UA) von Dominik Busch. Regie Dariusch Yazdkhasti, Bühne Anna Bergemann, Kostüme Clemens Leander
von Sascha Westphal
Leuchtstoffröhren rahmen einen schwarzen Bühnenkasten ein und verströmen ein sanftes, atmosphärisch stimmiges Licht. Ganz zu Beginn von Dariusch Yazdkhastis Uraufführung von Dominik Buschs Szenengeflecht „Deinen Platz in der Welt“ ist der Kontrast zwischen dem Dunkel auf der Bühne und dem strahlenden Rahmen jedoch derart groß, dass einen das Licht blendet. Für einen kurzen Augenblick gibt es nichts als diese gleißende Helle, die einem jegliche Sicherheit und Orientierung nimmt. Man sitzt in…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 10/2020
Kommentar
Über die Antisemitismusvorwürfe gegen Achille Mbembe und die Absage der Ruhrtriennale
von Sascha Westphal
Am 22. April wurde die diesjährige Ausgabe der Ruhrtriennale abgesagt. Der Aufsichtsrat der Kultur Ruhr GmbH, der Trägerin des Festivals, hat diesen radikalen Schritt mit der gegenwärtigen Coronapandemie und der sich aus ihr ergebenden Planungsunsicherheit begründet. Eine letzten Endes zu erwartende Entscheidung. Dennoch fällt auf, dass die Absage relativ früh erfolgt ist, vier Monate vor Beginn des Festivals, das am 14. August in der Bochumer Jahrhunderthalle eröffnet werden und bis zum 20.…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 6/2020
Aktuelle Inszenierungen
Theater des Social Distancing: Audio-Walks und Drive-in-Theater in Oberhausen, Göttingen und Tübingen
von Elisabeth Maier, Joachim F. Tornau und Sascha Westphal
Theater Oberhausen: Mit Jelinek durch die Stadt
Wie bestellt und nicht abgeholt steht er da, im Gestrüpp unterhalb der großen Werbetafel für ein Möbelhaus und wartet vergeblich. Der Märchenprinz hat ausgedient, bei Elfriede Jelinek sowieso. Aber auch in der alltäglichen Wirklichkeit unserer Welt, die vom Glauben an den Konsum bestimmt wird. Während man auf der anderen Seite der viel befahrenen Straße in der Nähe des Oberhausener Hauptbahnhofs steht und dem immer ungeduldiger werdenden Daniel…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 6/2020
Auftritt
Schauspiel Dortmund: „Lolita (R)evolution (Rufschädigendst) – Ihr Alle seid die Lolita Eurer selbst!“ von Jonathan Meese. Regie und Ausstattung Jonathan Meese
von Sascha Westphal
Natürlich hebt Jonathan Meese immer wieder den ausgestreckten rechten Arm zum Gruß. Natürlich streift sich das Enfant terrible der Kunst- und Performance-Welt mehrmals eine schwarze Uniformjacke mit Hakenkreuz-Binde über. Natürlich brüllt er ständig Sätze heraus, in denen vom Deutschsein und vom Führer, vom Ende der Demokratie und von Richard Wagner die Rede ist. Und natürlich bekommt auch die neunzigjährige Mutter des Künstlers ihren großen Auftritt, zunächst nur in einem auf den eisernen…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 4/2020
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